KIEW (dpa) — Monate­lang kriti­sier­te der ukrai­ni­sche Botschaf­ter die Bundes­re­gie­rung. Jetzt muss er Berlin verlas­sen. Die USA verspre­chen Kiew derweil mehr humani­tä­re Unter­stüt­zung. Die Entwick­lun­gen im Überblick.

Der ukrai­ni­sche Botschaf­ter Andrij Melnyk muss seinen Posten in Deutsch­land räumen. Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj hat den 46-jähri­gen Diplo­ma­ten am Samstag abberu­fen, ebenso die ukrai­ni­schen Botschaf­ter in Norwe­gen, Tsche­chi­en, Ungarn und Indien.

In einer Video­bot­schaft sprach Selen­skyj von einem norma­len Vorgang. «Diese Frage der Rotati­on ist ein üblicher Teil der diplo­ma­ti­schen Praxis», sagte er, ohne einen der fünf Botschaf­ter nament­lich zu nennen. Ob Melnyk nach seiner Abberu­fung für ein anderes hochran­gi­ges Amt in Kiew oder anders­wo vorge­se­hen ist, blieb zunächst offen.

Melnyk kriti­sier­te Bundes­re­gie­rung wieder­holt scharf

Eine Spreche­rin des Auswär­ti­gen Amtes teilte auf Anfra­ge mit: «Gegen­über dem Auswär­ti­gen Amt wurde eine Abberu­fung des Botschaf­ters bislang nicht notifi­ziert.» Melnyk hatte sich nicht erst seit Beginn des russi­schen Angriffs­krie­ges gegen die Ukrai­ne als schar­fer Kriti­ker der Bundes­re­gie­rung einen Namen gemacht.

Zuletzt aber geriet er selbst massiv in die Kritik wegen Äußerun­gen über den ukrai­ni­schen Natio­na­lis­ten und Antise­mi­ten Stepan Bande­ra. Selen­skyj wechsel­te zudem den Chef der Regio­nal­re­gie­rung im umkämpf­ten südukrai­ni­schen Cherson aus. Der Sonntag ist für die Ukrai­ne der 137. Kriegs­tag seit Beginn der russi­schen Angriffs Ende Februar.

USA sagen Ukrai­ne weite­re humani­tä­re Hilfe zu

Die US-Regie­rung sagte der Ukrai­ne weite­re humani­tä­re Unter­stüt­zung zu. US-Außen­mi­nis­ter Antony Blinken kündig­te am Samstag nach dem G20-Außen­mi­nis­ter­tref­fen in Bali an, «dass die Verei­nig­ten Staaten fast 368 Millio­nen Dollar (361 Millio­nen Euro) an zusätz­li­cher humani­tä­rer Hilfe bereit­stel­len werden, um die vom bruta­len Krieg Russlands gegen die Ukrai­ne Betrof­fe­nen zu unterstützen».

Seit Beginn der russi­schen Invasi­on im Febru­ar hätten die USA als wichtigs­tes Geber­land mehr als 1,28 Milli­ar­den Dollar an humani­tä­rer Hilfe für die Ukrai­ne zugesagt. Blinken forder­te Russlands Präsi­den­ten Wladi­mir Putin auf, «die Kriegs­hand­lun­gen sofort zu beenden».

Tote und Verletz­te bei Beschuss

Bei russi­schem Beschuss in der ostukrai­ni­schen Region Donezk wurden nach Angaben von Gouver­neur Pawlo Kyryl­en­ko am Samstag mindes­tens drei Menschen getötet und acht verletzt. Allein im Ort Awdijiw­ka sei es zu mehr als zehn Angrif­fen auf Wohnvier­tel und zivile Infra­struk­tur gekom­men, sagte er.

Die prorus­si­schen Separa­tis­ten warfen ihrer­seits der ukrai­ni­schen Armee Angrif­fe vor. Berich­te aus den Kampf­ge­bie­ten lassen sich von unabhän­gi­ger Seite kaum überprüfen.

Kiew denkt über Raketen­ab­wehr nach

Die Ukrai­ne benötigt nach Einschät­zung von Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Olexij Resni­kow eine andere Raketen­ab­wehr als das israe­li­sche System «Iron Dome» (Eisen­kup­pel).

«Selbst Iron Dome schützt nicht zu 100 Prozent. Iron Dome wurde gegen langsam und niedrig fliegen­de Raketen gemacht, die von der Sache her in Garagen angefer­tigt werden. Vor Marsch­flug­kör­pern und ballis­ti­schen Raketen schützt Iron Dome nicht», sagte Resni­kow. Die Ukrai­ne müsse ein System der Luftver­tei­di­gung entwi­ckeln oder es von ihren Partnern erhalten.

Bericht: Muniti­ons­nach­schub für Gepard-Panzer gesichert

Die Bundes­re­gie­rung hat einem Medien­be­richt zufol­ge langfris­tig den Nachschub an Muniti­on für die der Ukrai­ne zugesag­ten Gepard-Panzer gesichert. Das Kanzler­amt habe zusam­men mit dem Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um in Norwe­gen einen Herstel­ler gefun­den, der weite­re Muniti­on für das Flugab­wehr­sys­tem herstel­len könne, berich­te­te der «Spiegel» unter Berufung auf Regie­rungs­krei­se. Eine Bestä­ti­gung von Regie­rungs­sei­te gab es dazu zunächst nicht.

Ukrai­ne: Seiten­ka­nal zur Donau frei

Nach Abzug russi­scher Solda­ten von der ukrai­ni­schen Schlan­gen­in­sel im Schwar­zen Meer ist nach Angaben aus Kiew wieder ein Güter­trans­port durch einen Seiten­ka­nal zur Donau möglich. Die Schiff­fahrt südwest­lich von Odessa werde fortge­setzt, teilte die ukrai­ni­sche Hafen­be­hör­de mit. Angesichts der Befrei­ung der Schlan­gen­in­sel und einer Vielzahl von Schif­fen, die auf eine Durch­fahrt warten, sei die Passa­ge frei, hieß es.

Neben drei ukrai­ni­schen Donau­hä­fen arbei­ten ein Hafen der Republik Moldau und zwei rumäni­sche Häfen unmit­tel­bar an der Donau-Mündung. Von den an den Seiten­ka­nal angren­zen­den Donau­in­seln waren die russi­schen Solda­ten auf der Schlan­gen­in­sel von der ukrai­ni­schen Armee wieder­holt unter Feuer genom­men worden.

Gas-Pipeline Nord Stream 1 wird Montag für Wartung abgeschaltet

Die zuletzt wichtigs­te Verbin­dung für russi­sches Erdgas nach Deutsch­land wird am Montag­mor­gen abgeschal­tet. Grund sind jährlich wieder­keh­ren­de Wartungs­ar­bei­ten an der Ostsee­pipe­line Nord Stream 1, die der Betrei­ber bereits vor länge­rer Zeit angekün­digt hatte.

Unter anderem Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck (Grüne) hat akute Beden­ken geäußert, dass Russland den Gashahn auch nach Abschluss der Wartung nicht mehr aufdre­hen könnte. Wie die Betrei­ber­ge­sell­schaft Nord Stream AG mitteil­te, sollen die Arbei­ten bis zum 21. Juli dauern. In dieser Zeit werde kein Gas nach Deutsch­land befördert.

Kanada will gewar­te­te russi­sche Gastur­bi­ne nach Deutsch­land schicken

Die kanadi­sche Regie­rung will die Liefe­rung der gewar­te­ten russi­schen Nordstream-1-Turbi­ne nach Deutsch­land ermög­li­chen. Dazu werde Kanada «eine zeitlich begrenz­te und wider­ruf­ba­re Erlaub­nis» an Siemens Canada geben, sagte der für Boden­schät­ze zustän­di­ge Minis­ter Jonathan Wilkin­son am Samstag in einer Stellung­nah­me. Ohne die nötige Gasver­sor­gung würde die deutsche Wirtschaft sehr leiden, und die Deutschen wären mögli­cher­wei­se nicht in der Lage, im Winter ihre Wohnun­gen zu heizen.

Der russi­sche Energie­kon­zern Gazprom hatte Mitte Juni seine Gaslie­fe­run­gen nach Deutsch­land durch die Ostsee­pipe­line Nord Stream 1 reduziert und auf Verzö­ge­run­gen bei der Repara­tur von Gasver­dich­tern verwie­sen. Der Energie­tech­nik­kon­zern Siemens Energy hatte darauf­hin mitge­teilt, dass eine in Kanada überhol­te Gastur­bi­ne aufgrund der Russland-Sanktio­nen derzeit nicht aus Montré­al zurück­ge­lie­fert werden könne. Als Lösung will Kanada die Turbi­ne erst nach Deutsch­land schicken lassen, statt direkt nach Russland.

Das wird heute wichtig

Seit Russland die weitge­hen­de Kontrol­le über die ostukrai­ni­sche Region Luhansk übernom­men hat, hat sich der Schwer­punkt der Kämpfe ins benach­bar­te Donezk verla­gert. Im Visier der russi­schen Armee sind demnach beson­ders die Städte Krama­torsk und Slowjansk.