BERLIN (dpa) — Es ist die größte Sozial­re­form seit Jahren: Mit dem Bürger­geld will die Ampel-Regie­rung Hartz IV hinter sich lassen. Zum Start des parla­men­ta­ri­schen Verfah­rens gibt es Kritik — die Koali­ti­on wehrt sich.

Vertre­ter von SPD und Grünen haben Kritik an dem geplan­ten Bürger­geld zurück­ge­wie­sen. «Offen­bar hat man den Schuss bei einigen Arbeit­ge­ber­ver­tre­tern und in der Union noch nicht gehört», sagte SPD-General­se­kre­tär Kevin Kühnert den Zeitun­gen der Funke Mediengruppe.

«Statt weiter das Lied von angeb­lich zu hohen Regel­sät­zen zu trällern, die Arbeit unattrak­tiv machen würden, sollten die Arbeit­ge­ber endlich ihrer Verant­wor­tung nachkom­men und durch eine viel stärke­re Tarif­bin­dung attrak­ti­ve­re Beschäf­ti­gungs­be­din­gun­gen schaf­fen.» Die Logik von Daumen­schrau­ben und niedri­gen Löhnen sei gerade in Zeiten des Fachkräf­te­man­gels ein fataler Irrweg in die arbeits­markt­po­li­ti­sche Sackgasse.

Reform soll Hartz IV ablösen

Millio­nen Menschen in Deutsch­land sollen mit dem Bürger­geld ab 1. Januar mehr Geld und eine besse­re Betreu­ung erhal­ten. Das Bundes­ka­bi­nett hatte am Mittwoch grünes Licht für die zentra­le Sozial­re­form der Ampel-Koali­ti­on gegeben. Das Bürger­geld soll Hartz IV für die mehr als fünf Millio­nen Betrof­fe­nen in seiner heuti­gen Form ablösen.

Union und Arbeit­ge­ber warfen der Koali­ti­on vor, sie belie­ßen Bedürf­ti­ge auf Dauer im Hilfs­sys­tem. Sozial­ver­bän­de und Gewerk­schaf­ten kriti­sier­ten die geplan­ten monat­li­chen Sätze als zu niedrig. Bundes­tag und Bundes­rat müssen dem Gesetz noch zustimmen.

Die Grünen-Frakti­ons­vor­sit­zen­de Britta Haßel­mann sagte der «Rheini­schen Post» mit Blick auf die Unions­kri­tik, wenn CDU und CSU wieder einmal versuch­ten, sozia­le Absiche­rung von Menschen und Fachkräf­te­man­gel gegen­ein­an­der auszu­spie­len, dann verken­ne dies die Zeichen der Zeit. «Dem Fachkräf­te­man­gel begeg­nen wir nur mit besse­ren Arbeits­be­din­gun­gen in Branchen wie der Pflege, mit Fortbil­dung und Quali­fi­zie­rung, einer besse­ren Verein­bar­keit und insbe­son­de­re mit einer Reform der Fachkräfteeinwanderung.»

Student­werk fordert Bafög-Erhöhung

Das Deutsche Studen­ten­werk (DSW) fordert derweil nach dem Beschluss zur Einfüh­rung des Bürger­gelds eine Erhöhung auch der Bafög-Sätze. Wenn beim Bürger­geld künftig 502 Euro gezahlt werde, um den Lebens­un­ter­halt zu sichern, sollten die Bafög-Empfän­ger beim Grund­be­darf nicht mit ledig­lich 452 Euro für Lebens­un­ter­halt und Ausbil­dungs­kos­ten abgespeist werden, sagte DSW-General­se­kre­tär Matthi­as Anbuhl der Deutschen Presse-Agentur. «Die Koali­ti­on muss deshalb den Grund­be­darf für den Lebens­un­ter­halt beim Bafög auf 502 Euro anheben.» Er forder­te darüber hinaus eine steti­ge Anpas­sung an die Entwick­lung von Preisen und Einkommen.