NÜRNBERG/BRAUNFELS (dpa) — Es hat die Nerven so mancher Nachbarn strapa­ziert und viele Schuhe ruiniert. Jetzt wird das Bobby-Car 50 Jahre alt — und wird heute längst nicht mehr nur von Kindern geliebt.

Es ist rot, schon von weitem deutlich hörbar und extrem robust: Das Bobby-Car kennt so gut wie jedes Kind. Auch bei Erwach­se­nen sind die kleinen Rutsch­au­tos Kult, denn viele von ihnen rollten selbst schon damit durch die Gegend.

Vor 50 Jahren wurde das Bobby-Car erstmals auf der Spiel­wa­ren­mes­se in Nürnberg vorge­stellt. Seitdem hat es Garagen, Kinder­zim­mer und so manche Rennpis­te erobert.

Künst­ler-Editio­nen

Mehr als 20 Millio­nen Bobby-Cars sind beim Herstel­ler Big bisher vom Band gelau­fen. Etwa 2000 Stück werden täglich in dem Werk in Burghas­lach direkt an der Autobahn 3 zwischen Nürnberg und Würzburg produ­ziert — und längst nicht mehr nur der knall­ro­te Klassi­ker. Mehr als 100 verschie­de­ne, zum Teil limitier­te Model­le gab es bislang: in zahlrei­chen Farben, als Feuer­wehr- oder Polizei-Editi­on oder gestal­tet von namhaf­ten Künst­lern oder Designern wie James Rizzi und Philip­pe Starck.

Als das Bobby-Car vor 50 Jahren auf den Markt kam, gab es für kleine Kinder vor allem nur das Dreirad. Heute konkur­riert es mit Laufrä­dern für Minis, dreiräd­ri­gen Rollern und aller­lei Rutsch­au­tos. Trotz­dem ist die Nachfra­ge nach dem Bobby-Car nach Angaben des Herstel­lers ungebro­chen. «Es ist das typische Geschenk zur Geburt oder spätes­tens zum 1. Geburts­tag», erklärt Big-Geschäfts­füh­rer Thomas Rötten­ba­cher. «Wir profi­tie­ren auch davon, dass die Genera­tio­nen, die mit dem Bobby-Car aufge­wach­sen sind, jetzt selbst Eltern oder teilwei­se schon Großel­tern sind.»

Design-Klassi­ker

Doch anfangs sah es nicht nach einer Erfolgs­ge­schich­te aus: Das Bobby-Car wurde wegen seiner funktio­na­len Form mit der ergono­mi­schen Sitzflä­che belächelt. Das änder­te sich aller­dings bald. Heute zählt der rote Flitzer mit Lenkrad und Hupe nach Ansicht von Branchen­ken­ner Ulrich Texter wie der Lego-Stein zu den Design-Klassi­kern. «Es ist ein ikoni­sches Design, das sich an keinem Fahrzeug orien­tiert. Aber jeder sieht sofort, wofür es da ist.»

Im Gegen­satz zu anderen Kinder­fahr­zeu­gen, die nur in einer bestimm­ten Zeitspan­ne inter­es­sant seien, sei das Bobby-Car im Grunde alters­los, meint Texter, Chefre­dak­teur der Fachzeit­schrift «Planet Toys». «Da kann man noch mit 10 Jahren drauf rumknat­tern», hat er bei seinen Kindern beobach­tet: «Die knien drauf, damit sie richtig Tempo kriegen.» Und auch Erwach­se­ne können mit dem Bobby-Car noch jede Menge Spaß haben, wie sich nicht nur in diver­sen Videos auf TikTok beobach­ten lässt.

Ein passio­nier­ter Sammler

Holger Späth, 51 Jahre, von Beruf Metzger, zum Beispiel: Er ist ein Riesen-Fan. Der Hesse fährt nicht nur seit langem Bobby-Car-Rennen, sondern sammelt auch alles rund um das legen­dä­re Plastik­au­to. Mehr als 300 Expona­te hat er in seinem eigenen Bobby-Car-Museum in Braun­fels — knapp 70 Kilome­ter nordöst­lich von Frank­furt — versam­melt: vom Origi­nal von 1972 bis zum handsi­gnier­ten Sondermodell.

Die Sammel- und Rennlei­den­schaft packte ihn 2008, als seine Tochter zur Geburt ein Bobby-Car bekam. «Das ist wohl das Kind im Manne», meint er. Damals habe er aus Spaß ein Rennen mit dem Auto seiner Tochter gefah­ren — und dieses dabei gleich kaputt­ge­macht, obwohl es eigent­lich ziemlich viel aushal­te. Also musste er ein Neues kaufen. «Da habe ich im Prinzip mit dem Sammeln angefangen.»

Später gründe­te Späth zusam­men mit anderen Fans den Bobby-Car-Sport-Verband, der die offizi­el­len Meister­schaf­ten organi­siert. Neben seinen Schät­zen im Museum besitzt er auch mehre­re regel­kon­form getun­te Rennschlit­ten mit spezi­el­len Kugel­la­gern und Luftrei­fen. Norma­ler­wei­se — also vor Corona — fährt er mehrmals im Jahr bei den abenteu­er­li­chen Rennen abschüs­si­ge Pisten in einem Affen­zahn hinab und erreicht dabei Geschwin­dig­kei­ten von mehr als 100 Kilome­tern pro Stunde.

«Wenn man selber drauf­sitzt, kommt es einem gar nicht so schnell vor», erzählt er. Das mag auch an dem Helm und der Schutz­klei­dung liegen. Extra für die Rennen trainie­ren sei nicht nötig. Was man aber unbedingt üben müsse, sei das Bremsen, betont er. Denn beim Bobby-Car schiebt man sich nicht nur mit den Füßen an, man bremst auch mit ihnen. Für die Rennen klebt sich Späth deshalb Autorei­fen unter die Schuhe. «Wenn man einmal bei 120 gebremst hat, sind sonst keine Schuhe mehr da.»

Ja, die Schuhe, die sind sowie­so ein Thema beim Bobby-Car. Sohlen und Schuh­spit­zen werden zum Ärger mancher Eltern auch schon beim norma­len Fahren kräftig abgenutzt. Der Herstel­ler bietet deshalb schon länger spezi­el­le Schuh­scho­ner an. Und auch für die Nerven lärmemp­find­li­cher Nachbarn gibt es Entlas­tung: Flüster­rei­fen dämpfen inzwi­schen die fürs Bobby-Car typischen Polter-Geräusche.

Von Irena Güttel, dpa