STUTTGART (dpa/lsw) — Der Sommer ist da, die Menschen strömen in die Restau­rants, die Geschäf­te, zum Fußball schau­en. Keine Lust mehr auf Lockdown. Aber die Lage kann sich schnell wieder ändern.

Vor dem Hinter­grund der Ausbrei­tung gefähr­li­cher Virus-Varian­ten hat Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) vor neuen Einschrän­kun­gen im Kampf gegen Corona gewarnt. Nur wenn die sogenann­te Sieben-Tage-Inzidenz stabil bleibe oder sinke, könne man an den Locke­run­gen festhal­ten, sagte er am Diens­tag in Stutt­gart. Sollte die Inzidenz in Baden-Württem­berg wieder steigen, werde die Landes­re­gie­rung nicht warten. Beson­ders die anste­cken­de­re Delta-Varian­te des Corona­vi­rus müsse beobach­tet werden. Am Donners­tag bekom­me man die valides­ten Corona-Zahlen. Dann müsse man sehen, ob ein neuer Trend des Anstiegs erkenn­bar sei. «Was wir machen nächs­te Woche hängt davon ab, wie sich das jetzt entwickelt.»

MASKENPFLICHT AN SCHULEN - Der Regie­rungs­chef nannte etwa die Masken­pflicht an Schulen als eine wichti­ge Stell­schrau­be, die man im Kampf gegen die Pande­mie sofort wieder anzie­hen will, sobald die Infek­ti­ons­zah­len steigen. «Wenn der Abschwung gebro­chen ist, müssen wir wahrschein­lich spezi­ell bei der Masken­pflicht in Schulen das wieder ändern.»

Dabei können die Schüler gerade erst seit Montag größten­teils auf eine Maske verzich­ten. Es gilt: Wenn die Inzidenz in einer Region unter 35 liegt — was momen­tan überall im Land der Fall ist — und es zwei Wochen an der Schule keinen Corona-Fall gab, besteht keine Masken­pflicht in Klassen­räu­men. Außer­halb der Unter­richts­räu­me, also zum Beispiel auf Fluren, müssen Schüler und Lehrer aber weiter­hin Masken tragen. Die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schut­zes im Freien und auf Schul­hö­fen entfällt bereits, wenn die Inzidenz unter 50 liegt.

Die Bildungs­ge­werk­schaft GEW und der Philo­lo­gen­ver­band hält die Aufhe­bung der Masken­pflicht in der Klasse für vorei­lig. «Ja, Masken­tra­gen ist unange­nehm, bei länge­rer Dauer und hohen Tempe­ra­tu­ren sogar extrem unange­nehm», beton­te der Landes­vor­sit­zen­de des Philo­lo­gen­ver­bands, Ralf Scholl. «Aber wenn der Politik sämtli­che anderen Schutz­maß­nah­men an den Schulen, vor allem die Raumluft­fil­ter, zu teuer sind, ist das Masken­tra­gen die einzig verblei­ben­de, nachweis­lich wirksa­me Schutzmaßnahme.»

CORONA-LAGE - Auch wenn andere Bundes­län­der schon weiter sind — die Inzidenz sinkt auch in Baden-Württem­berg seit Wochen stetig. Der Wert bewegt sich derzeit auf den einstel­li­gen Bereich zu, auch wenn sich der Rückgang zuletzt verlang­samt hat. Am vergan­ge­nen Donners­tag lag die Inzidenz noch bei 15,6, am Freitag bei 14, am Samstag bei 12,7, am Sonntag bei 12,6, am Montag bei 12. Alle 44 baden-württem­ber­gi­schen Stadt- und Landkrei­se liegen unter der politisch relevan­ten Inzidenz-Marke von 35. Bisher gilt, dass sich in Kreisen mit einer Inzidenz unter 50 bis zu zehn Menschen aus drei Haushal­ten treffen dürfen. Aber neue Locke­run­gen stehen nun an.

VIER-STUFEN-MODELL - Vor allem in Regio­nen mit einer Inzidenz unter 10 will Baden-Württem­berg die Regeln für Veran­stal­tun­gen, Gastro­no­mie, Kultur, Sport und Handel deutlich lockern. Ein Entwurf von Gesund­heits­mi­nis­ter Manne Lucha (Grüne) für eine neue Corona-Verord­nung wird in der Regie­rung abgestimmt. Die Verord­nung soll gestrafft und verein­facht werden, sagte Lucha. Die Menschen sollen die Verord­nung nicht nur verste­hen, sondern auch akzep­tie­ren. Was künftig genau alles erlaubt sein soll, ist noch nicht bekannt. Klar ist: Es wird vier Stufen für Öffnun­gen geben. Stufe vier gilt bei einer Inzidenz von 100 bis 50, Stufe drei von 50 bis 35, Stufe zwei von 35 bis 10 und Stufe eins für alle Kreise unter 10. Die Mehrheit der Kreise liegt derzeit noch über der 10er-Marke. Die neuen Regeln sollen am Freitag verkün­det werden und am 28. in Kraft treten.

DIE DELTA-VARIANTE - Sorgen macht der Politik derzeit vor allem die anste­cken­de­re Delta-Varian­te des Corona­vi­rus. Der Präsi­dent des Robert Koch-Insti­tuts Lothar Wieler hatte vor kurzem gewarnt, dass sich das Virus durch die zunächst in Indien entdeck­te anste­cken­de­re Varian­te wieder stärker verbrei­ten könnte. Der Anteil der Delta-Fälle an allen gemel­de­ten Fällen im Südwes­ten liegt derzeit bei 3,76 Prozent (Stand: Sonntag, 16.00 Uhr). Dazu kommt noch ein Anteil mögli­cher Delta-Fälle von 1,39 Prozent, bei denen die Feinty­pi­sie­rung noch nicht vorliegt. In 18 Stadt- und Landkrei­sen gebe es Rückmel­dun­gen über Infek­tio­nen, sagte Gesund­heits­mi­nis­ter Lucha.

Aller­dings wächst der Anteil der Delta-Varian­te mit enormer Geschwin­dig­keit. Der Delta-Anteil an den gefähr­li­chen Varian­ten wie etwa der Varian­te aus Südafri­ka oder Großbri­tan­ni­en lag am Montag im Land bei 6,73 Prozent — eine Verän­de­rung zur Vorwo­che von 146 Prozent.