Das Land befin­det sich im Alarm­mo­dus. In immer mehr Regio­nen grassiert das Virus. Zwar verfü­gen die Klini­ken noch über viel Platz für Corona-Fälle — aber erste Kranken­häu­ser verhän­gen Besuchsverbote.

Gleich­zei­tig ruft die Landes­re­gie­rung die Bürger im Südwes­ten eindring­lich zur Vermei­dung von Kontak­ten auf. Die Bürger müssten diszi­pli­niert sein, sonst werde man auf einen Lockdown zurück­grei­fen müssen mit enormen Kolla­te­ral­schä­den, warnte Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) in Stuttgart.

Wer länger als fünf Tage im Klini­kum Stutt­gart bleiben muss, muss eine Person nennen, die zu Besuch kommen darf. Diese darf keine Sympto­me einer Infek­ti­on haben. Im Olgahos­pi­tal des Klini­kums Stutt­gart, Deutsch­lands größter Kinder­kli­nik, gelten etwas großzü­gi­ge­re Regelun­gen: Kinder dürfen ab dem ersten Tag Besuch von einer Person erhalten.

Der Besucher­stopp der SRH-Klini­ken gilt an allen drei Stand­or­ten in Sigma­rin­gen, Pfullen­dorf und Bad Saulgau. Ausge­nom­men seien etwa Angehö­ri­ge, die einen im Sterben liegen­den Patien­ten besuchen wollten. Auch dürfe eine Person eine Schwan­ge­re bei der Geburt begleiten.

Seit Diens­tag dürfen Patien­ten zudem an der Helios Rosmann Klinik in Breisach nur noch in Ausnah­me­si­tua­tio­nen von einem Angehö­ri­gen besucht werden. «Mir ist sehr bewusst, wie schwie­rig es ist, Menschen den Besuch bei kranken Angehö­ri­gen zu versa­gen. Wir ergrei­fen diese Maßnah­men, um unsere Patien­ten und Mitar­bei­ter vor einer Übertra­gung von Infek­ti­ons­krank­hei­ten so gut wie möglich zu schüt­zen», erklär­te Klinik­ge­schäfts­füh­re­rin Beatri­ce Palausch.

Eine landes­wei­te Vorga­be zu Besucher­stopps gibt es laut Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um nicht. Derzeit seien keine weiter­ge­hen­den landes­wei­ten Kontakt­be­schrän­kun­gen über die bereits bestehen­den hinaus für die Pflege­ein­rich­tun­gen angedacht, sagte ein Sprecher. Momen­tan seien grund­sätz­lich zwei Besucher pro Tag für jeden Pflege­be­dürf­ti­gen erlaubt. Für eine landes­wei­te Regelung sei die Lage im Land zu hetero­gen. «In der jetzi­gen Phase der Pande­mie­be­kämp­fung geht es darum, regio­nal durch die zustän­di­gen Vor-Ort-Behör­den auf das Pande­mie­ge­sche­hen zu reagie­ren», sagte der Ministeriumssprecher.

Wie die Landrä­tin des Landkrei­ses Sigma­rin­gen mitteil­te, gibt es im Kreis ein diffu­ses Infek­ti­ons­ge­sche­hen ohne Hotspots. «Mit einer Sieben-​Tage-Inzidenz von 22 und aktuell 40 Infizier­ten ist der Landkreis Sigma­rin­gen aktuell weniger stark betrof­fen als andere Kreise in der Region», beton­te Stefa­nie Bürkle. Doch schon in ein paar Tagen könne die Welt ganz anders ausse­hen. «Mit ein oder zwei großen Ausbruchs­ge­sche­hen sind wir rasch über der kriti­schen Inzidenzmarke.»

Die Landes­re­gie­rung rief die Bürger im Südwes­ten am Diens­tag erneut zur Vermei­dung von Kontak­ten auf. Man habe nicht mehr viele Dinge im Köcher bis zum Lockdown, warnte Kretsch­mann. Zur Eindäm­mung der Pande­mie gelten bereits im ganzen Land seit Montag stren­ge­re Regeln. Dazu gehören eine erwei­ter­te Masken­pflicht sowie verschärf­te Kontakt­be­schrän­kun­gen — und zwar unabhän­gig davon, ob die jewei­li­ge Stadt oder der Landkreis die Schwel­le von 50 Neuin­fek­tio­nen pro 100 000 Einwoh­ner inner­halb einer Woche überschrei­tet. Privat wie öffent­lich dürfen sich nur noch maximal zehn Menschen treffen — es sei denn, sie leben in höchs­tens zwei unter­schied­li­chen Haushalten.

«Wir gewin­nen das Spiel und verfla­chen die Kurve durch Gesamt­re­duk­ti­on unserer sozia­len Kontak­te, sagte Gesund­heits­mi­nis­ter Manne Lucha (Grüne). Man tue alles, um das Gesund­heits­we­sen zu stärken. Im Land gebe es bereits 1017 Corona-Schwer­punkt­pra­xen, 34 Abstrich­stel­len und 14 Fieber­am­bu­lan­zen. Derzeit würden 94 akute Covid-19-Fälle in den Kranken­häu­ser behan­delt, 50 Patien­ten würden inten­siv beatmet. Das Land verfü­ge über 981 freie Inten­siv­bet­ten und eine Notfall­re­ser­ve von rund 1670 Betten.

Die Bundes­wehr hilft unter­des­sen in immer mehr Regio­nen in Baden-Württem­berg im Kampf gegen die Pande­mie. Die Bundes­wehr habe bereits 14 Anträ­ge auf Amtshil­fe von Stadt- und Landkrei­sen aus dem Südwes­ten bewil­ligt, teilte Kretsch­mann mit. Aktuell seien 101 Kräfte in sieben Gesund­heits­äm­tern vor Ort im Einsatz. In weite­ren sieben Kreisen laufe die Planung für den Einsatz von 66 Kräften. Sieben weite­re Anträ­ge auf Amtshil­fe für weite­re 59 Kräfte seien noch nicht bewil­ligt. Die Solda­ten und Reser­vis­ten unter­stüt­zen die Ämter vor allem bei der telefo­ni­schen Kontaktnachverfolgung.

Kretsch­mann vertei­digt die Beschrän­kung der Teilneh­mer­zahl für Trauer­got­tes­diens­te und Bestat­tun­gen im Freien. «Eine Trauer­fei­er mit 100 Perso­nen ist jetzt nicht gerade an der Grenze der Pietät», sagte er. «Es muss ja niemand Angst haben, dass wir auf Fried­hö­fe gehen und sagen: Du darfst da nicht stehen.» Die Proble­me lägen bei musli­mi­schen und freikirch­li­chen Trauer­fei­ern, wo sich Hunder­te Perso­nen treffen würden. An Trauer­fei­ern und Bestat­tun­gen im Freien dürfen nur noch 100 Perso­nen teilnehmen.

Kunst­staats­se­kre­tä­rin Petra Olschow­ski (Grüne) hält zudem die bestehen­de Teilneh­mer­gren­ze von 500 Besuchern in Kultur­ein­rich­tun­gen für berech­tigt. Im Gegen­satz zu anderen Veran­stal­tun­gen spreche das Publi­kum etwa im Theater nicht. Aufgrund der gelten­den Abstands­re­geln gebe es aber ohnehin «kein Haus, das eine 500er-Beset­zung tatsäch­lich reali­sie­ren kann», sagte Olschow­ski. Oft sind Theater laut der Staats­se­kre­tä­rin zu einem Viertel oder einem Drittel besetzt. Durch die mittler­wei­le bestehen­de Masken­pflicht in vielen Theatern reagie­re man angemes­sen auf eine steigen­de Zahl an Corona-Infektionen.