Noch steht nicht fest, wer die US-Wahlen gewin­nen wird — auch wenn sich Donald Trump bereits zum Sieger erklärt. Die Reakti­on des US-Präsi­den­ten schürt jedoch Befürch­tun­gen in Deutsch­land. SPD-Politi­ker Stegner bezeich­net Trump als «Schar­la­tan»

Die «Schlacht um die Legiti­mi­tät des Ergeb­nis­ses» habe jetzt begon­nen, sagte sie am Mittwoch im ZDF-«Morgenmagazin». «Das ist eine sehr explo­si­ve Situa­ti­on.» Exper­tin­nen und Exper­ten warnten zu Recht vor einer Verfas­sungs­kri­se in den USA. «Und das ist etwas, das uns insge­samt sicher­lich sehr beunru­hi­gen muss.»

Zuvor hatte sich Trump zum Sieger erklärt und angekün­digt, eine weite­re Auszäh­lung von Stimmen vom Obers­ten US-Gericht stoppen lassen zu wollen.

Vizekanz­ler Olaf Scholz mahnte eine Auszäh­lung aller Stimmen bei der Präsi­dent­schafts­wahl in den USA an. Die Wahlen müssten «komplett statt­fin­den», so dass das Votum jeden Bürgers und jeder Bürge­rin Einfluss auf das Ergeb­nis haben könne, sagte der SPD-Politiker.

Scholz sagte, die Entwick­lung in den USA sei Anlass darauf zu bestehen, dass Europa eine eigene Kraft entfal­te. «Es geht also um europäi­sche Souve­rä­ni­tät, wenn wir über die Politik der Zukunft disku­tie­ren.» Eine regel­ba­sier­te Weltord­nung biete die Grund­la­ge für eine gute Entwick­lung jeder Nation. «Deshalb geht es gerade jetzt, auch bei dieser Gelegen­heit darum, dass wir Europa stark machen», sagte der Bundesfinanzminister.

Die Ankün­di­gung von US-Präsi­dent Trump, die Auszäh­lung der Stimmen bei der US-Wahl stoppen zu wollen, verur­teil­te der SPD-Politi­ker Ralf Stegner hart. Wer pünkt­lich einge­gan­ge­ne Brief­wahl­stim­men unter­drü­cken wolle, um seine Führung in einigen Staaten bei vollstän­di­ger Auszäh­lung nicht zu verlie­ren, sei ein Schar­la­tan, schrieb Stegner am Mittwoch auf Twitter.

Der Juso-Vorsit­zen­de Kevin Kühnert bezeich­ne­te auf Twitter Trumps Ankün­di­gung als einen «Angriff auf die demokra­ti­sche Wahl». Dies gehöre in den Mittel­punkt der Debat­te — und nicht die Tatsa­che, dass sich Trump bereits zum Sieger erklär­te. Trump hatte am Mittwoch während der laufen­den Auszäh­lung seinen Sieg verkün­det und angekün­digt, vor das Obers­te US-Gericht zu ziehen, um eine weite­re Auszäh­lung der Stimmen zu stoppen. US-Medien prognos­ti­zier­ten noch keinen Gewin­ner. Recht­lich hat Trumps Sieges­er­klä­rung keine Auswirkungen.

Bundes­au­ßen­mi­nis­ter Heiko Maas (SPD) hofft unter­des­sen darauf, dass sich nach der US-Präsi­dent­schafts­wahl die Bezie­hung zwischen Europä­ern und Ameri­ka­nern wieder verbes­sert. Das trans­at­lan­ti­sche Verhält­nis müsse — gleich wer gewinnt — «in Ordnung gebracht» werden, sagte Maas in der ARD. «Wir brauchen einander.»

Als Konse­quenz aus der Außen­po­li­tik von US-Präsi­dent Donald Trump in den vergan­ge­nen vier Jahren plädiert SPD-Frakti­ons­chef Rolf Mützenich dagegen für eine stärke­re Abkop­pe­lung Europas von den Verei­nig­ten Staaten.

«Es gibt ernst­zu­neh­men­de Stimmen auch in Europa, dass wir uns stärker abkop­peln müssen, auch von dem, was in den USA passiert. Und zu diesen Stimmen gehöre ich auch», sagte Mützenich in der ARD. Die Sorge, dass die USA aus der Nato austre­ten könnten, werde bei einem Wahlsieg Trumps bestehen bleiben. «Man muss es ernst nehmen.»

Die Partner­schaft habe unter US-Präsi­dent Donald Trump «nicht mehr funktio­niert», sagte Maas. Es seien immer neue Krisen und Konflik­te hinzu­ge­kom­men, aber keine mehr gelöst worden. «Das ist keine gute Entwick­lung für uns alle und auch nicht für die Verei­nig­ten Staaten», sagte der SPD-Politiker.

Maas legte trotz dieser Einschät­zung kein Bekennt­nis für Trumps demokra­ti­schen Heraus­for­de­rer Joe Biden ab. Es wäre eine «Illusi­on» zu glauben, dass unter einem US-Präsi­den­ten Biden wieder alles so werde, wie die Europä­er sich das wünsch­ten. Auch unter Biden müsse sich Europa darauf einstel­len, dass es sich stärker um seine eigenen Sicher­heits­in­ter­es­sen kümmern müsse. Der Minis­ter geht davon aus, dass sich auch Biden außen­po­li­tisch stärker auf den pazifi­schen Raum, also vor allem auf China, konzen­trie­ren werde. Wenn sich die USA also etwa aus Afrika heraus­zö­gen, müsse Europa hier mehr Verant­wor­tung übernehmen.

Der Vorsit­zen­de der Atlan­tik-Brücke Sigmar Gabri­el warnte vor einem außen­po­li­ti­schen Vakuum nach einem unkla­ren Wahlaus­gang in den USA. Sollte die USA auf Monate mit sich selbst beschäf­tigt und ohne klare Führung sein, wäre das ein «Riesen­pro­blem», sagte der frühe­re SPD-Chef am Mittwoch im ZDF-«Morgenmagazin». «Das wird die freuen, die das Vakuum füllen wollen. Das sind China, Russland, die Türkei.»

Europa sei leider zu schwach, um das zu tun, sagte Gabri­el. Für die Welt sei es sehr schwie­rig, wenn eine so große Nation wie die USA praktisch ausfal­le. Er verwies auf Heraus­for­de­run­gen wie die Corona-Pande­mie oder die Verbrei­tung von Nukle­ar­waf­fen zu verhindern.

Grünen-Chefin Annale­na Baerbock mahnte mit Blick auf den Ausgang der US-Wahl unter­des­sen zur Geduld. «Natür­lich hat man in den nächs­ten Stunden weiter ein mulmi­ges Gefühl», sagte Baerbock im ZDF-«Morgenmagazin». Demokra­tie brauche jedoch in diesen schwie­ri­gen und unsiche­ren Stunden Geduld. Es komme nun darauf an, dass die US-ameri­ka­ni­schen Insti­tu­tio­nen ihre Arbeit machen und sicher­stel­len, «dass auch die letzte Brief­wahl­stim­me ausge­zählt wird.»

Die vergan­ge­nen vier Jahre unter Präsi­dent Trump seien für die USA «hart» gewesen, sagte Baerbock. Sie beton­te: «Das ist eine demokra­ti­sche Wahl, die Ameri­ka­ne­rin­nen und Ameri­ka­ner entscheiden.»

Wichtig sei, dass Europa künftig mit einer gemein­sa­men Stimme spreche, beton­te Baerbock. In Zukunft dürfe es keine deutsch-trans­at­lan­ti­schen oder franzö­sisch-trans­at­lan­ti­sche Bezie­hun­gen mehr geben, «sondern es müssen europä­isch-trans­at­lan­ti­sche Bezie­hun­gen sein.»

Linken-Chef Bernd Riexin­ger wertet die erste Reakti­on von US-Präsi­dent Trump auf die Zwischen­er­geb­nis­se der Wahl als Angriff auf die Demokra­tie. «Trump hat seine gesam­te Amtszeit über seine Verach­tung für die Demokra­tie zum Ausdruck gebracht. Seine Behaup­tung, dass die Demokra­ten die Wahl stehlen wollen, und sein vorzei­tig erklär­ter Sieg sind ein erneu­ter Angriff auf das demokra­ti­sche System», sagte Riexinger.

FDP-Chef Chris­ti­an Lindner zeigte sich entsetzt. «Es ist eine ganz kriti­sche, ich möchte sagen eine bestür­zen­de Situa­ti­on», sagte Lindner im ZDF-«Morgenmagazin». «All das, was man in den letzten Tagen gerüch­te­wei­se gehört hat, hat sich nun tragi­scher­wei­se bestä­tigt.» In der ameri­ka­ni­schen Demokra­tie kündi­ge sich damit eine «drama­ti­sche Konflikt­si­tua­ti­on» an. Das könne unabseh­ba­re Folgen für die USA, aber auch für die restli­che Welt haben. «Es entsteht natür­lich eine Situa­ti­on, in der gegebe­nen­falls die Verei­nig­ten Staaten auf der inter­na­tio­na­len Ebene überhaupt nicht handlungs­fä­hig sind. Die beschäf­ti­gen sich dann nur mit sich selbst.»

Indus­trie­prä­si­dent Dieter Kempf befürch­tet angesichts der Zitter­par­tie bei der US-Präsi­dent­schafts­wahl eine Eskala­ti­on der Lage. «Das Vertrau­en in die US-ameri­ka­ni­sche Demokra­tie ist auch für die Unter­neh­men enorm wichtig», erklär­te Kempf. «Deshalb hat es für uns obers­te Priori­tät, dass alle Stimmen ausge­zählt werden und der recht­mä­ßi­ge Sieger gekürt wird.»

Eine länge­re Phase der Unsicher­heit würde das Vertrau­en der Wirtschaft in die Zukunft beschä­di­gen. «Wir hoffen sehr, dass die Situa­ti­on in den Verei­nig­ten Staaten nun nicht eskaliert und alle einen kühlen Kopf bewah­ren.» Die USA sind einer der wichtigs­ten Handels­part­ner Deutschlands.