PALMA DE MALLORCA (dpa) — «Dicht in ’nem Flieger — alles egal, denn mein Kopf macht nur La»: eine Textstel­le aus einem derzeit erfolg­rei­chen Saufsong des Sängers Julian Sommer. Wird 2022 der Sommer der Ballermannhits?

Im Video hopst Mittzwan­zi­ger Julian Sommer gutge­launt vor dem Strand­lo­kal «Balnea­rio 06» an der Playa de Palma.

Die Verball­hor­nung des Wortes «Balnea­rio» als «Baller­mann» gab bekannt­lich dem Mallor­ca-Party­vier­tel zwischen dem Großlo­kal «Bierkö­nig» und der Disco «Mega-Park» seinen Namen. Im Lied «Dicht im Flieger», das eine Chance hat, Deutsch­lands Sommer­hit 2022 zu werden, singt Julian Sommer stolz Saufpa­ro­len wie «Sangria, Wodka, Wein, wir knall’n uns alles rein». Man wolle ja nur eins: besof­fen sein.

Sommer tritt im «Bierkö­nig» auf

Autohaus-Verkaufs­ma­na­ger und Schla­ger­sän­ger Sommer stammt aus dem Dorf Hausten in Rhein­land-Pfalz. Derzeit pendelt er zwischen Vorder­ei­fel und Mallor­ca, wo er ein WG-Zimmer hat, um sonntags abends im «Bierkö­nig» aufzutreten.

«Mit vier Promil­le durch die Straßen zieh’n — Und Tag für Tag immer nur die gleichen Lieder sing’n», heißt es in dem Song, der Anfang Juli bis auf Platz sieben der Offizi­el­len Deutschen Charts kletter­te. Im April war er auf Rang 91 einge­stie­gen, Ende Mai stand er auf Platz 40. Seit Mitte Juni ist er in den Top Ten — Tendenz steigend. Weite­re Textzei­len gefäl­lig? «Endlich wieder da und schon ein’n im Tee. Und am nächs­ten Morgen tut die Birne weh.»

So klingt also der Sommer 2022, in dem viele, wenn auch über oftmals chaotisch organi­sier­te Flughä­fen, wieder in die Sonne fliegen und sich — wie vor Corona — einen Urlaub am Strand gönnen wollen.

Über seinen Erfolg zeigt sich Julian Sommer natür­lich erfreut, aber auch verblüfft. «Das ist halt, glaube ich, weil jetzt zwei Jahre party­mä­ßig nicht viel los war», sagt der 24-Jähri­ge der Deutschen Presse-Agentur. Wegen Corona habe es nur wenige Party-Lieder gegeben. «Deswe­gen hat man jetzt so’n bisschen Nachholbedarf.»

Was macht einen Sommer­hit aus?

Als erstes began­nen die großen Ferien im bevöl­ke­rungs­reichs­ten Bundes­land Nordrhein-Westfa­len, aus dem gefühlt beson­ders viele nach Mallor­ca reisen. Zumin­dest an der Platja de Palma sieht man gern mal grölen­de Männer­grup­pen aus NRW, die Händlern gefälsch­te Marken­wa­re von der Sonnen­bril­le bis zur Armband­uhr abkau­fen — einen Umstand, den auch Sommers Sommer­lied aufgreift: «Rey Beri ist am Start, Rolex ist am Arm — Und ein Gruß geht raus in den Senegal.»

Auch Sänger und Songwri­ter Nico Santos erkennt die diesjäh­ri­ge Tendenz zum deutschen Party­lied. «Momen­tan merke ich, dass die Leute viel am Baller­mann unter­wegs sind, was sich auch an Charts-Hits wie “Layla” bemerk­bar macht», sagte Santos kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. «Layla» von DJ Robin und Schür­ze steht seit zwei Wochen auf Platz eins der Charts.

«Sommer­songs ändern sich gefühlt immer wieder und sind von Land zu Land unter­schied­lich», sagt der auf Mallor­ca aufge­wach­se­ne Santos. «Viele denken dabei an spani­schen Reggae-Ton wie “Despa­ci­to”, auch DJ-Produk­tio­nen haben immer wieder große Erfolge.»

Der große Sommer­hit «Despa­ci­to» von Luis Fonsi feat. Daddy Yankee ist inzwi­schen fünf Jahre her. Das Jahr danach wurde in Deutsch­land ein Remix des Ohrwurms «Bella Ciao» zum Sommer­hit gekürt, vor drei Jahren der Latin-Pop-Lovesong «Señori­ta» von Shawn Mendes und Camila Cabel­lo. 2020 war ein von US-Sänger Jason Derulo ausge­bau­ter Tik-Tok-Hit namens «Savage Love» das Sommer­lied schlecht­hin. Vor einem Jahr war es «Bad Habits» des briti­schen Super­stars Ed Sheeran.

Das Sheeran-Lied war ziemlich untypisch, denn norma­ler­wei­se gehört es zur Tradi­ti­on des offizi­el­len Sommer­hits, dass der Song von zuvor eher unbekann­ten Inter­pre­ten kommt. Man denke etwa an «Macare­na» von Los del Rio (1996), «Samba de Janei­ro» von Belli­ni (1997), «The Ketchup Song» von Las Ketchup (2002), «Drago­s­tea din tei» von O‑Zone (2004), «Wake Me Up» von Avicii (2013) oder «Ain’t Nobody (Loves Me Better)» von Felix Jaehn feat. Jasmi­ne Thomp­son (2015).

Bislang hat es noch nie ein typischer Baller­mann-Schla­ger zum offizi­el­len Sommer­hit der Charts­er­mitt­ler von GfK Enter­tain­ment geschafft. Auch deutsch­spra­chi­ge Lieder waren bislang selten — ledig­lich 2007 gab es «Hamma!» von Culcha Cande­la und 2003 «Ab in den Süden» von Buddy vs. DJ The Wave.

2022 könnte nun aber das Jahr des Baller­mann­hit-Durch­bruchs werden. Erstmal müssen aber alle Bundes­län­der in die Ferien gehen und die Urlaubs­zie­le erobert werden. Vielleicht wird dann noch von irgend­wo­her ein anderer Tanzhit-Trend nach Deutsch­land mitge­bracht. Kandi­da­ten wären etwa Remixe wie «Belly Dancer» von Imanbek & BYOR oder «Ferra­ri» von James Hype & Miggy Dela Rosa.

Von Gregor Tholl und Thomas Bremser, dpa