BERLIN (dpa) — Wie lässt sich auch mit sehr wenig Geld ein warmes Essen auf den Tisch bringen? Diese Frage stellen sich momen­tan viele Menschen. Influen­cer, Kochpor­ta­le und Buchau­to­ren geben Antworten.

Jenny Kuschel, allein­er­zie­hen­de Mutter von drei Kindern, kennt das Gefühl «broke» zu sein. Das ist Englisch und heißt so viel wie «pleite». Wie die Berli­ne­rin dafür sorgt, dass ihre Kinder und sie trotz knapper Kasse satt werden, zeigt sie im Inter­net. Allein auf Tiktok schau­en sich etwa 350.000 Nutzer regel­mä­ßig ihre Videos an. Auch Kochplatt­for­men wie Kitchen Stories und Chefkoch zeigen, wie man sparsam einkau­fen und essen kann. Ebenfalls nachge­fragt: klassi­sche Sparkochbücher.

Reis mit Buttergemüse

Zu Kuschels «Broke-Gerich­ten» gehören zum Beispiel Camem­bert in Blätter­teig, Cornflakes-Ersatz aus angebra­te­nen und gezucker­ten Toast­brot-Würfeln oder auch Pommes, überba­cken mit Spinat und Käse. «Sehr beliebt sind auch Reis mit Butter­ge­mü­se oder Rezep­te mit Instant­nu­deln. Die haben oft eine Milli­on Aufru­fe», sagt Kuschel, die gern improvisiert.

Ihren Follo­wern gefällt’s: Eine Freibur­ge­rin schreibt, sie habe nun angefan­gen, ein bisschen mehr zu sparen und das zu verwer­ten, was sie habe, anstatt nur starr nach Rezep­ten zu kochen. «Du bist ein Genie und Lebens­ret­ter», schreibt ein anderer Nutzer.

«Vor allem Studen­ten und Allein­er­zie­hen­de schau­en sich meine Videos an», so Kuschels Einschät­zung. Ihr sei bewusst, dass die Rezep­te nicht immer gesund und vollwer­tig seien. «Aber wenn man sehr wenig Geld hat, ist es vor allem wichtig, satt zu werden», sagt die 33-Jähri­ge, die schon mit 16 vom Heim in ihre eigene Wohnung zog. «Mit meinem damali­gen Partner habe ich von meinem Schülerb­afög gelebt. Da mussten manch­mal zehn bis 20 Euro in der Woche reichen».

Hafer­flo­cken mit Milch

Aus Sicht der Ernäh­rungs­be­ra­te­rin Anja Bath ist der Gedan­ke, sparsa­me Rezep­te anzubie­ten, «super». Unter Kuschels Rezep­ten seien auch gute Ideen wie etwa Hafer­flo­cken mit Milch und Obst zum Frühstück oder Spinat, Kartof­feln und Ei als Mittag­essen. «Manche Rezep­te sind aber auch grenz­wer­tig», so die Exper­tin. Aus ihrer Sicht fehle es zum Teil an Eiweiß, das der Körper brauche. Am Ende müsse man aber immer schau­en, was man über einen Tag oder die Woche isst.

«Ich finde es sowie­so schwie­rig, sich auf den ganzen Social-Media-Kanälen etwas Sinnvol­les heraus­zu­su­chen, weil es nicht unbedingt Ernäh­rungs­fach­kräf­te, sondern Laien sind», so die Berate­rin über Influen­cer. Aus ihrer Sicht wäre eine Abstim­mung mit einer Ernäh­rungs­be­ra­te­rin sinnvoll.

Auch das Berli­ner Portal Kitchen Stories setzt derzeit beson­ders auf Spartipps: «Großer Genuss für kleines Geld» — heißt etwa ein Artikel mit Rezep­ten wie Dinkel­ri­sot­to, Hummus­sup­pe mit Spinat oder auch eine schnel­le Tomaten­sup­pe. Darüber hinaus sind dort auch andere Beiträ­ge und Videos mit Alltags­tipps rund ums sparsa­me Einkau­fen und Kochen zu finden. «Diese Artikel haben alle überdurch­schnitt­lich hohe Zugriffs­zah­len und werden immer wieder gesucht und geklickt», so Spreche­rin Luise Linne.

Viele der Nutzer seien berufs­tä­tig und hätten zum Teil auch ein höheres Einkom­men als die Durch­schnitts­be­völ­ke­rung. «Wir sehen aber, dass alle sparen möchten». Trotz eines überschau­ba­ren Geldein­sat­zes gehe es darum, dass die Gerich­te gesund sind und eine bestimm­te Quali­tät haben, betont Linne.

Saiso­na­le Gerichte

«Die Krisen­zeit hat ja schon mit der Corona-Pande­mie angefan­gen. Die Leute machen mehr selbst und kochen mehr, das hat einen richti­gen Schub bekom­men und dieser Trend bricht nicht ab. Das Thema ‘Günstig und preis­be­wusst kochen’ wird nach wie vor sehr, sehr gut angenom­men», sagt auch David Breul, Vorstands­mit­glied bei Chefkoch. Günsti­ge, saiso­na­le Gerich­te würden immer wieder gern geklickt.

Seit Monaten treiben hohe Energie- und auch Lebens­mit­tel­prei­se die Infla­ti­on in Deutsch­land an. Im Septem­ber erreich­te die Jahres­teue­rungs­ra­te mit 10,0 Prozent den höchs­ten Stand seit etwa 70 Jahren. Beson­ders knapp sitzt das Geld bei Arbeits­lo­sen. «Mit dem Hartz-IV-Regel­satz kann man kaum noch auskom­men», weiß Kochbuch-Autor Kurt Meier aus Briet­lin­gen in Nieder­sach­sen. Doch der Geldman­gel sei gar nicht immer unbedingt das einzi­ge Problem.

«Das große Übel ist, dass viele gar nicht kochen können. Dann kaufen sie Fertig­pro­duk­te oder gehen zu dem Ameri­ka­ner», so Meier, der mit Uwe Glinka Sparkoch­bü­cher und ‑broschü­ren für Arbeits­lo­se geschrie­ben hat. Letzte­re werden laut Meier von Jobcen­tern bundes­weit verteilt. Im Netz betrei­ben die beiden die Seite «Die Sparratgeber».

Außer­dem bietet der Rentner Kochkur­se für Arbeits­lo­se an. «Viele sagen sich so lange, dass sie nicht kochen können, bis sie es selbst glauben», so Meiers Erfah­rung. «Man muss die Leute an die Hand nehmen. Am Ende sind viele erstaunt, wie einfach Kochen ist», so Meier. Die Rezep­te stammen von Landfrau­en, die diese den Autoren zu Tausen­den nach einem Aufruf zugeschickt haben. Einer von Meiers Lieblings­klas­si­kern: Bauern­auf­lauf mit Gemüse und Mettenden.

Nachdru­cke von Büchern

Zwei der drei Sparkoch­bü­cher seien bis auf einen gerin­gen Lager­be­stand vergrif­fen und müssten nun nachge­druckt werden, sagt Susann Jaensch, Spreche­rin des Buchver­lags für die Frau. Die Bücher seien zwar schon seit Jahren auf dem Markt, aber: «Seitdem durch die hohen Preise Krisen­stim­mung herrscht, schau­en sich die Leute auch wieder verstärkt nach entspre­chen­der Litera­tur um».

Auf dem Bücher­markt gibt es zahlrei­che weite­re Titel zum günsti­gen Kochen. Sie tragen Titel wie «Minimal Budget, maximal lecker», «Das 1‑Euro-Kochbuch» oder «Nachhal­tig kochen unter 1 Euro» und dürften momen­tan ebenfalls sehr gefragt sein. Mögli­cher­wei­se reiht sich demnächst auch ein Kochbuch der Influen­ce­rin Jenny Kuschel in diesen Reigen ein. «Ich würde gern ein Buch mit meinen Rezep­ten schrei­ben», so Kuschel. Viele ihrer Follower hätten bereits danach gefragt.

Von Anja Sokolow, dpa