KIEW (dpa) — Im nordukrai­ni­schen Tscher­ni­hiw sollen zehn Zivilis­ten von russi­schen Truppen erschos­sen worden sein. Ein Gespräch zwischen Putin und Selen­skyj könnte näher­rü­cken. Entwick­lun­gen im Überblick.

Knapp drei Wochen nach Beginn der russi­schen Invasi­on in der Ukrai­ne setzt Moskau seine Angrif­fe mit unver­min­der­ter Härte fort. Die Ukrai­ne bittet um weite­re Unter­stüt­zung — auch in Form von Waffen. Entwick­lun­gen im Überblick.

Medien: Dokumen­te für Gesprä­che von Putin und Selenskyj

Die Verhand­lun­gen zwischen der Ukrai­ne und Russland über ein Kriegs­en­de werden offen­sicht­lich konkre­ter. Es würden Dokumen­te ausge­ar­bei­tet für mögli­che direk­te Gesprä­che zwischen Staats­chef Wolodym­yr Selen­skyj und dem russi­schen Präsi­den­ten Wladi­mir Putin, zitier­te die russi­sche Staats­agen­tur Ria Nowos­ti den ukrai­ni­schen Präsi­den­ten­be­ra­ter Mycha­j­lo Podol­jak aus einem Inter­view mit dem US-Sender PBS.

«Der einzi­ge Weg, diesen Krieg zu beenden, sind direk­te Gesprä­che der beiden Präsi­den­ten», sagte Podol­jak demnach. Derzeit würden diese Dokumen­te ausge­ar­bei­tet, welche die Staats­chefs dann verein­ba­ren und unter­zeich­nen können. «Das könnte schon bald passieren.»

Selen­skyj hatte wieder­holt ein Treffen mit Putin angebo­ten, Moskau reagier­te darauf aber stets äußerst zurückhaltend.

Nach Infor­ma­tio­nen der Zeitung «Finan­cial Times» arbei­ten beide Seiten an einem 15-Punkte-Plan. An erster Stelle stünden die von Russland gefor­der­te Neutra­li­tät und Entmi­li­ta­ri­sie­rung der Ukrai­ne sowie der von Kiew verlang­te Abzug russi­scher Truppen. Terri­to­ria­le Streit­fra­gen sollten demnach erst später disku­tiert werden.

Bericht: Zivilis­ten in Tscher­ni­hiw von Russen erschossen

Mindes­tens zehn Zivilis­ten sollen einem ukrai­ni­schen Medien­be­richt zufol­ge im nordukrai­ni­schen Tscher­ni­hiw von russi­schen Truppen erschos­sen worden sein. Die Menschen hätten für Brot angestan­den, schrieb der öffent­lich-recht­li­che Sender Suspil­ne und veröf­fent­lich­te ein Foto, dass die Leichen zeigen soll. Russland wies die Vorwür­fe zurück, in Tscher­ni­hiw gebe es keine russi­schen Truppen.

Es handle sich entwe­der um eine grausa­me Terror­tat ukrai­ni­scher Natio­na­lis­ten oder eine Insze­nie­rung des ukrai­ni­schen Geheim­diensts, sagte der Sprecher des russi­schen Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums, Igor Konaschen­kow, der Agentur Tass zufolge.

Die Stadt Tscher­ni­hiw nahe der russi­schen Grenze ist seit Kriegs­be­ginn immer wieder Ziel russi­scher Angrif­fe. Die humani­tä­re Lage dort gilt als katastro­phal, viele Gebäu­de sind zerstört.

Kiew: In Cherson droht humani­tä­re Katastrophe

Die ukrai­ni­sche Regie­rung hat vor einer humani­tä­ren Katastro­phe im von russi­schen Truppen erober­ten Gebiet Cherson gewarnt. «Wegen der vorüber­ge­hen­den Besat­zung fehlt es den Menschen in den Siedlun­gen, vor allem den kleine­ren, an Medika­men­ten und teilwei­se an Nahrungs­mit­teln», schreibt die Menschen­rechts­be­auf­trag­te des ukrai­ni­schen Parla­ments, Ljudmy­la Deniso­wa, bei Telegram.

«Aufgrund des aggres­si­ven Vorge­hens und des Beschus­ses der russi­schen Besat­zer ist es nicht möglich, Waren aus anderen Regio­nen der Ukrai­ne zu liefern.» Zudem gebe es Proble­me bei der Strom‑, Gas- und Wasserversorgung.

Verletz­ter Fox-News-Korre­spon­dent in Sicherheit

Der in der Nähe von Kiew schwer verletz­te Korre­spon­dent Benja­min Hall ist nach Angaben des TV-Senders Fox News inzwi­schen außer­halb der Ukrai­ne und in Sicher­heit. Er sei bei Bewusst­sein und guter Dinge, erklär­te der US-Sender. Er bekom­me «die bestmög­li­che medizi­ni­sche Versor­gung der Welt». Der Sender stehe in engem Kontakt mit seiner Frau und seiner Familie.

Der Sender machte keine genau­en Angaben zu Halls Verlet­zun­gen und zum Ort seiner medizi­ni­schen Behandlung.

Hall war am Montag naher der ukrai­ni­schen Haupt­stadt Kiew zusam­men mit seinem Team unter Beschuss geraten. Der Kamera­mann Pierre Zakrzew­ski (55) und die ukrai­ni­sche Journa­lis­tin Oleksan­dra Kuvshy­n­o­va (24) kamen dabei ums Leben. Vertre­ter der Ukrai­ne machten die russi­schen Streit­kräf­te für den Zwischen­fall verantwortlich.

Selen­skyj: Russland hat Himmel zur «Quelle des Todes gemacht»

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj hat in einer Rede vor beiden Kammern des US-Kongres­ses mit Nachdruck erneut die Einrich­tung einer Flugver­bots­zo­ne gefor­dert. «Russland hat den ukrai­ni­schen Himmel zur Quelle des Todes für Tausen­de Menschen gemacht», sagte Selen­skyj per Video­link aus Kiew vor US-Senato­ren und Abgeord­ne­ten des Repräsentantenhauses.

Russland habe bereits etwa 1000 Raketen auf die Ukrai­ne abgefeu­ert und «zahllo­se Bomben», sagte er einer engli­schen Überset­zung zufol­ge. «Das ist ein Terror wie ihn Europa seit 80 Jahren nicht mehr erlebt hat», so Selen­skyj in Anspie­lung auf den Zweiten Weltkrieg. Die Flugver­bots­zo­ne sei notwen­dig, damit Russland die ukrai­ni­schen Städte nicht mehr «terro­ri­sie­ren» könne.

Die Durch­set­zung einer Flugver­bots­zo­ne durch die USA oder das Vertei­di­gungs­bünd­nis Nato gilt derzeit aller­dings als ausgeschlossen.

Lambrecht: Angriff auf Nato-Gebiet nicht ganz auszuschließen

Bundes­ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin Chris­ti­ne Lambrecht unter­stützt die Planun­gen der Nato für eine langfris­ti­ge Verstär­kung der Ostflan­ke. «Auch wenn es bisher keine Anhalts­punk­te dafür gibt, dass das Bündnis­ge­biet angegrif­fen wird, so können wir das nicht gänzlich ausschlie­ßen, und wir müssen vorbe­rei­tet sein», sagte die SPD-Politi­ke­rin am Rande eines Nato-Vertei­di­gungs­mi­nis­ter­tref­fens in Brüssel.

Nach den kurzfris­ti­gen Entschei­dun­gen sei es nun wichtig, auch über mittel- und langfris­ti­ge Planun­gen zu sprechen.
«Mir ist ganz wichtig dabei, dass wir jetzt sehr inten­siv darüber disku­tie­ren: Was ist glaub­wür­di­ge Abschre­ckung? Und was ist dafür erfor­der­lich?», sagte Lambrecht.