KIEW/MOSKAU (dpa) — Die Lage um das von Russen besetz­te AKW Saporischschja ist weiter brand­ge­fähr­lich — Selen­skyj fordert dringen­des Handeln. Derweil macht Putin den Westen erneut für den Krieg verant­wort­lich. Die News im Überblick.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj hat Russland erneut mit Nachdruck zum Rückzug aus dem Atomkraft­werk Saporischschja aufge­for­dert. Er warnte einmal mehr auch vor den Folgen einer mögli­chen nuklea­ren Katastrophe.

«Jeder radio­ak­ti­ve Zwischen­fall im Atomkraft­werk Saporischschja könnte auch zu einem Schlag gegen die Staaten der Europäi­schen Union und gegen die Türkei und gegen Georgi­en und gegen die Staaten weiter entfern­ter Regio­nen werden», sagte der Staats­chef in seiner Video­bot­schaft. «Alles hängt nur von der Richtung und der Stärke des Windes ab», sagte Selenskyj.

Es ist Tag 174 des russi­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne. Das von Russland besetz­te größte Kernkraft­werk Europas wird seit Tagen beschos­sen. Die Ukrai­ne und Russland machen sich gegen­sei­tig dafür verant­wort­lich. Selen­skyj sagte, dass Russland sich ohne Bedin­gun­gen aus dem AKW zurück­zie­hen müsse. Zugleich bekräf­tig­te er seine Forde­run­gen vom Wochen­en­de nach Sanktio­nen gegen den russi­schen Atomkon­zern Rosatom und die gesam­te Nukle­ar­in­dus­trie des «Terror­staa­tes».

Selen­skyj fordert inter­na­tio­na­le Gemein­schaft zum Handeln auf

Die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft müsse handeln, weil sie durch Russlands Terror in Gefahr sei, beton­te er. «Wenn die Welt jetzt nicht die Kraft aufbringt und die Entschlos­sen­heit, um eine Atoman­la­ge zu schüt­zen, dann heißt das, dass die Welt verliert», sagte Selen­skyj. Wenn Russland gewin­ne, würden andere «atoma­re Terro­ris­ten» ermutigt, ebenso zu handeln. Es gehe um den Schutz vor radio­ak­ti­ver Verstrah­lung. Nach Angaben der Besat­zungs­ver­tre­ter werden bisher keine erhöh­ten Strah­len­wer­te gemessen.

Die Ukrai­ne wirft Russland vor, mit dem Beschuss «atoma­ren Terror» zu betrei­ben. Besat­zungs­ver­tre­ter Wladi­mir Rogow wieder­um hatte mitge­teilt, ukrai­ni­sche «Terro­ris­ten» würden die Schüs­se abfeu­ern. Er hatte auch eine Feuer­pau­se vorge­schla­gen. Eine von 42 Staaten gefor­der­te Überga­be des Kernkraft­werks an die Ukrai­ne lehnt Russland aber ab. Kiew hat das Kraft­werks­ge­län­de nach eigenen Angaben auch selbst bereits mit Kampf­droh­nen angegriffen.

Die Ukrai­ne beschul­digt die russi­schen Truppen, das AKW als Festung zu nutzen, um von dort auf die am anderen Ufer des Dnipro-Stausees liegen­den Klein­städ­te Nikopol und Marha­nez zu schie­ßen. Russland hinge­gen behaup­tet, die Ukrai­ne beschie­ße die Anlage mit Drohnen, schwe­rer Artil­le­rie und Raketen­wer­fern. In den meisten Fällen fange die russi­sche Luftab­wehr die Geschos­se ab. Dennoch sei bereits Infra­struk­tur auch im Bereich des dorti­gen Atommüll­la­gers getrof­fen worden. Eine erhöh­te Radio­ak­ti­vi­tät wurde nach Angaben von Exper­ten bisher nicht registriert.

Moskau wirft Ukrai­nern «Sabota­ge» an russi­schen Strom­lei­tun­gen vor

Russland beklagt Störun­gen an einem seiner Atomkraft­wer­ke in der Grenz­re­gi­on zur Ukrai­ne — und macht dafür Bürger des Nachbar­lan­des verant­wort­lich. In den vergan­ge­nen zwei Wochen hätten «ukrai­ni­sche Sabota­ge-Gruppen» in dem Gebiet Kursk an insge­samt sechs Strom­mas­ten Spreng­sät­ze gezün­det, teilte der russi­sche Inlands­ge­heim­dienst FSB laut Agentur Inter­fax mit. Unabhän­gig überprüf­bar waren die Anschul­di­gun­gen in Richtung Ukrai­ne nicht. Dem FSB zufol­ge kam es am Kernkraft­werk Kursk zwischen­zeit­lich zu «einer Störung des techno­lo­gi­schen Betriebs­pro­zes­ses». Der russi­sche Geheim­dienst erklär­te, nach den Verant­wort­li­chen werde gefahn­det. Zudem sollen russi­sche AKW-Anlagen offizi­el­len Angaben zufol­ge nun noch besser geschützt werden.

Putin gibt Westen Verant­wor­tung für Krieg in Ukraine

Kreml­chef Wladi­mir Putin hat die USA und den Westen für das Blutver­gie­ßen in Russlands Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne verant­wort­lich gemacht. Die westli­che Allianz benut­ze die Ukrai­ner als «Kanonen­fut­ter» für ihr Projekt «Anti-Russland», sagte Putin in einer Video­bot­schaft an die Teilneh­mer der Moskau­er Konfe­renz für inter­na­tio­na­le Sicher­heit. Der Präsi­dent beklag­te einmal mehr, der Konflikt werde durch die Liefe­rung schwe­rer Waffen aus den USA und anderen westli­chen Ländern in die Länge gezogen.

Schon zuvor hatte Putin den USA vorge­wor­fen, den Kampf bis zum letzten Ukrai­ner austra­gen zu wollen. Die USA und der Westen hinge­gen betonen, die Ukrai­ne in ihrem Freiheits­kampf um eine staat­li­che Unabhän­gig­keit gegen eine russi­sche Verein­nah­mung zu unterstützen.

Putin warf den USA vor, ihre Außen­po­li­tik auf die Desta­bi­li­sie­rung ganzer Regio­nen auszu­rich­ten — durch Provo­ka­tio­nen, Umstür­ze und Bürger­krie­ge. Wie in der Ukrai­ne so agiere das Land auch in Afrika, in Latein­ame­ri­ka und in Asien, behaup­te­te Putin. Er selbst sieht sich im Westen angesichts der russi­schen Okkupa­ti­on weiter Teile der Ukrai­ne ebenfalls mit Vorwür­fen einer imperia­len Politik konfrontiert.

Neue Explo­si­on auf Krim

Auf der von Russland annek­tier­ten Schwarz­meer-Halbin­sel Krim hat es nach Behör­den­an­ga­ben erneut eine Explo­si­on in einem Militär­ob­jekt gegeben. Im Norden der Krim sei am Diens­tag­mor­gen ein Muniti­ons­la­ger detoniert, teilten die Behör­den mit. Auf Videos in den sozia­len Netzwer­ken waren ein großes Feuer und eine Rauch­wol­ke zu sehen. Der Krim-Verwal­tungs­chef Sergej Aksjo­now sagte vor Ort im Gebiet Dschanko­je, es gebe zwei Verletz­te. Zu den Gründen der Detona­ti­on müsse sich das russi­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um äußern, sagte er.

Die Explo­sio­nen gingen weiter, erklär­te Aksjo­now in einer Video­bot­schaft in seinem Blog beim Nachrich­ten­ka­nal Telegram. «Es läuft eine Evaku­ie­rung, für die Sicher­heit der Bewoh­ner wird eine fünf Kilome­ter große Sicher­heits­zo­ne gebil­det», sagte er. Kräfte des Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums, der Natio­nal­gar­de und des Zivil­schut­zes seien im Einsatz. Erst am Diens­tag vor einer Woche gab es schwe­re Explo­sio­nen auf einem russi­schen Militär­stütz­punkt. Bei den Explo­sio­nen auf der Basis in Saki nahe dem Kurort Nowof­jo­do­row­ka wurde nach Behör­den­an­ga­ben ein Mensch getötet.

Botschaf­ter bringt mögli­chen Papst-Besuch in Butscha ins Spiel

Bei einer mögli­chen Reise von Papst Franzis­kus in die Ukrai­ne könnte ein Besuch in Butscha auf dem Plan stehen, wo kurz nach Kriegs­be­ginn schwers­te Verbre­chen an Zivilis­ten verübt wurden. Das Programm sei noch «Gegen­stand von Verhand­lun­gen», sagte der ukrai­ni­sche Botschaf­ter am Heili­gen Stuhl, Andrij Jurasch, der italie­ni­schen Nachrich­ten­agen­tur Ansa. Aber die ukrai­ni­sche Seite werde sich sicher­lich einen Besuch des katho­li­schen Kirchen­ober­haup­tes in der Haupt­stadt Kiew und in einem Ort erwar­ten, wo unschul­di­ge Menschen getötet wurden, wie in Butscha.

Halbe Milli­on Tonnen Getrei­de ausgefahren

Mehr als eine halbe Milli­on Tonnen Getrei­de sind den Verein­ten Natio­nen zufol­ge seit Anfang August aus der Ukrai­ne über das Schwar­ze Meer ausge­fah­ren worden. Nach der Einigung zwischen der Ukrai­ne, Russland, der Türkei und den UN zur Öffnung des Seewe­ges Ende Juli seien 36 Durch­fahr­ten geneh­migt worden, teilten die UN mit — 21 Schif­fe verlie­ßen die Ukrai­ne Richtung Bospo­rus, 15 fuhren durch die Meerenge in Richtung des Kriegs­lan­des. 27 Frach­ter seien vertrags­ge­mäß in der Türkei durch­sucht worden. Es wird geschätzt, dass mehr als 20 Millio­nen Tonnen Getrei­de­er­zeug­nis­se in der Ukrai­ne lagern.