Warmer Kräuter­tee vs. kaltes Wasser: Beim einzi­gen TV-Duell zwischen Kretsch­mann und Eisen­mann gehen sich die Kandi­da­ten zwar an, bleiben aber relativ freund­lich. Weil sie weiter mitein­an­der regie­ren müssen?

STUTTGART (dpa/lsw) — Es war an diesem Abend ein wenig wie im gesam­ten Wahlkampf: Kurz vor Schluss lag Winfried Kretsch­mann deutlich vorn. Der grüne Balken am Bildschirm des SWR zeigte eine Redezeit des Minis­ter­prä­si­den­ten von 26.45 Minuten, seine Kontra­hen­tin Susan­ne Eisen­mann (CDU) kam nur auf 24.27 Minuten. Ein Nachteil für die Heraus­for­de­rin bei diesem Wahlkampf-Rededu­ell — auch wenn es ein Stück weit daran liegen kann, dass Eisen­mann einfach deutlich schnel­ler redet. «Damit kann ich leben», gab sich die CDU-Frau gelas­sen. Aber sie steht unter Druck. Auch in den Wahlum­fra­gen liegt sie zwei Wochen vor der Wahl hinter dem grünen Regierungschef.

Kretsch­mann hatte in den Stutt­gar­ter Wagen­hal­len einen warmen Kräuter­tee vor sich, Eisen­mann ein Wasser, medium. Er spricht viel mit dem Modera­tor und nicht mit seiner Kontra­hen­tin, zieht nur einmal eine verwun­der­te Grimas­se, als Eisen­mann ihm vorhält, die Grünen würden der CDU Klien­tel­po­li­tik vorwer­fen. Die Kultus­mi­nis­te­rin dagegen nickt viel und lächelt viel.

Es wird gegen Ende auch mal ruppi­ger, als es um die Verkehrs­po­li­tik geht, die Landwir­te und ein vermeint­li­ches Verbot von Einfa­mi­li­en­häu­sern. Es fehle insbe­son­de­re beim Umgang mit der Automo­bil­in­dus­trie eine echte Leitli­nie, sagt Eisen­mann. «Eine Politik der ruhigen Hand ist gut, sie sollte dabei aber nicht einschla­fen», moniert sie. «Ich glaube, da muss mehr kommen als einzel­ne Projekte.»

Aber so richtig scharf geschos­sen wird nur selten an diesem Abend. Die beiden sind immer noch Koali­ti­ons­part­ner — und könnten das auch nach dem 14. März bleiben. Bei dem Duell geht es vor allem um die Pande­mie. Eisen­mann pocht auf Öffnun­gen, Kretsch­mann gibt den Bremser. Der Minis­ter­prä­si­dent dämpft die Hoffnung auf umfas­sen­de­re Locke­run­gen des Lockdowns kurz vor der nächs­ten Bund-Länder-Konfe­renz am Mittwoch — insbe­son­de­re bei den Schulen. Man dürfe nicht riskie­ren, mit zu schnel­len Öffnun­gen in eine dritte Welle reinzu­rau­schen. Man habe jetzt besse­re Masken, das Impfen gehe voran und es stünden mehr Schnell­tests zur Verfü­gung. Es dürfe aber nicht soweit geöff­net werden, «dass wir wieder die Kontrol­le über die Pande­mie verlieren».

Kretsch­mann zeigte sich am Montag­abend skeptisch, dass die weiter­füh­ren­den Schulen — wie von Eisen­mann vorge­schla­gen — schon am kommen­den Montag schritt­wei­se wieder öffnen können. «Das sehe ich eher nicht», sagte der Grünen-Politi­ker. Eisen­mann sagte dagegen, man müsse sich jetzt mal trauen, bei den Schulen nach der behut­sa­men Öffnung der Grund­schu­len einen weite­ren Schritt zu tun. Sie bemän­gel­te, dass zwar über die Öffnung von Baumärk­ten disku­tiert werde, man aber bei den Schulen noch warten wolle. «Da stimmt die Verhält­nis­mä­ßig­keit nicht.»

Zuvor hatte Kretsch­mann eine baldi­ge Öffnung der Baumärk­te im Südwes­ten in Aussicht gestellt. Die bayeri­schen Nachbarn hätten diese nun geöff­net. «Das kann man als nächs­ten Schritt machen, damit wir keinen Touris­mus bekom­men — das ist immer ungut in der Pandemie.»

Zur Teststra­te­gie sagte der Regie­rungs­chef, allein die Infra­struk­tur für massen­haf­te Tests könne man nicht von heute auf morgen auf die Beine stellen. Es sei nicht so einfach, eine Milli­on Schüler im Land zu testen. Eisen­mann verwies darauf, dass die CDU schon länger auf eine Auswei­tung der Teststra­te­gie gedrun­gen habe. Nun müsse der grüne Gesund­heits­mi­nis­ter Manne Lucha endlich das umset­zen, was beschlos­sen wurde. Der grüne Regie­rungs­chef wider­sprach: Das Testen müssten das Kultus­mi­nis­te­ri­um, die Schul­äm­ter und die Schüler organisieren.

Angriffs­lus­tig zeigte sich der frühe­re Lehrer Kretsch­mann beim Thema Schule, Eisen­manns Fachthe­ma. Es reiche nicht, den Schüle­rin­nen und Schülern Laptops oder Tablets hinzu­stel­len. Es sei in der Diskus­si­on viel zu lange nur um Technik gegan­gen. «Wir müssen uns jetzt dringend damit beschäf­ti­gen, was heißt das pädago­gisch?» Das Ziel müsse sein: «Wie errei­che ich Urteils­kraft?» An Eisen­manns Adres­se sagte er: «Das ist höchs­te Eisen­bahn, dass da mal was vorge­legt wird.» Eisen­mann erklär­te dagegen: «Wir arbei­ten da seit fünf Jahren dran.» Auch sie sagte, das Konzept «erset­ze Buch durch Laptop» sei keine Pädagogik.

Es geht in dem Duell auch um die schlep­pen­de Impfkam­pa­gne des Landes. Die könne in Struk­tur und Organi­sa­ti­on noch deutlich besser werden, sagte Eisen­mann. Das laufe jetzt richtig an, die Nachfra­ge nach dem Stoff des Herstel­lers Astra­ze­ne­ca sei gestie­gen, entgeg­net Kretsch­mann. Damit würde er sich auch selbst impfen lassen. Es handle sich um einen hochwirk­sa­men Impfstoff, der zu Unrecht ins Gerede gekom­men sei. Er wolle sich auch öffent­lich impfen lassen, aller­dings erst, wenn er dran sei.

Eisen­mann nutzt das für einen Hieb auf Kretsch­manns Alter. Mit Astra­ze­ne­ca würden derzeit in Deutsch­land nur Menschen zwischen 18 und 64 Jahren geimpft — es fehlen Daten zur Wirkung bei Älteren. Dann müsse Kretsch­mann einen anderen Impfstoff wählen, sagte sie mit Blick auf das Alter des 72-Jähri­gen. Und die 56-Jähri­ge erlaub­te sich eine weite­re Spitze: Sie werde alters­be­dingt beim Minis­ter­prä­si­den­ten erst zugucken, bevor sie selbst geimpft werde.

Zum Schluss griff sie dieses Thema noch mal auf, als es um einen mögli­chen Nachfol­ger für Kretsch­mann ging. Vor einer Woche hatte sich der Regie­rungs­chef in einem Inter­view zwar nicht festle­gen wollen, wer ihm mal nachfol­gen könnte, aber doch einen Hinweis gegeben: «Das zweit­wich­tigs­te Amt hinter dem Minis­ter­prä­si­den­ten ist das des Frakti­ons­vor­sit­zen­den einer Regie­rungs­par­tei.» Und das sei Andre­as Schwarz. Im TV-Duell erklär­te Kretsch­mann nun, das sei kein Hinweis darauf gewesen, dass Schwarz sein Nachfol­ger werde. «Das haben alle missver­stan­den.» Eisen­mann sagte darauf­hin: «Ich hab’s auch falsch verstan­den.» Sie sei sehr überrascht gewesen, dass man jetzt schon über Nachfol­ge spreche, wo doch fünf heraus­for­dern­de Regie­rungs­jah­re nach der Wahl anstünden.

Die Politik­wis­sen­schaft­le­rin Andrea Römme­le zeigte sich enttäuscht von dem Zweikampf. «Es war ein Duell der verta­nen Chancen», sagte Römme­le im SWR-Fernse­hen. Es sei viel zu viel um die aktuel­le Corona-Politik gegan­gen. Eisen­mann sei erst spät angriffs­lus­ti­ger gewor­den. «Das ist hinten raus etwas verpufft. Da hat sie nicht mal einen Punkt­sieg nach Hause gefah­ren.» Kretsch­mann habe seine Rolle als Landes­va­ter souve­rän gespielt, meinte die Profes­so­rin an der Hertie School of Gover­nan­ce in Berlin.

Notiz am Rande: Bei der Zeitmes­sung der Redean­tei­le gab es eine Panne. Nach einer halben Stunde blende­te der Sender die Redean­tei­le ein: 08.44 Minuten für Kretsch­mann, 12:31 Minuten für Eisen­mann. Schon da stell­te SWR-Chefre­dak­teur Fritz Frey die Frage, ob das wohl stimmen könne. Etwa 15 Minuten später korri­gier­te der SWR, Kretsch­mann liege bei etwa 15 Minuten und Eisen­mann bei knapp neun Minuten. Um das aufzu­ho­len, verlän­ger­te der SWR die Sendung dann noch mal um zehn Minuten.