NEW YORK/LONDON (dpa) — Die Vorwür­fe gegen Prinz Andrew sind seit Jahren bekannt. Nun aber macht eine Frau, die nach eigenen Angaben von dem Queen-Sohn missbraucht wurde, ernst. Für die Royal Family ist der Fall eine Gratwanderung.

Der Sex-Skandal um Jeffrey Epstein in den USA zieht das briti­sche Königs­haus wieder mit Macht ins Rampenlicht.

Prinz Andrew (61) habe sie als Minder­jäh­ri­ge missbraucht, behaup­tet die US-Ameri­ka­ne­rin Virgi­nia Roberts Giuff­re — und hat in New York nun Klage gegen den mittle­ren Sohn von Queen Eliza­beth II. (95) einge­reicht. «Ich mache Prinz Andrew für das verant­wort­lich, was er mir angetan hat», beton­te die 38-Jähri­ge in einer Stellung­nah­me. Sie verlangt Schaden­er­satz von dem Royal, der die Vorwür­fe seit Jahren zurück­weist, sich aber wegen seiner Freund­schaft zum mittler­wei­le gestor­be­nen Epstein von seinen Aufga­ben zurück­ge­zo­gen hat.

Rückblick: Multi­mil­lio­när Epstein soll über Jahre hinweg Dutzen­de minder­jäh­ri­ge Mädchen missbraucht und zur Prosti­tu­ti­on gezwun­gen haben. Dabei halfen ihm der Ankla­ge zufol­ge sowohl Mitar­bei­ter als auch seine Ex-Partne­rin Ghislai­ne Maxwell, die derzeit in einem New Yorker Gefäng­nis auf ihren Prozess wartet. Über Maxwell wieder­um lernte Epstein auch den Herzog von York kennen, wie Prinz Andrews offizi­el­ler Titel lautet. Giuff­re wirft Maxwell vor, sie «zur Sexskla­vin ausge­bil­det» zu haben, was die Epstein-Ex bestreitet.

Die Vorwür­fe gegen Andrew — von der briti­schen Presse wegen seiner Affären einst als «Randy Andy» (etwa: geiler Andy) verspot­tet — sind seit Jahren bekannt. Nun aber beschäf­ti­gen sie auch die Justiz. «Wie andere minder­jäh­ri­ge Kinder vor und nach ihr wurde die Kläge­rin zunächst angewor­ben, um Epstein Massa­gen anzubie­ten und danach eine Vielzahl von sexuel­len Handlun­gen durch­zu­füh­ren», heißt es in der Ankla­ge, die die briti­sche Zeitung «Daily Mail» am Diens­tag veröf­fent­lich­te. Giuff­re sei regel­mä­ßig von Epstein missbraucht und von ihm «ausge­lie­hen» worden. «Ein solcher mächti­ger Mann, an den die Kläge­rin zu sexuel­len Zwecken ausge­lie­hen wurde, war der Angeklag­te Prinz Andrew, der Herzog von York.»

Ein Sprecher Andrews wollte die Klage nicht kommen­tie­ren. Der Bruder von Thron­fol­ger Prinz Charles hat zwar zugesagt, den zustän­di­gen Ermitt­lungs­be­hör­den helfen zu wollen — vor der New Yorker Staats­an­walt­schaft aber trotz aller Anfra­gen noch nicht als Zeuge ausge­sagt. Andrew war mehrfach Übernach­tungs­gast in Epsteins Anwesen in den USA und der Karibik. Von den Machen­schaf­ten seines Freun­des und dessen Ex-Partne­rin Maxwell will er nichts mitbe­kom­men haben. Epstein nahm sich im Sommer 2019 in einer Zelle das Leben.

Kläge­rin Giuff­re berich­tet von drei Fällen, in denen Andrew sie missbraucht habe. Er habe gewusst, dass sie minder­jäh­rig gewesen sei, behaup­tet sie. «Die Mächti­gen und Reichen sind nicht davon befreit, für ihre Taten verant­wort­lich gemacht zu werden», sagte Giuff­re. «Ich hoffe, dass andere Opfer erken­nen, dass es möglich ist, nicht in Stille und Angst zu leben, sondern sein Leben zurück­zu­er­obern, indem man sich äußert und Gerech­tig­keit fordert.»

Für Andrew und das Königs­haus ist der Fall höchst delikat. Nach einem katastro­pha­len BBC-Inter­view, mit dem er seinen Ruf wieder­her­stel­len wollte, ließ der Prinz seine royalen Aufga­ben vorerst ruhen. Auch seine Beför­de­rung zum Admiral liegt auf Eis. In der Öffent­lich­keit ist er seit gerau­mer Zeit so gut wie gar nicht mehr zu sehen, eine Ausnah­me war die Beiset­zung seines Vaters Prinz Philip im April.

Für die Royal Family ist es ein schma­ler Grat. So erinner­te das Königs­haus zwar im Febru­ar an Andrews Geburts­tag: «An diesem Tag im Jahr 1960 hat die Queen einen Sohn zur Welt gebracht, das erste Kind seit 1857, das von einer regie­ren­den Monar­chin zur Welt gebracht wurde.» Offizi­el­le Glück­wün­sche gab es aller­dings nicht. Dennoch werfen Kriti­ker dem Königs­haus Doppel­mo­ral vor: Denn der Palast lässt Mobbing-Vorwür­fe gegen Herzo­gin Meghan (40), Frau von Queen-Enkel Prinz Harry (36), unter­su­chen. Im Fall Epstein aber — der immer mehr zu einem Fall Andrew wird — kommt aus dem Palast kein Wort.

Von Benedikt von Imhoff und Chris­ti­na Horsten, dpa