ZHANGJIAKOU (dpa) — Erst Elfter, dann Erster: Mit einem sagen­haf­ten Schluss­spurt hat Vinzenz Geiger olympi­sches Gold gewon­nen. Der Oberst­dor­fer galt zuletzt als Kontakt­per­son und hat ordent­li­ches Chaos hinter sich.

Der Nordi­sche Kombi­nie­rer Vinzenz Geiger hat eine überra­gen­de Aufhol­jagd gekrönt und bei den Olympi­schen Winter­spie­len in China die Goldme­dail­le geholt.

Nach seinem furio­sen Schluss­spurt über mehr als einen Kilome­ter lag der 24-Jähri­ge in Zhang­jia­kou ungläu­big im Ziel, als der besieg­te Johan­nes Rydzek mit letzter Kraft als Fünfter über die Zielli­nie fuhr. Nach einem Sprung von der Normal­schan­ze und dem Zehn-Kilome­ter-Lauf gewann am Ende einer, mit dem keiner mehr gerech­net hatte: Geiger, der auch Joergen Graabak aus Norwe­gen und den Öster­rei­cher Lukas Greide­rer als weite­re Medail­len­ge­win­ner hinter sich ließ.

Geiger sprang bei der Sieger­eh­rung aufs Podest und zeigte stolz die beiden Fäuste. «Jaaaaaaaa!», brüll­te der Allgäu­er. «Eine großar­ti­ge Leistung mit Vollgas und doch viel Taktik dabei», sagte IOC-Präsi­dent Thomas Bach der Deutschen Presse-Agentur. «Das hat ja zur Hälfte nach siche­ren zwei Medail­len ausge­hen — und dann als Verfol­ger­grup­pe noch mal so ranzu­kom­men, das war ein richtig spannen­des olympi­sches Rennen.»

1:26 Minuten Rückstand hatte Geiger, der 2018 schon olympi­sches Gold mit der deutschen Staffel um Rydzek, Eric Frenzel und Fabian Rießle gewon­nen hatte, mit auf die Strecke genom­men. Rydzek sah lange wie der siche­re Sieger aus und wurde dann auf den letzten Metern noch abgefan­gen. Der dritte deutsche Starter Julian Schmid beleg­te Rang acht, nachdem er auch lange der kleinen Spitzen­grup­pe mit Geiger und Greide­rer angehörte.

Frenzel: «Was für ein Hammer-Rennen»

«Wie geil. Ich gratu­lie­re dir, was für ein Hammer-Rennen», schrieb der mit Corona infizier­te Frenzel sofort via Insta­gram. Geigers Gold-Coup war aber nicht nur der eigenen heraus­ra­gen­den Leistung geschul­det, sondern auch dem Ausfall mehre­rer Leistungs­trä­ger in der Kombi­na­ti­on. Frenzel fiel genau­so aus wie Norwe­gens Weltmeis­ter und Topfa­vo­rit Jarl Magnus Riiber. Die Mitfa­vo­ri­ten Terence Weber (auch Deutsch­land) und Krist­jan Ilves aus Estland waren in China ebenso positiv auf das Virus getes­tet worden und konnten nicht teilnehmen.

Aus dem dezimier­ten deutschen Team, das pande­mie­be­dingt nur drei Starter aufbie­ten konnte, ist wieder eine Olympia­sie­ger-Mannschaft gewor­den. Schon 2014 und 2018 hatte es beim größten Sport­event der Winter­sport­ler Goldme­dail­len gegeben — so lief es diesmal auch, sogar ohne den isolier­ten Garan­ten Frenzel.

Geiger hinge­gen war zwar eine Kontakt­per­son, blieb aber negativ — und zeigte eine überra­gen­de sport­li­che Leistung in der Loipe. «Einen kleinen Hauch an Möglich­keit sehe ich noch», hatte Bundes­trai­ner Hermann Weinbuch nach dem Sprin­gen über Geiger gesagt. Dieser nutzte die Chance und griff aus einer Verfol­ger­grup­pe furios an. Nach dem Sprin­gen hatte der laufstar­ke Oberst­dor­fer noch kommen­tiert: «Mit einem perfek­ten Laufren­nen ist eine Medail­le drin.»

In den vergan­ge­nen Tagen hatte er jede Menge Durch­ein­an­der erlebt, weil er als Kontakt­per­son nicht mit seinen Teamkol­le­gen zur Schan­ze fahren durfte. Einmal wurde er gar an der Snowboard-Anlage heraus­ge­las­sen. «Bei mir war echt schon Riesen­cha­os. Es war echt hart. Aber ich denke, heute bin ich fit», kündig­te Geiger vor dem Lauf an — und bewies es wenig später eindrucksvoll.

Von Patrick Reichardt, Thomas Eßer und Claas Hennig, dpa