MANNHEIM (dpa/lsw) — Die Sprache hält manch einen aus der Ukrai­ne Geflüch­te­ten von einem Studi­um in Deutsch­land ab. Aber an einem Hochschul­be­reich ist das Inter­es­se groß.

Ein großer Ansturm ukrai­ni­scher Studen­tin­nen und Studen­ten auf die Hochschu­len ist nach Angaben der Landes­rek­to­ren­kon­fe­renz (LRK) in Deutsch­land und Baden-Württem­berg ausge­blie­ben. «Das liegt zum einen daran, dass junge Männer einge­zo­gen wurden, zum anderen an digita­len Angebo­ten von Heimat-Univer­si­tä­ten, die von geflüch­te­ten Studie­ren­den angenom­men werden», sagte LRK-Chef Thomas Puhl der Deutschen Presse-Agentur.

Der Rektor der Univer­si­tät Mannheim hatte nach Daten des Deutschen Akade­mi­schen Austausch­diens­tes zunächst eine Zahl von bundes­weit bis zu 100.000 Studie­ren­den prognos­ti­ziert. Derzeit liegt nach seinen Worten die Zahl bei mehr als 30.000 — davon sind fast ein Drittel Studie­ren­de aus Dritt­staa­ten, die vor Kriegs­be­ginn in der Ukrai­ne einge­schrie­ben waren.

Auch das baden-württem­ber­gi­sche Wissen­schafts­mi­nis­te­ri­um beobach­tet nur eine «sehr modera­te» Entwick­lung bei den Bewer­bun­gen: Für den Zeitraum März 2022 bis Mitte Septem­ber 2022 melde­ten die Hochschu­len dem Ressort 362 immatri­ku­lier­te Studie­ren­de mit ukrai­ni­scher Natio­na­li­tät. Hinzu kommen 17 ebenfalls vor dem Krieg geflo­he­ne Studie­ren­de anderer Herkunft. Gebüh­ren von 1500 Euro pro Semes­ter müssen nur Studie­ren­de aus siche­ren Dritt­staa­ten zahlen.

Gründe für das recht gerin­ge Inter­es­se an einem Studi­um in Deutsch­land sind vor allem Sprach­bar­rie­ren, aufgrund derer die Studie­ren­den Polen, die Slowa­kei, Tsche­chi­en und Rumäni­en bevor­zu­gen. In Deutsch­land sind nach Angaben des Minis­te­ri­ums die eher norddeut­schen Großstäd­te, insbe­son­de­re Berlin, die wichtigs­ten Ziele.

Unter den Fachbe­rei­chen ist das Musik­stu­di­um sehr beliebt: Im Südwes­ten hat sich jeder fünfte Studie­ren­de an einer der fünf Musik­hoch­schu­len um einen Platz bewor­ben. «Da sind halbe Orches­ter nach Deutsch­land gekom­men, zumal die vollstän­di­ge Sprach­kom­pe­tenz für Musiker nicht erfor­der­lich ist», sagt Puhl.

Beispiel Freiburg: An der Musik­hoch­schu­le kamen Anfang März etwa 50 aus der Ukrai­ne geflüch­te­te Studie­ren­de an. Sie konnten ihr Studi­um zum Teil dort fortset­zen oder wurden weiter­ver­mit­telt an andere Musik­hoch­schu­len in Itali­en und Spani­en. «Unsere Lehren­den reagier­ten mit überwäl­ti­gen­der Unter­stüt­zung: Obwohl ihre Deputa­te voll sind, haben sie sich bereit­erklärt, die ukrai­ni­schen Studen­tin­nen in ihre Kurse aufzu­neh­men«, sagte Rektor Ludwig Holtmei­er. Derzeit studie­ren 22 Frauen aus der Ukrai­ne an seiner Hochschu­le, darun­ter vier Sänge­rin­nen und drei Komponistinnen.

Die Zahl der ukrai­ni­schen Studie­ren­den werde sich erhöhen, wenn sich die ersten Abitu­ri­en­ten aus der Ukrai­ne an den Hochschu­len einschrie­ben, prognos­ti­ziert Puhl. Er nimmt an, dass viele Schul­ab­gän­ger in Deutsch­land bleiben, um ein Studi­um aufzu­neh­men. Dieses sei attrak­tiv, weil für die Ukrai­ne­rin­nen und Ukrai­ner die Studi­en­ge­büh­ren ausge­setzt werden, obwohl sie nicht aus der EU kommen. In der Ukrai­ne können Puhl zufol­ge nur die Aller­bes­ten kosten­los studieren.

Alle insti­tu­tio­nel­len Koope­ra­tio­nen mit russi­schen Univer­si­tä­ten sind nach Angaben Puhls von den Rekto­ren deutscher Univer­si­tä­ten auf Eis gelegt worden. «Da musste ein klares Zeichen gesetzt werden.»

An den Hochschu­len lm Land disku­tie­ren russi­sche und ukrai­ni­sche Studie­ren­de nach Beobach­tung des LRK-Chefs auf akade­mi­schem Level über die politi­sche Lage. «Über Ausein­an­der­set­zun­gen ist mir nichts bekannt — der Umgang ist zivili­siert.» 31 Ukrai­ner — doppelt so viele wie im Vorjahr — studie­ren in diesem Winter­se­mes­ter an der Univer­si­tät Mannheim. Eine Handvoll Wissen­schaft­ler aus der Ukrai­ne haben dort als Junior­pro­fes­so­ren Unter­schlupf gefun­den sowie eine offen regime­kri­ti­sche russi­sche Politik­wis­sen­schaft­le­rin. Aus einem Fonds des Landes können Wissen­schaft­le­rin­nen und Wissen­schaft­ler aus der Ukrai­ne für ein halbes Jahr mit monat­lich 1200 Euro unter­stützt werden.