STUTTGART (dpa) — Die Corona-Infek­ti­ons­zah­len steigen wieder, kommt es gar zur «Sommer­wel­le»? Der weite­re Weg im Umgang mit der Pande­mie ist heftig umstrit­ten. Der Landes­re­gie­rung gehen die Ampel­plä­ne nicht weit genug. Selbst die Südwest-SPD wünscht sich mehr Befugnisse.

Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) hat der Bundes­re­gie­rung im weite­ren Kampf gegen die Pande­mie grobe Fahrläs­sig­keit vorge­wor­fen. Der Grünen-Politi­ker kriti­sier­te die Pläne der Ampel­re­gie­rung zum Corona-Schutz für die nächs­ten Monate. Es geht um eine neue Rechts­grund­la­ge, mit der nach dem von Bund und Ländern angepeil­ten Ende der meisten einschnei­den­den Alltags­be­schrän­kun­gen zum 20. März weiter­hin Krisen­maß­nah­men regio­nal oder auf Landes­ebe­ne möglich sein sollen. Auch der Koali­ti­ons­part­ner CDU und die opposi­tio­nel­le SPD fordern mehr Befug­nis­se. Nur die FDP ist anderer Meinung.

Aus Kretsch­manns Sicht haben die Länder bald viel zu wenige Instru­men­te zur Hand. «Die Pande­mie­la­ge ist sehr volatil, die Zahlen steigen derzeit wieder», sagte Kretsch­mann am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. «Deshalb halte ich es für grob fahrläs­sig, wenn die Bundes­re­gie­rung ohne Not wirksa­me Instru­men­te für den Notfall aus der Hand gibt.»

Vor allem das Tragen von Masken bleibe als sehr effek­ti­ves Mittel zentral, sagte Kretsch­mann — es werde aber nach dem Entwurf massiv beschnit­ten. «Das ist kein wirksa­mer Basis­ka­ta­log, sondern ein Rumpf­ge­rüst. Dazu wird uns hier ein Hauruck-Verfah­ren aufge­zwun­gen, dass die Länder außen vor lässt.» Wenn das Infek­ti­ons­ge­sche­hen wieder an Dynamik gewin­ne, dann sehe das neue Infek­ti­ons­schutz­ge­setz ein «extrem kompli­zier­tes Hotspot­kon­zept» vor. Den Ländern bleibe kaum Spiel­raum für schnel­les, effek­ti­ves Eingrei­fen. Die Reakti­ons­schnel­lig­keit sei aber der entschei­den­de Faktor für die erfolg­rei­che Kontrol­le der Pandemie.

Nach einem am Mittwoch bekannt­ge­wor­de­nen Entwurf, auf den sich Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) und Justiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann (FDP) verstän­digt haben, sollen über den Frühlings­be­ginn hinaus weiter Masken- und Testpflich­ten als Basis­maß­nah­men greifen. In «Hotspots» mit kriti­sche­rer Lage sollen umfas­sen­de­re Maßnah­men möglich sein. Bund und Länder hatten beschlos­sen, dass zum 20. März alle tiefge­hen­de­ren Alltags­be­schrän­kun­gen wegfal­len sollen. Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) zeigte sich zuletzt besorgt und sagte, man müsse mit einer «Sommer­wel­le» rechnen.

Auch die CDU-Frakti­on kriti­siert die Pläne der Ampel scharf. «Was der Bund hier vorge­legt hat, ist der Lage in keins­ter Weise angemes­sen», sagte Frakti­ons­chef Manuel Hagel der dpa. «Die Zahlen steigen gerade wieder von einem hohen Niveau. Gleich­zei­tig erklärt die Ampel im Bund die Pande­mie mit diesem Entwurf de facto für beendet.» Dass nicht einmal mehr der «minimal­in­va­si­ve Basis­schutz», das Tragen von Masken, in ausrei­chen­dem Maße ermög­licht werden soll, sei vollkom­men unver­ständ­lich. Lauter­bach nehme den Ländern die Instru­men­te aus der Hand, um angemes­sen auf eine mögli­che nächs­te Welle reagie­ren zu können. Lauter­bach könne sich in der Ampel­ko­ali­ti­on nicht gegen die FDP durch­set­zen. «Die Infek­ti­ons­ra­ten sind noch immer mit großem Tempo unter­wegs, und die Ampel­re­gie­rung gibt bei voller Fahrt das Steuer aus der Hand.»

Selbst der SPD im Land gehen die Pläne der Bundes­re­gie­rung von SPD-Bundes­kanz­ler Olaf Scholz nicht weit genug, auch wenn die Kritik da geschmei­di­ger daher­kommt. «Aus meiner Sicht müssen die Länder im Bereich der Masken und der Testpflicht weiter­ge­hen­de Möglich­kei­ten bekom­men als im aktuel­len Entwurf angedacht», sagte Frakti­ons­chef Andre­as Stoch. Kretsch­manns Kritik sei aber zu unkon­kret. «Wir haben bei Kretsch­mann das Gefühl, dass er grund­sätz­lich eine Pauschal-Kritik an den Entschei­dun­gen der Ampel äußert, ohne konkret sagen zu können, was er eigent­lich selbst anders machen würde», sagte Stoch. «Immer nur vom Instru­men­ten­kas­ten zu sprechen, reicht nicht.»

Ganz anders klingen die Libera­len im Land, die neben SPD und Grünen im Bund gemein­sam regie­ren, in Baden-Württem­berg aber in der Opposi­ti­on sind. Es sei gut, dass der Bund Kretsch­manns «Corona-Aktio­nis­mus» Grenzen setze, sagte Frakti­ons­chef Hans-Ulrich Rülke. Es sei bekannt, dass Kretsch­mann für sein Leben gerne Lockdowns und Ausgangs­sper­ren verhän­ge. Abgese­hen von stets schlech­ten Infek­ti­ons­zah­len, dem Impfcha­os seines Sozial­mi­nis­ters Manne Lucha (Grüne) und erkenn­bar wirkungs­lo­sen Lockdowns und Ausgangs­sper­ren habe Kretsch­mann immer wieder vor Gerich­ten mit seiner Corona-Politik Schiff­bruch erlit­ten. «Einen solchen Regie­rungs­di­let­tan­ten muss Berlin einbrem­sen und ihm gerade nicht Werkzeu­ge an die Hand geben, um seine Irrläu­fe fortzu­set­zen», sagte Rülke.