Restau­rants zu, Theater zu und Fitness­stu­di­os auch. Mit einem zeitlich beschränk­ten weitge­hen­den Lockdown wollen Bund und Länder die anschwel­len­de Corona-Infek­ti­ons­wel­le brechen. Die Zeit drängt, sagt Kretsch­mann. Und wirbt eindring­lich um Verständnis.

Kretsch­mann mahnte in eindring­li­chen Worten, die zeitlich befris­te­ten Einschrän­kun­gen so bald wie möglich umzuset­zen. «Glauben Sie mir, es kommt auf jeden Tag an», sagte er. «Es geht jetzt um Schnel­lig­keit, es geht um Entschlos­sen­heit und Konsequenz.»

Gemein­sam mit Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) und den Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder hatte sich der Grünen-Politi­ker zuvor angesichts der bundes­weit anschwel­len­den Corona-Infek­ti­ons­wel­le auf massi­ve Einschrän­kun­gen des öffent­li­chen Lebens geeinigt. Die Maßnah­men sollen ab kommen­den Montag bis Ende Novem­ber auch in Baden-Württem­berg gelten. «Das geht leider nicht ohne Härten», räumte Kretsch­mann ein. «Und viele werden das auch als ungerecht empfin­den, aber in einer solch schwe­ren Situa­ti­on muss das Gesamt­in­ter­es­se ganz vorne dran stehen.»

Nach Angaben Kretsch­manns sollen Restau­rants und Kneipen auch im Südwes­ten wieder schlie­ßen, genau­so wie Kosme­tik­stu­di­os, Massa­ge­pra­xen, Tattoo- und Fitness­stu­di­os oder Kinos. In der Öffent­lich­keit sollen sich nur noch maximal zehn Menschen aus dem eigenen und einem zweiten Hausstand gemein­sam aufhal­ten dürfen. Veran­stal­tun­gen werden gestri­chen und Zuschau­er in der Bundes­li­ga wieder verbo­ten. Offen bleiben sollen Schulen, Kinder­gär­ten, der Groß- und Einzel­han­del und Friseur­lä­den. Nach Ablauf von zwei Wochen wollen Kanzle­rin und Länder­chefs die erreich­ten Ziele beurtei­len und notwen­di­ge Anpas­sun­gen vornehmen.

Die jüngs­ten Beschlüs­se gehen einher mit Infek­ti­ons­zah­len auf Rekord­ni­veau. Die Zahl der nachge­wie­se­nen Corona­vi­rus-Infek­tio­nen ist in Baden-Württem­berg im Vergleich zum Diens­tag um 2402 Fälle gestie­gen. Insge­samt haben sich damit mindes­tens 75 137 Menschen nachweis­lich mit dem Erreger Sars-CoV‑2 angesteckt, wie das Landes­ge­sund­heits­amt (Stand: 16.00 Uhr) mitteil­te. Als genesen gelten 53 436 Menschen — das sind 630 mehr als am Vortag. Aber landes­weit liegt der Wert für Neuin­fek­tio­nen pro 100 000 Einwoh­ner in sieben Tagen bereits bei 95,9 — das ist fast doppelt so hoch wie die Schwel­le von 50 für die höchs­te Warnstu­fe im Land.

Die steigen­de Zahl der Corona-Infek­tio­nen bringt auch die Gesund­heits­äm­ter im Südwes­ten an die Überlas­tungs­gren­ze. «In einzel­nen Fällen kann die Nachver­fol­gung von Kontakt­per­so­nen zeitwei­se nicht mehr in vollem Umfang sicher­ge­stellt werden», sagte ein Sprecher des Sozial­mi­nis­te­ri­ums in Stutt­gart. Zwölf Ämter haben demnach eine Überlas­tungs­an­zei­ge gestellt. Insge­samt gibt es in Baden-Württem­berg 38 Gesundheitsämter.

In einer Sonder­sit­zung will das Landtags­prä­si­di­um am Donners­tag über die Beschlüs­se beraten. SPD und FDP geht das nicht weit genug, sie fordern eine Sonder­sit­zung des Landtags am kommen­den Freitag. «Solch weitrei­chen­de Entschei­dun­gen gehören in die Parla­men­te, vor allem, wenn so stark in Grund­rech­te einge­grif­fen wird», sagte SPD-Frakti­ons­chef Andre­as Stoch. FDP-Frakti­ons­chef Hans-Ulrich Rülke forder­te zudem eine Abstim­mung des Stutt­gar­ter Landtags über die Maßnahmen

Mit den jüngs­ten Maßnah­men von Bund und Ländern ging er hart ins Gericht. Die Einschrän­kun­gen zeigten, dass die Regie­rungs­chefs aus dem bishe­ri­gen Verlauf der Krise nichts gelernt hätten. Die Maßnah­men verwei­ger­ten die Erkennt­nis­se, wo und bei welchen Anläs­sen große Infek­tio­nen zu verzeich­nen seien. «Die Einschrän­kun­gen treffen die Falschen», sagte Rülke. Unter anderem im Hotel- und Gaststät­ten­ge­wer­be seien Hygiene‑, Abstands- und Nachver­fol­gungs­re­geln einge­führt worden. «Hier wird immer eine Branche zum Sünden­bock gemacht, weil dies so bequem ist.» Gleiches gelte für Konzert- und Veranstaltungsbesuche.

Der Hotel- und Gaststät­ten­ver­band (Dehoga) im Südwes­ten rechnet mit «drama­ti­schen» Auswir­kun­gen auf die Branche. «Tausen­de von Betrie­ben im Land sind dadurch in ihrer Existenz bedroht», erklär­te der Verband. Die Schlie­ßung von Betrie­ben des Gastge­wer­bes sei unver­hält­nis­mä­ßig und lasse sich mit dem Infek­ti­ons­ge­sche­hen nicht begründen.

Touris­mus­mi­nis­ter Guido Wolf (CDU) forder­te eine schnel­le Umset­zung der geplan­ten finan­zi­el­len Hilfen für betrof­fe­ne Betrie­be. «Ohne die angekün­dig­te Ausfall­prä­mie von bis zu 75 Prozent der Novem­ber-Umsät­ze 2019 droht tausen­den Betrie­ben unver­schul­det das Ende», sagte Wolf. Die Hilfen müssten schnell und unbüro­kra­tisch fließen.

Auch viele Händler im Südwes­ten fürch­ten drasti­sche Umsatz­ein­bu­ßen in den kommen­den Wochen vor Weihnach­ten. «Jegli­che Einschrän­kun­gen, auch Flächen­be­gren­zun­gen in diesem für die Händler extrem wichti­gen Vorweih­nachts­ge­schäft, wird für Tausen­de Betrie­be — auch für gesun­de mittel­stän­di­sche — das Aus bedeu­ten», sagte der Präsi­dent des Handels­ver­bands Baden-Württem­berg (HBW), Hermann Hutter. Das kommen­de Weihnachts­ge­schäft sei für die meisten Händler tradi­tio­nell das umsatz­stärks­te im Jahr.