MÜNCHEN (dpa) — Selten war die Themen­fül­le so groß wie bei dieser IAA. Weniger CO2-Ausstoß, fehlen­de Elektro­bau­tei­le und autono­mes Fahren. Ob die Messe relevant bleibt, muss sich erst zeigen. Und es gibt Protest.

Die Inter­na­tio­na­le Automo­bil­aus­stel­lung IAA beginnt am Montag an ihrem neuen Stand­ort München mit neuem Konzept als Verkehrs­mes­se IAA Mobility.

Nicht nur auf dem Messe­ge­län­de, sondern auch in der Stadt will die Branche über Wege zur Klima­neu­tra­li­tät und über die Vernet­zung der verschie­de­nen Verkehrs­trä­ger sprechen.

Abflau­en­des Interesse

Es soll — nach abflau­en­dem Inter­es­se bei der bislang letzten Ausga­be 2019 in Frank­furt — keine PS-Schau in geschlos­se­nen Hallen mehr sein, sondern eine Messe zum Auspro­bie­ren und Disku­tie­ren. Jedoch ist der Erfolg des Vorha­bens noch offen. Zudem fehlen wichti­ge Ausstel­ler wie Toyota und Stellan­tis beim wichtigs­ten Branchen­tref­fen. Und Umwelt­schüt­zer halten auch die neue IAA für ökolo­gisch unzeitgemäß.

Am ersten Tag stellen sich die Herstel­ler und Zulie­fe­rer zunächst der Presse. Am Diens­tag­nach­mit­tag soll Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) die Messe eröff­nen. Ab dann starten auch die Präsen­ta­tio­nen auf mehre­ren Plätzen mitten in München sowie Testfahr­ten für Besucher: Erstmals können sie auf einer IAA rund 250 neue Fahrzeu­ge auf Straßen und einem Autobahn­teil zwischen Stadt und Messe­ge­län­de probe­wei­se fahren, darun­ter hochau­to­ma­ti­sier­te Wagen und solche mit Wasserstoffantrieb.

Klima-Protest regt sich

Fahrrä­der und E‑Scooter werden ebenso gezeigt und getes­tet. Unter den Ausstel­lern sind erstmals auf einer IAA rund 70 Fahrradhersteller.

Klima­ak­ti­vis­ten haben dessen ungeach­tet zu Protes­ten aufge­ru­fen. Sie sehen die IAA als Autotref­fen mit «grünem Deckman­tel». Zu Demos zum Abschluss am kommen­den Samstag werden Zehntau­sen­de Menschen erwartet.

Einige Green­peace-Aktivis­ten erschie­nen schon am Sonntag vor der Veran­stal­tungs­hal­le des VW-Konzern­abends mit einem Plakat, das ein ölver­schmier­tes Logo des Autobau­ers zeigte. Ihrer Ansicht nach tut Volks­wa­gen als riesi­ger Volumen­her­stel­ler — das Unter­neh­men ist allein für gut ein Prozent des globa­len CO2-Aussto­ßes verant­wort­lich — trotz des Hochlaufs der E‑Mobilität und Milli­ar­den­in­ves­ti­tio­nen nach wie vor zu wenig.

Die Verkehrs­exper­tin der Umwelt­or­ga­ni­sa­ti­on, Marion Tiemann, übergab Vorstands­chef Herbert Diess die Klage­schrift zum Verfah­ren, das Green­peace zusam­men mit der Deutschen Umwelt­hil­fe in der vergan­ge­nen Woche angekün­digt hatte. Gefor­dert wird unter anderem, dass VW spätes­tens 2030 gar keine Verbren­ner mehr verkauft.

«Der Dekar­bo­ni­sie­rungs­pfad von VW ist nicht mit dem Ziel kompa­ti­bel, dass die globa­le Tempe­ra­tur durch den Treib­haus­ef­fekt um höchs­tens 1,5 Grad steigen darf», meinte Tiemann. Sie sprach mit Diess, der sich offen für eine Debat­te zeigte, kurz über die Klima­po­li­tik in verschie­de­nen Ländern. Der VW-Chef beton­te, man tue schon viel — der Umstieg zu Öko-Energien sei aber nicht nur eine Aufga­be der Autoindustrie.

Corona spielt eine Rolle

Im Hinter­grund prägt auch die Corona-Pande­mie die IAA, deren Pkw-Ausga­be sich jährlich mit der Nutzfahr­zeug-Ausga­be in Hanno­ver abwech­selt. Die Veran­stal­ter vom Verband der Automo­bil­in­dus­trie (VDA) und der Messe­ge­sell­schaft München werten es schon als Erfolg, dass sie überhaupt statt­fin­den kann. Alle Besucher und Ausstel­ler der Mobili­täts­schau müssen genesen, geimpft oder getes­tet sein.

Die Klima­de­bat­te dürfte in den nächs­ten Tagen aber das entschei­den­de Thema bleiben — neben der weiter schwä­cheln­den Autokon­junk­tur und der Versor­gungs­kri­se bei wichti­gen Elektro­nik-Bautei­len. BMW verschärf­te seine Klima­zie­le vor der Messe noch einmal: Der CO2-Fußab­druck der Autos von den Rohstof­fen bis zur Still­le­gung soll bis 2030 nicht nur um 33 Prozent, sondern nun um mindes­tens 40 Prozent gesenkt werden.

Engpäs­se bei Mikrochips

«Dabei geht es nicht nur um ökolo­gi­sche, sondern auch um betriebs­wirt­schaft­li­che Nachhal­tig­keit», sagte Vorstands­chef Oliver Zipse. «Denn die aktuel­le Entwick­lung von Rohstoff­prei­sen zeigt, mit welchen Auswir­kun­gen eine Indus­trie rechnen muss, die von begrenz­ten Ressour­cen abhän­gig ist.» Auch andere Herstel­ler und Zulie­fe­rer berich­te­ten zuletzt von stark steigen­den Ausga­ben für Rohmaterial.

Die Unter­neh­mens­be­ra­tung PwC beurteilt die Produk­ti­ons- und Absatz­plä­ne der Branche angesichts der anhal­ten­den Engpäs­se bei Mikro­chips skeptisch. Der Ausbau von Halblei­ter-Produk­ti­ons­an­la­gen dauere bis zu zwei Jahre, der Bau neuer Werke fünf Jahre — deshalb sei «keine kurzfris­ti­ge Erholung der Versor­gung mit Halblei­tern zu erwar­ten», sagte PwC-Exper­te Tanjeff Schadt vor Beginn der IAA.

Als die Autoin­dus­trie während der Corona-Lockdowns 2020 Bestel­lun­gen kürzte und 2021 schnell wieder erhöh­te, kam es zu einem erheb­li­chen Mangel. Zudem brann­te im März eine wichti­ge Chipfa­brik in Japan. Die Autopro­duk­ti­on wurde so weltweit ausge­bremst. Inzwi­schen sehen viele Manager die Knapp­heit auch grund­sätz­lich als struk­tu­rel­les Problem.

Källe­ni­us: «Situa­ti­on volatil»

Daimler-Vorstands­chef Ola Källe­ni­us erwar­tet etwas Entspan­nung, aber vorerst noch kein Ende der Halblei­ter-Krise. Die jüngs­ten Corona-Lockdowns in Malay­sia hätten Merce­des-Benz im laufen­den Quartal getrof­fen, und «die Situa­ti­on ist volatil», sagte er am Sonntag­abend in München. Er hoffe, dass es im vierten Quartal besser werde. Aber die Nachfra­ge nach Halblei­tern werde auch nächs­tes Jahr höher sein als die globa­le Produk­ti­ons­ka­pa­zi­tät. Erst 2023 dürfte es merklich besser sein.

BMW hatte Merce­des bei den Absatz­zah­len im ersten Halbjahr überholt und will 2030 schon drei Millio­nen Autos verkau­fen, ebenso wie Audi. Källe­ni­us sagte, für ihn sei Gewinn wichti­ger als Volumen. Merce­des wolle mit guter Technik und Ästhe­tik Autos zu «Premi­um­prei­sen» verkau­fen und nicht «unten rumja­gen». Auch beim autono­men Fahren überlas­se man das Robota­xi gerne den Volumenherstellern.

VW stell­te zum IAA-Start und vor dem Verkauf des vollelek­tri­schen Busses ID.Buzz im kommen­den Jahr eine autono­me Proto­ty­pen-Versi­on des Fahrzeugs fertig. Zunächst wird die Techno­lo­gie mit fünf Exempla­ren getes­tet, ehe ab 2025 dann ein Serien­be­trieb möglich sein soll.