KIEW (dpa) — Bringt Russlands Mobil­ma­chung eine Wende im Krieg? Beobach­ter bezwei­feln das. Auch der ukrai­ni­sche Präsi­dent Selen­skyj meint: Moskau wolle nur die eigene Nieder­la­ge aufschie­ben. Die News im Überblick.

Mit der laufen­den Teilmo­bil­ma­chung der Streit­kräf­te will Russland Aussa­gen des ukrai­ni­schen Präsi­den­ten Wolodym­yr Selen­skyj zufol­ge ledig­lich den Moment der eigenen Nieder­la­ge hinaus­zö­gern. Das machte Selen­skyj in seiner nächt­li­chen Video­an­spra­che deutlich.

Rund sieben Monate nach Kriegs­be­ginn hatte Russlands Präsi­dent Wladi­mir Putin am Mittwoch eine Mobil­ma­chung von Reser­vis­ten angeord­net. Seitdem herrscht vieler­orts in Russland Entset­zen. Landes­weit gibt es Protes­te. Mehrfach gab es auch schon Angrif­fe auf Einberufungszentren.

Putins Vertrau­ter Jewge­ni Prigo­schin gab unter­des­sen erstmals die Gründung der gefürch­te­ten Söldner­trup­pe «Wagner» zu. Außer­dem erkann­te Putin dem bekann­ten US-Whist­le­b­lower Edward Snowden die russi­sche Staats­bür­ger­schaft zu.

Selen­skyj: Russland will Moment der Nieder­la­ge hinauszögern

«Sie haben gefühlt, dass sie verlie­ren werden. Und sie versu­chen einfach, diesen Moment hinaus­zu­zö­gern, um zumin­dest etwas Aktivi­tät an der Front zu haben», sagte Selen­skyj. «Leider ist sich die russi­sche Bevöl­ke­rung noch nicht der gesam­ten Bruta­li­tät der russi­schen Regie­rung gegen­über ihrem eigenen Volk bewusst», sagte Selen­skyj weiter. Das müsse den Russen klar gemacht werden.

Putins «Koch» bekennt sich zur Gründung der Wagner-Kampfgruppe

Der als Koch von Kreml­chef Putin bekannt gewor­de­ne russi­sche Geschäfts­mann Prigo­schin räumte erstmals direkt öffent­lich ein, die berüch­tig­te Söldner­trup­pe «Wagner» gegrün­det zu haben. Er habe die Einheit 2014 für den Einsatz auf russi­scher Seite im ukrai­ni­schen Donbass gebil­det, erklär­te Prigo­schin auf der Inter­net-Seite seines Unter­neh­mens Konkord. Am 1. Mai 2014 sei eine «Gruppe von Patrio­ten geboren worden» — mit dem Namen «Wagner».

Zuvor hatte Prigo­schin Verbin­dun­gen zur «Wagner»-Truppe nie klar benannt. Zuletzt ließ er aber indirekt durch­bli­cken, dass es sich um sein Projekt handel­te. Auch Insider hatten das bestä­tigt. Prigo­schin bestä­tig­te nun unter anderem Einsät­ze der «Wagner»-Gruppe in Syrien, anderen arabi­schen Ländern sowie in Afrika und Latein­ame­ri­ka. Kürzlich hatte ein Video in Russland für Aufse­hen gesorgt, das den Geschäfts­mann und Putin-Freund beim Rekru­tie­ren von Gefäng­nis­in­sas­sen als Kämpfer für den Ukrai­ne-Krieg zeigen soll.

Putin gewährt US-Whist­le­b­lower Snowden russi­sche Staatsbürgerschaft

Putin erkann­te dem US-Whist­le­b­lower Snowden die russi­sche Staats­bür­ger­schaft zu. Der Name des 39-Jähri­gen findet sich auf einer vom Kreml veröf­fent­lich­ten Liste mit neuen Staats­bür­gern. Snowden hatte zuvor nach der Geburt seines Sohnes in Russland mitge­teilt, dass er die Staats­bür­ger­schaft beantra­ge, um diesel­ben Rechte zu haben wie das 2020 gebore­ne Kind, das die russi­sche Staats­bür­ger­schaft automa­tisch erhielt.

Snowden hatte 2013 Dokumen­te zu Ausspäh-Aktivi­tä­ten des US-Abhör­diens­tes NSA und seines briti­schen Gegen­parts GCHQ an Journa­lis­ten gegeben. Auf der Flucht über Hongkong wollte er nach eigenen Angaben nach Ecuador, stran­de­te aber in Moskau am Flugha­fen, nachdem die US-Regie­rung seinen Reise­pass annul­liert hatte.

Keine EU-Lösung für Umgang mit russi­schen Kriegsdienstverweigerern

Die EU-Staaten suchen weiter nach einer gemein­sa­men Linie im Umgang mit russi­schen Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rern, die ihre Heimat verlas­sen wollen. Ein erstes Krisen­tref­fen der 27 EU-Botschaf­ter brach­te keine Lösung. Man habe die EU-Kommis­si­on dazu aufge­for­dert, die jüngs­ten Leitli­ni­en zur Visaver­ga­be «unter Berück­sich­ti­gung der Sicher­heits­be­den­ken der Mitglied­staa­ten zu überprü­fen, zu bewer­ten und gegebe­nen­falls zu aktua­li­sie­ren», teilte die derzei­ti­ge tsche­chi­sche EU-Ratsprä­si­dent­schaft anschlie­ßend ledig­lich mit.

USA unter­stüt­zen ukrai­ni­sche Straf­ver­fol­gung mit Millionensumme

Die US-Regie­rung stellt zur Unter­stüt­zung der ukrai­ni­schen Straf­ver­fol­gungs- und Straf­jus­tiz­be­hör­den eine Millio­nen­sum­me bereit. US-Außen­mi­nis­ter Antony Blinken sagte der ukrai­ni­schen Regie­rung hierfür zusätz­lich 457,5 Millio­nen US-Dollar (rund 474 Millio­nen Euro) zu. Seit Mitte Dezem­ber 2021 haben die USA damit insge­samt mehr als 645 Millio­nen US-Dollar (rund 668 Millio­nen Euro) für diesen Bereich zur Verfü­gung stellt, unter anderem für die Polizei des Landes, wie es hieß.

Ein Teil der neuen Mittel sei auch vorge­se­hen zur Unter­stüt­zung der ukrai­ni­schen Regie­rung «bei der Dokumen­ta­ti­on, Unter­su­chung und straf­recht­li­chen Verfol­gung der von den russi­schen Streit­kräf­ten began­ge­nen Gräueltaten».

Briti­scher Geheim­dienst vermu­tet fehlen­den Rückhalt in Bevölkerung

In den von Russland besetz­ten Gebie­ten in der Ukrai­ne findet der letzte Tag der Schein­re­fe­ren­den über einen Beitritt zu Russland statt. Die russi­sche Führung will nach Einschät­zung briti­scher Geheim­diens­te mit der erwar­te­ten Annexi­on ukrai­ni­scher Gebie­te den Angriffs­krieg vor der eigenen Bevöl­ke­rung recht­fer­ti­gen. Jegli­che Ankün­di­gung einer Einver­lei­bung der Gebie­te werde der Recht­fer­ti­gung von Russlands «spezi­el­ler Militär­ope­ra­ti­on» in der Ukrai­ne dienen und beabsich­ti­ge, die patrio­ti­sche Unter­stüt­zung des Konflik­tes zu festi­gen, hieß es am Diens­tag in einem Kurzbe­richt des briti­schen Verteidigungsministeriums.

Es sei damit zu rechnen, dass der russi­sche Präsi­dent Wladi­mir Putin am Freitag in einer Rede vor dem russi­schen Parla­ment die Annexi­on der Gebie­te im Osten und Süden der Ukrai­ne formell bekannt­ge­ben werde. Die briti­schen Geheim­diens­te gehen jedoch davon aus, dass die Russen Putins Pläne nicht so unter­stüt­zen werden wie von ihm erhofft. Die kürzli­che Teilmo­bil­ma­chung russi­scher Reser­vis­ten sowie das zuneh­men­de Wissen über die Rückschlä­ge in der Ukrai­ne dürften die Zustim­mung deutlich trüben, hieß es.