MÜNCHEN/BERLIN (dpa) — Er ist einer der wichtigs­ten Kirchen­män­ner in Deutsch­land und sollte nun das Bundes­ver­dienst­kreuz bekom­men. Doch Missbrauchs­op­fer sahen das kritisch. Jetzt zieht Kardi­nal Marx die Konsequenzen.

Der Münch­ner Kardi­nal Reinhard Marx verzich­tet nach Kritik von Missbrauchs­op­fern auf das Bundes­ver­dienst­kreuz. Wie ein Sprecher des Erzbis­tums von München und Freising mitteil­te, richte­te Marx per Brief eine entspre­chen­de Bitte an Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Steinmeier.

Die Auszeich­nung hätte dem ehema­li­gen Vorsit­zen­den der Deutschen Bischofs­kon­fe­renz am Freitag in Berlin überreicht werden sollen. Zuvor hatte der «Kölner Stadt-Anzei­ger» über den Verzicht berich­tet. Vom Bundes­prä­si­di­al­amt gab es zunächst keine Reaktion.

Den Angaben nach dankte Marx für die «hohe Ehre der Verlei­hung», an der das Staats­ober­haupt «auch in Reakti­on auf die öffent­li­che Kritik wertschät­zend und wohlwol­lend» festge­hal­ten habe. Ihm sei bewusst gewesen, dass die Auszeich­nung auch Anlass zur selbst­kri­ti­schen Betrach­tung seines Wirkens und der Arbeit der katho­li­schen Kirche insge­samt sei.

«Die Kritik, die nun von Menschen geäußert wird, die von sexuel­lem Missbrauch im Raum der Kirche betrof­fen sind, nehme ich sehr ernst, unabhän­gig von der Richtig­keit der einzel­nen Aussa­gen in Offenen Briefen und in der media­len Öffent­lich­keit.» Im Sinne der Aufar­bei­tung, der er sich persön­lich und als Amtsträ­ger der Kirche verpflich­tet habe, blende er diese Kritik nicht aus.

Marx schrieb den Angaben nach weiter, er wolle mit dem Verzicht auch negati­ve Inter­pre­ta­tio­nen verhin­dern mit Blick auf andere Menschen, denen die Auszeich­nung zuteil gewor­den sei. Zudem wolle er auch dem Amt des Bundes­prä­si­den­ten keinen Schaden zufügen.

Am Montag hatte der Betrof­fe­nen­bei­rat im Erzbis­tum Köln an den Bundes­prä­si­den­ten appel­liert, die Auszeich­nung vorerst nicht vorzu­neh­men. Der Vorwurf der Vertu­schung sei bei Marx «noch längst nicht ausge­räumt», verschie­de­ne Unter­su­chun­gen dazu seien noch nicht abgeschlos­sen, so der Beirat, der die Opfer sexuel­len Missbrauchs durch katho­li­sche Pries­ter vertritt. Für Betrof­fe­ne wäre die Ehrung kaum zu ertragen.

Das Bundes­prä­si­di­al­amt hielt darauf­hin an der Verlei­hung fest. Marx sei in seiner Zeit als Vorsit­zen­der der Deutschen Bischofs­kon­fe­renz in beson­de­rer Weise für Gerech­tig­keit und Solida­ri­tät einge­tre­ten, begrün­de­te dies ein Sprecher. Der Kardi­nal habe sich für die Aufnah­me von Geflüch­te­ten einge­setzt und gegen Populis­mus und Hetze Stellung bezogen. Hierfür sollte Marx ausge­zeich­net werden. Gleich­zei­tig erwar­te Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er die rückhalt­lo­se Aufklä­rung des massen­haf­ten sexuel­len Missbrauchs von Kindern und Jugend­li­chen in der katho­li­schen Kirche, hatte es weiter geheißen.

Marx ist seit 2008 Erzbi­schof von München und Freising. Von 2014 bis 2020 war er Vorsit­zen­der der Deutschen Bischofskonferenz.