KARLSRUHE (dpa) — Nach einem Urteil im Mai will eine Komman­deu­rin der Bundes­wehr mit einer Verfas­sungs­be­schwer­de ein Grund­satz­ur­teil errei­chen. Dabei geht es um das Recht auf sexuel­le Selbstbestimmung.

Eine hochran­gi­ge Bundes­wehr-Komman­deu­rin will nach Kritik an einem Eintrag auf einem Dating-Portal vor dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt für das Recht auf sexuel­le Selbst­be­stim­mung kämpfen. Die Gesell­schaft für Freiheits­rech­te (GFF), die sie dabei ebenso unter­stützt wie der Verein QueerBw, will nach Angaben vom Freitag mit der Verfas­sungs­be­schwer­de ein Grund­satz­ur­teil errei­chen, «das die sexuel­le Selbst­be­stim­mung als Ausprä­gung des allge­mei­nen Persön­lich­keits­rechts stärkt». Zuvor hatte das Fachma­ga­zin «Legal Tribu­ne Online» berich­tet. Bis wann das obers­te deutsche Gericht in Karls­ru­he darüber entschei­det, ist offen.

Hinter­grund ist eine Entschei­dung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts vom Mai, wonach Offizie­rin Anasta­sia Biefang ihren priva­ten Auftritt bei Tinder zurück­hal­tend gestal­ten muss (Az.: BVerwG 2 WRB 2.21). Dort hatte sie 2019 geschrie­ben: «Spontan, lustvoll, trans*, offene Bezie­hung auf der Suche nach Sex. All genders welco­me.» Das ging der Bundes­wehr zu weit, Biefang bekam einen Verweis. Sie war damals Komman­deu­rin des Infor­ma­ti­ons­tech­nik­ba­tail­lons 381 in Storkow, die erste trans­se­xu­el­le Komman­deu­rin der Bundeswehr.

Biefang wehrte sich gegen die Diszi­pli­nar­maß­nah­me. Doch sowohl das Truppen­dienst­ge­richt als auch die Verwal­tungs­rich­ter in Leipzig bestä­tig­ten den Verweis. Biefang dürfe ihre Worte nicht so wählen, dass ihr Ansehen als Solda­tin beschä­digt werde. Die Formu­lie­run­gen dürften keinen Zweifel an der charak­ter­li­chen Integri­tät wecken.

«Kann den Beschluss nicht stehen lassen»

«Es ist absurd und unzuläs­sig anzuneh­men, mein Privat­le­ben beschnei­de meine Führungs­qua­li­tä­ten», sagte die 48-Jähri­ge laut Mittei­lung. «Den Beschluss des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts kann ich nicht stehen lassen — daher gehe ich nach Karls­ru­he.» Sven Bäring von QueerBw sprach von einer Zumutung für Biefang, «die seit 28 Jahren verant­wor­tungs­voll und integer ihren Dienst bei der Bundes­wehr macht.»

GFF-Juris­tin Lea Beckmann kriti­sier­te, das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt lasse die Sexual­mo­ral der 1950er Jahre aufle­ben und verstär­ke im Ergeb­nis Vorur­tei­le gegen Frauen und queere Menschen. Der Verein sieht einen klaren Verstoß gegen die Grund­rech­te. Das Recht auf sexuel­le Selbst­be­stim­mung als Teil des allge­mei­nen Persön­lich­keits­rechts dürfe nur einge­schränkt werden, wenn Menschen zu Schaden kommen könnten, teilte die GFF mit. «Von einer Gefähr­dung von Menschen durch Biefangs Online-Dating kann keine Rede sein.»