KIEW/MOSKAU (dpa) — Moskau will eine Ausbrei­tung der Angrif­fe auf die Ukrai­ne. Nach dem verhee­ren­den Raketen­an­griff auf Winnyz­ja geht der Beschuss weiter. Präsi­dent Selen­skyj spricht eine Warnung an Moskau aus. Die aktuel­len Entwicklungen.

Russlands Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Sergej Schoi­gu befiehlt bei einer Inspek­ti­on der am Krieg betei­lig­ten Truppen­tei­le eine Auswei­tung der Angrif­fe auf das Nachbarland.

Angesichts neuer Angrif­fe ist in der Ukrai­ne am Freitag­abend landes­weit Luftalarm ausge­löst worden. Im südöst­li­chen Gebiet Dnipro starben Behör­den­an­ga­ben zufol­ge mindes­tens drei Menschen.

Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj rief die Bürger zur Wachsam­keit auf. Zugleich warnte er Moskau, dass der bereits seit fast fünf Monaten andau­ern­de Krieg auch in Russland nicht folgen­los bleiben werde.

In London sorgt der Tod eines Briten, der von prorus­si­schen Separa­tis­ten in Kriegs­ge­fan­gen­schaft gehal­ten wurde, für Entset­zen. Russland müsse «die volle Verant­wor­tung dafür tragen», kündig­te Außen­mi­nis­te­rin Liz Truss an. In Moskau besetzt Kreml­chef Wladi­mir Putin derweil zentra­le Positio­nen seiner Führung neu.

Moskau gibt Befehl zur Auswei­tung der Angrif­fe in Ukraine

Russlands Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Sergej Schoi­gu hat bei einer Inspek­ti­on der am Ukrai­ne-Krieg betei­lig­ten Truppen­tei­le eine Auswei­tung der Angrif­fe auf das Nachbar­land befoh­len. «Nach Anhörung (des Lagebe­richts) hat der Chef des russi­schen Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums die nötigen Anwei­sun­gen zur Auswei­tung der Aktivi­tä­ten der Heeres­grup­pen in alle Angriffs­rich­tun­gen gegeben, um dem Kiewer Regime die Möglich­keit zu nehmen, weiter massi­ve Artil­le­rie- und Raketen­an­grif­fe auf Infra­struk­tur und Zivilis­ten im Donbass und in anderen Regio­nen durch­zu­füh­ren», teilte das Minis­te­ri­um mit.

Es ist die zweite Inspek­ti­on der russi­schen Einsatz­kräf­te in der Ukrai­ne durch Schoi­gu. Die erste fand Ende Juni statt.

Selen­skyj: Russlands Gesell­schaft für Genera­tio­nen «verkrüp­pelt»

Selen­skyj sieht auch die russi­sche Gesell­schaft angesichts des Kriegs gegen sein Land für Jahrzehn­te geschä­digt. Die Ukrai­ne werde sich «Mensch­lich­keit und Zivili­sa­ti­on» bewah­ren, sagte er in der Nacht zum Samstag in seiner Video-Anspra­che. Zerstör­te Bildungs­ein­rich­tun­gen würden wieder aufge­baut, versprach er. «Aber die russi­sche Gesell­schaft mit so vielen Mördern und Henkern wird für Genera­tio­nen verkrüp­pelt bleiben — und zwar aus eigener Schuld.» Angesichts neuer Angrif­fe auf mehre­re Regio­nen am Abend appel­lier­te Selen­skyj einmal mehr an seine Lands­leu­te, Luftalarm nicht zu ignorieren.

Luftalarm im ganzen Land

Am Freitag­abend heulten die Sirenen in der gesam­ten Ukrai­ne. In sozia­len Netzwer­ken kursier­ten Videos und Fotos, die fliegen­de Raketen und Rauch­wol­ken etwa in der südöst­li­chen Großstadt Dnipro zeigen sollen. Dabei kamen 3 Menschen ums Leben, 15 wurden verletzt. Der Gouver­neur des zentralukrai­ni­schen Gebiets Polta­wa, Dmytro Lunin, bestä­tig­te Explo­sio­nen in Krement­schuk. Eine weite­re Rakete wurde laut dem Odessaer Militär­gou­ver­neur Maxym Martschen­ko über dem südukrai­ni­schen Gebiet abgeschos­sen. Details zu mögli­chen Opfern und Zerstö­run­gen waren noch nicht bekannt.

Kiew bestä­tigt Erhalt von neuem Raketen­wer­fer­sys­tem M270

Die Ukrai­ne hat nach eigenen Angaben ein neues Raketen­wer­fer­sys­tem aus dem Westen erhal­ten. «Keine Gnade für den Feind», schrieb Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Olexij Resni­kow auf Twitter. Die M270-Syste­me würden den US-ameri­ka­ni­schen Himars «auf dem Schlacht­feld gute Gesell­schaft» leisten. Ob nur eines oder mehre­re der M270-Syste­me gelie­fert wurden, ging aus dem Tweet nicht eindeu­tig hervor. Großbri­tan­ni­en hatte der Ukrai­ne zuletzt solche Waffen zugesagt. Die M270-Syste­me auf Ketten­fahr­ge­stell können im Unter­schied zu den auf Lastwa­gen montier­ten Himars zwölf statt sechs Raketen laden.

Brite stirbt in Kriegs­ge­fan­gen­schaft der Separatisten

Im Osten der Ukrai­ne ist ein Brite in Kriegs­ge­fan­gen­schaft der prorus­si­schen Separa­tis­ten gestor­ben. Dies teilte eine Vertre­te­rin der Separa­tis­ten, Darja Moroso­wa, mit. Bei einer medizi­ni­schen Unter­su­chung des Mannes nach dessen Festnah­me vor mehre­ren Wochen seien eine Reihe chroni­scher Krank­hei­ten wie Diabe­tes, eine Lungen- und Nieren­schwä­che sowie mehre­re Herzkreis­lauf­be­schwer­den festge­stellt worden, sagte Moroso­wa. Am 10. Juli sei er gestor­ben. Die genau­en Todes­um­stän­de ließen sich nicht unabhän­gig prüfen. Die briti­sche Regie­rung bestell­te darauf den russi­schen Botschaf­ter ein.

Prorus­si­sche Besat­zer drohen Kriti­kern mit Abschiebung

In besetz­ten Teilen der Ukrai­ne drohen die von Russland einge­setz­ten Verwal­tun­gen Bewoh­nern mit Auswei­sun­gen auf ukrai­nisch kontrol­lier­tes Gebiet, wenn diese Kritik an der neuen Führung äußern. Damit solle die «Ordnung gewahrt» werden, hieß es in Erlas­sen in den südukrai­ni­schen Gebie­ten Saporischschja und Cherson. Die russi­sche Armee hat nach ihrem Einmarsch ins Nachbar­land Ende Febru­ar große Teile der Südukrai­ne besetzt. In den besetz­ten Gebie­ten protes­tier­ten Bewoh­ner aller­dings immer wieder gegen die neuen Machthaber.

Putin besetzt Schlüs­sel­po­si­tio­nen in russi­scher Führung neu

In Russland hat Putin unter­des­sen fünf Monate nach Kriegs­be­ginn wichti­ge Positio­nen inner­halb der Führungs­ebe­ne neu besetzt. Er ernann­te Indus­trie­mi­nis­ter Denis Mantur­ow zum Vizere­gie­rungs­chef. Die Abgeord­ne­ten der Staats­du­ma, die für eine Sonder­sit­zung aus dem Sommer­ur­laub zurück­ge­holt worden waren, bestä­tig­ten Mantur­ows Beför­de­rung. Der bisher für die Rüstungs­in­dus­trie zustän­di­ge Vizere­gie­rungs­chef Juri Boris­sow wurde per Erlass zum neuen General­di­rek­tor der russi­schen Raumfahrt­be­hör­de Roskos­mos ernannt.

Iran versi­chert Ukrai­ne: Keine Drohnen-Liefe­run­gen an Russland

Irans Außen­mi­nis­ter Hussein Amirab­dol­la­hi­an hat der Ukrai­ne versi­chert, keine Drohnen nach Russland zu liefern. «Die ameri­ka­ni­schen Behaup­tun­gen diesbe­züg­lich waren grund­los und mehr ein Propa­gan­da­akt vor der (Israel-) Reise von US-Präsi­dent (Joe) Biden», sagte Amirab­dol­la­hi­an seinem ukrai­ni­schen Amtskol­le­gen Dmytro Kuleba. Sein Land habe sich stets für eine diplo­ma­ti­sche Lösung der Ukrai­ne-Krise einge­setzt, so der irani­sche Chefdi­plo­mat laut Nachrich­ten­agen­tur Irna. Bidens Natio­na­ler Sicher­heits­be­ra­ter Jake Sulli­van hatte am Montag gesagt, dass es Hinwei­se gebe, wonach der Iran Russland im Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne unter­stüt­zen wolle.