STUTTGART (dpa/lsw) — Dialek­te bringen Farbe, Humor und Vielfalt in die Sprache. Aber vor allem bei jungen Menschen sind sie vom Ausster­ben bedroht. Gründe gibt es einige, die meisten haben mit der Gesell­schaft zu tun, mit der Schule und dem Wohnsitz.

Kinder in Baden-Württem­berg sprechen nur noch sehr selten Dialekt, in vielen Regio­nen steht die Mundart sogar vor dem Aus. Nach einer landes­wei­ten Studie des Ludwig-Uhland-Insti­tuts der Univer­si­tät Tübin­gen spricht in den Klassen 1 und 2 der Grund­schu­len nur noch jeder neunte oder zehnte Dialekt (11 bis 15,3 Prozent). «Die sprach­li­che Entwick­lung geht eindeu­tig in Richtung Dialekt­ver­lust», sagte Hubert Klaus­mann, der Leiter des Forschungs­pro­jekts, am Montag in Tübingen.

Vor allem in den Städten gehe die regio­na­le Färbung deutlich verlo­ren, sagte der Sprach­wis­sen­schaft­ler. Rückzugs­ge­biet sei unter anderem der schwä­bi­sche Raum. «Es sind Regio­nen mit großer Identi­täts­mög­lich­keit und mit großer Entfer­nung zur Großstadt», sagte Klaus­mann, der seit über 30 Jahren Mundar­ten im süddeut­schen Raum erforscht.

Den einfa­chen Gegen­satz zwischen Dialekt und dem sogenann­ten Hochdeutsch gebe es im südwest­deut­schen Raum nicht mehr, hieß es weiter. «Viele Kinder bewegen sich heute sprach­lich auf verschie­de­nen Ebenen zwischen dem alten Ortsdia­lekt und dem, was man allge­mein für Hochdeutsch hält», sagte Klausmann.

Der Leiter der Tübin­ger Arbeits­stel­le «Sprache in Südwest­deutsch­land» appel­lier­te an Eltern und Lehrkräf­te, die wichti­ge Vorbil­der für die Kinder seien, wenn es um den Dialekt gehe. «Die Einstel­lung gegen­über dem Dialekt spielt eine wichti­ge Rolle», sagte er. «Wird ein Dialekt beim Kind gelobt, so steigt der Anteil der Dialekt sprechen­den Kinder. Deshalb müssen Leute verste­hen, dass sprach­li­che Varia­tio­nen etwas Norma­les sind.»

Das zeige auch eine Unter­su­chung bei Kinder­gar­ten­kin­dern in der bayrisch-schwä­bi­schen Region rund um Augsburg, Günzburg und Neu-Ulm. «In Bayerisch-Schwa­ben wird der Dialekt von den betreu­en­den Perso­nen im Kinder­gar­ten viel häufi­ger als schön, als wichtig und als Vorteil angese­hen als das in Baden-Württem­berg der Fall ist», sagte Klaus­mann. «Und wird Dialekt bei einem Kind als positiv empfun­den, so steigt der Anteil der Dialekt sprechen­den Kinder.»

In der Tübin­ger Studie, die von der Eva Mayr-Stihl Stiftung geför­dert wurde, sind fast 13.600 Schüle­rin­nen und Schüler aus annähernd 700 Klassen sowie und mehr als 705 Lehrkräf­te befragt worden. Die Unter­su­chung war Teil der Dialek­t­in­itia­ti­ve des Landes, für die Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) vor vier Jahren den Start­schuss gegeben hatte.

In Baden-Württem­berg gibt es nach Meinung der Sprach­ex­per­ten zwei Großdia­lek­te: Fränkisch im nördli­chen Drittel und Aleman­nisch in den südli­chen zwei Dritteln. Sie teilen sich jeweils in Unter­grup­pen, diese fächern sich wieder­um in viele regio­na­le Mundart­for­men auf. So gehört das Kurpfäl­zi­sche, das im Raum um Mannheim und Heidel­berg gespro­chen wird, zum rhein­frän­ki­schen Dialekt­raum. Auch das Hohen­lo­hi­sche ist eine fränki­sche Mundart. Sie wird insbe­son­de­re in den Landkrei­sen Schwä­bisch Hall, Hohen­lo­he­kreis und Bad Mergen­theim gespro­chen. Aleman­ni­sche Dialek­te, das Badische und Schwä­bi­sche, werden im südli­chen Landes­teil gespro­chen, etwa südlich der Linie Rastatt, Pforz­heim, Backnang, Ellwangen.