MOSKAU/KIEW (dpa) — Russland fährt die Zusam­men­ar­beit mit dem Westen fünf Monate nach Beginn des Ukrai­ne-Kriegs immer weiter zurück. Im Osten der Ukrai­ne erobern russi­sche Truppen ein wichti­ges Kraft­werk. Die Entwicklungen.

Die Drosse­lung russi­scher Gaslie­fe­run­gen nach Europa sollte aus Sicht des ukrai­ni­schen Präsi­den­ten Wolodym­yr Selen­skyj neue Sanktio­nen des Westens gegen Moskau nach sich ziehen. «Denn allen ist klar, dass dies ein bewuss­ter Preis­ter­ror Russlands gegen Europa ist», sagte Selen­skyj in seiner tägli­chen Videoansprache.

Doch nicht nur im Energie­sek­tor, auch im Weltall bricht Russland mit einsti­gen Partnern. So will Moskau die Zusam­men­ar­beit im Weltraum beim Unter­halt der Inter­na­tio­na­len Raumsta­ti­on (ISS) spätes­tens 2024 beenden.

In der Ukrai­ne wieder­um gehen die Kämpfe weiter. Im Osten des Landes fällt den russland­treu­en Truppen nach eigenen Angaben ein wichti­ges Kraft­werk in die Hände. Für die Ukrai­ne ist es der 154. Tag des Krieges.

Gas wird immer weniger — Retour­kut­sche für Sanktionen

Der russi­sche Energie­kon­zern Gazprom senkt die Liefe­run­gen durch die wichtigs­te Versor­gungs­lei­tung für Deutsch­land an diesem Mittwoch auf 20 Prozent. Der Staats­kon­zern nennt als Grund, dass eine wichti­ge Turbi­ne noch nicht aus der Repara­tur zurück sei und eine andere nun in die Wartung müsse. Politi­ker in Europa sprechen von einem Vorwand.

Mit Hilfe von Gazprom tue Moskau alles, um diesen Winter für die europäi­schen Länder zum härtes­ten in der Geschich­te zu machen, meinte Selen­skyj. So habe Moskau mit seiner Ankün­di­gung, die Liefe­run­gen über Nord Stream 1 weiter zurück­zu­fah­ren, bewusst den Anstieg der Gasprei­se an der Börse provo­ziert. «Es ist notwen­dig, auf Terror zu reagie­ren — mit Sanktio­nen zu reagie­ren», sagte Selenskyj.

Russen vermel­den Erobe­rung wichti­gen Kraft­werks in der Ukraine

Derweil wird auch die Energie­ver­sor­gung für die Ukrai­ne selbst im kommen­den Winter zuneh­mend proble­ma­tisch. Im ostukrai­ni­schen Gebiet Donezk haben die russi­schen Truppen nach eigenen Angaben bei Switlo­darsk das größte Kohle­kraft­werk der Ukrai­ne unter ihre Kontrol­le gebracht.

Am Diens­tag melde­ten Medien der Donez­ker Separa­tis­ten die Erobe­rung. Bilder sollten die Präsenz russi­scher Söldner der sogenann­ten Wagner-Gruppe vor dem Verwal­tungs­ge­bäu­de belegen. Anderen Berich­ten nach dauer­ten jedoch die seit Ende Mai währen­den Kämpfe um das Kraft­werks­ge­län­de weiter an. Unabhän­gig sind die Angaben nicht zu überprüfen.

Der ukrai­ni­sche General­stab erwähn­te das Kraft­werk in seinem abend­li­chen Lagebe­richt nicht mehr. Statt­des­sen berich­te­te die Militär­füh­rung nur noch von Kämpfen um das etwas westli­cher gelege­ne Semyhir­ja. Im Morgen­be­richt war noch von Luftan­grif­fen auf ukrai­ni­sche Positio­nen auf dem Kraft­werks­ge­län­de die Rede gewesen.

Schon vor Monaten haben die russi­schen Truppen das Kernkraft­werk Saporischschja erobert. Dabei handelt es sich um das leistungs­stärks­te Atomkraft­werk Europas.

Ukrai­ner melden Rückerobe­rung einer Ortschaft im Süden

Das ukrai­ni­sche Militär hat nach eigenen Angaben die kleine Ortschaft Andri­jiw­ka im Gebiet Cherson im Süden des Landes vollstän­dig erobert. «Andri­jiw­ka ist befreit und endgül­tig von den russi­schen Okkupa­ti­ons­trup­pen gesäu­bert», sagte der Sprecher der Komman­do­zen­tra­le «Süd» der ukrai­ni­schen Truppen, Wladys­law Nasarow, am Diens­tag­abend in einer Video­bot­schaft. Unabhän­gig sind die Angaben nicht zu überprü­fen. Während im Osten des Landes weiter­hin die moskau­treu­en Truppen die Initia­ti­ve haben, ist Kiew im Süden inzwi­schen zu Gegen­an­grif­fen übergegangen.

Die ukrai­ni­schen Kräfte haben nach Angaben Nasarows vor einigen Tagen ebenfalls die Nachbar­ort­schaft Losowe erobert. Haupt­säch­lich werden die Gefech­te aber nach wie vor mittels der Artil­le­rie auf Nachschub­li­ni­en geführt. So berich­te­te die von Moskau einge­setz­te Militär­ver­wal­tung im Gebiet Cherson über einen weite­ren Beschuss einer Brücke über den Fluss Dnipro. Die 1,4 Kilome­ter lange Autobrü­cke in der Gebiets­haupt­stadt Cherson sei aller­dings weiter intakt, teilte ein Sprecher der Verwal­tung in der Nacht zum Mittwoch mit.

Die 1,4 Kilome­ter lange Autobrü­cke in der Gebiets­haupt­stadt Cherson sei weiter intakt, teilte ein Sprecher der Verwal­tung in der Nacht zum Mittwoch zunächst mit. Später räumte er ein, dass die Brücke beschä­digt und für den Verkehr geschlos­sen worden sei.

Die Brücken sind strate­gisch wichtig, da der Dnipro viel Wasser führt und somit schwer zu überque­ren ist. Vordring­lichs­tes Ziel des ukrai­ni­schen Militärs ist es, die russi­schen Besat­zungs­trup­pen wieder auf die Linie hinter den Dnipro zurück­zu­drän­gen. Dazu versu­chen sie unter anderem mit Hilfe der von den USA gelie­fer­ten Raketen­wer­fer Himars, die Nachschub­li­ni­en auszuschalten.

Strafe gegen Google

Im Kampf um das Infor­ma­ti­ons­mo­no­pol geht Moskau derweil weiter gegen westli­che Techno­lo­gie­kon­zer­ne vor. Das russi­sche Kartell­amt verur­teil­te am Diens­tag Google wegen des Vorwurfs, die Monopol­stel­lung seiner Tochter Youtube auszu­nut­zen, zu einer Strafe von zwei Milli­ar­den Rubel (35 Millio­nen Euro). «Das führt zu plötz­li­chen Blockie­run­gen und der Löschung von Nutzer­ac­counts ohne Vorwar­nung und Begrün­dung», begrün­de­te die Behör­de ihre Entscheidung.

Es ist nicht die erste Strafe für das Unter­neh­men. Seit Beginn des Überfalls auf die Ukrai­ne kämpft die russi­sche Führung auch gegen ihr misslie­bi­ge Infor­ma­tio­nen in sozia­len Netzwer­ken westli­cher Großkon­zer­ne wie Google und Meta. Moskau wirft ihnen antirus­si­sche Propa­gan­da vor.

Das wird heute wichtig

Im türki­schen Istan­bul soll das Kontroll­zen­trum für die Getrei­de­ex­por­te aus der Ukrai­ne seinen Betrieb aufneh­men. Das Zentrum ist Teil eines am Freitag unter Vermitt­lung der Verein­ten Natio­nen und der Türkei geschlos­se­nen Abkom­mens, mit dem die Blocka­de ukrai­ni­scher Häfen aufge­ho­ben werden soll. Russland hatte in der Verein­ba­rung etwa zugesi­chert, Schif­fe über einen Seekor­ri­dor fahren zu lassen und weder diese noch betei­lig­te Häfen anzugreifen.