KIEW (dpa) — Russi­sche Luftan­grif­fe haben die Strom- und Wasser­ver­sor­gung der Ukrai­ne schwer getrof­fen. Überall wird fieber­haft repariert. In Kiew müssen die Menschen nun Strom sparen. Die News im Überblick.

Nach den schwe­ren russi­schen Raketen­an­grif­fen auf viele Großstäd­te der Ukrai­ne hat Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj den Wider­stands­wil­len seines Landes betont. «Die Ukrai­ne lässt sich nicht einschüch­tern, sie lässt sich nur noch mehr verei­nen», sagte er in seiner abend­li­chen Video­an­spra­che in Kiew.

Die Zahl der Todes­op­fer ist nach Behör­den­an­ga­ben inzwi­schen auf 19 gestie­gen. Mehr als 100 Menschen seien infol­ge der Einschlä­ge verletzt worden, teilten die ukrai­ni­schen Zivil­schutz­be­hör­den in Kiew mit. Zuvor war von 14 Toten die Rede gewesen. Es hande­le sich um vorläu­fi­ge Zahlen, hieß es.

Angesichts der von Russlands Präsi­dent Wladi­mir Putin angeord­ne­ten Eskala­ti­on des Angriffs­krie­ges versuch­te die Ukrai­ne weite­re inter­na­tio­na­le Hilfe zu mobili­sie­ren. Selen­skyj sprach mit US-Präsi­dent Joe Biden, Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) und anderen westli­chen Spitzen­po­li­ti­kern. Bei den UN forder­te die Ukrai­ne die Weltge­mein­schaft auf, die jüngs­te völker­rechts­wid­ri­ge Annexi­on ihrer Gebie­te im Süden und Osten durch Russland zu verurteilen.

Die Siebe­ner­grup­pe führen­der westli­cher Indus­trie­staa­ten (G7) will heute in einer Video­kon­fe­renz über die verschärf­ten russi­schen Angrif­fe auf zivile Ziele in der Ukrai­ne beraten. Für das angegrif­fe­ne Land ist es der 230. Kriegstag.

Selen­skyj filmt auf offener Straße in Kiew

«Die Besat­zer können uns auf dem Schlacht­feld nicht entge­gen­tre­ten und deshalb greifen sie zu diesem Terror», sagte Selen­skyj zu den Angrif­fen. Sein abend­li­ches Video wurde nicht, wie sonst üblich, im Präsi­di­al­amt aufge­zeich­net. Der Staats­chef stand nach eigenen Angaben an einer beschä­dig­ten Straßen­kreu­zung nahe der Univer­si­tät von Kiew. Hinter ihm waren Bagger, Lastwa­gen und anderes Räumge­rät zu sehen.

In vielen Städten seien die kommu­na­len Diens­te dabei, die unter­bro­che­ne Strom- und Wasser­ver­sor­gung zu reparie­ren, sagte Selen­skyj. Er rief die Bevöl­ke­rung auf, möglichst keine Geräte mit großem Verbrauch zu nutzen. «Je mehr Ukrai­ner Strom sparen, desto stabi­ler funktio­niert das Netz.» In der Haupt­stadt fiel der Verbrauch nach Angaben des Versor­gers Ukrener­go tatsäch­lich um gut ein Viertel niedri­ger aus als sonst an einem Herbst­abend. Die Kiewer Polizei verstärk­te in der Nacht ihre Patrouillen.

Putin nannte den Raketen­be­schuss eine Reakti­on auf angeb­li­che ukrai­ni­sche Angrif­fe gegen russi­sches Gebiet. Am Samstag hatte eine Explo­si­on die 19 Kilome­ter lange Brücke erschüt­tert, die Russland und die 2014 von Moskau annek­tier­te Schwarz­meer-Halbin­sel Krim verbindet.

Biden sagt fortdau­ern­de Unter­stüt­zung für Kiew zu

US-Präsi­dent Biden sagte der Ukrai­ne angesichts der massi­ven russi­schen Luftan­grif­fe fortdau­ern­de Unter­stüt­zung zu. Dazu gehör­ten auch weite­re moder­ne Flugab­wehr­sys­te­me, wie er in einem Telefo­nat mit Selen­skyj sagte. Bei den Rüstungs­lie­fe­run­gen habe Flugab­wehr derzeit die höchs­te Priori­tät, beton­te auch der ukrai­ni­sche Präsi­dent. Die USA sollten auch Führung zeigen bei einer harten Haltung der G7 und bei Unter­stüt­zung für eine Verur­tei­lung Russlands durch die UN-Vollver­samm­lung, schrieb er nach dem Gespräch auf Twitter.

In seinem Video liste­te Selen­skyj alle Gesprä­che mit inter­na­tio­na­len Partnern wegen der Raketen­an­grif­fe auf. Er habe mit Kanzler Scholz, Frank­reichs Präsi­dent Emmanu­el Macron, Polens Staats­chef Andrzej Duda und UN-General­se­kre­tär António Guter­res gespro­chen. Weite­re Gesprä­che gab es mit den Regie­rungs­chefs Justin Trudeau (Kanada), Mark Rutte (Nieder­lan­de) und Liz Truss (Großbri­tan­ni­en).

Ukrai­ne ruft Verein­te Natio­nen wegen Annexio­nen an

Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson — diese vier ukrai­ni­schen Gebie­te hat Moskau Ende Septem­ber zu Teilen Russlands erklärt. Die Ukrai­ne forder­te in einer Dring­lich­keits­sit­zung der UN-Vollver­samm­lung, die völker­rechts­wid­ri­ge Annexi­on zu verur­tei­len. «Die so genann­ten Referen­den standen in keiner Bezie­hung zu dem, was wir Ausdruck des Volks­wil­lens nennen — weder aus recht­li­cher noch aus techni­scher Sicht», sagte der ukrai­ni­sche UN-Botschaf­ter Serhij Kisli­zia. Er forder­te das größte UN-Gremi­um zu einer Resolu­ti­on auf, die von Russland verlangt, seine Handlun­gen rückgän­gig zu machen.

Russlands UN-Botschaf­ter Wassi­li Neben­s­ja beklag­te indes eine «gefähr­li­che Polari­sa­ti­on» bei den UN und eine Block­bil­dung, die die inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit unter­gra­be. Am Ende der Sitzung, die bis Mittwoch dauern könnte, soll das mit 193 Mitglied­staa­ten größte UN-Gremi­um über die Resolu­ti­on zur Verur­tei­lung Moskaus abstim­men. Das Votum gilt als globa­ler Stimmungs­test zum Ukraine-Krieg.

Kiese­wet­ter: Auch Deutsche auf länge­ren Krieg einstellen

Nach Ansicht des CDU-Außen­po­li­ti­kers Roderich Kiese­wet­ter müssen die Menschen in Deutsch­land erken­nen, dass Russlands Krieg gegen die Ukrai­ne länger dauern könnte. «Auch unsere Bevöl­ke­rung muss darauf einge­stellt werden, dass dieser Krieg womög­lich noch zwei Jahre gehen kann und dass er sich auswei­tet», sagte er dem Sender Welt.

Ex-Finanz­mi­nis­ter Wolfgang Schäub­le stimm­te die Menschen angesichts der Energie­kri­se auf Entbeh­run­gen im Winter ein. «Darüber muss man nicht jammern, sondern man muss erken­nen: Vieles ist nicht selbst­ver­ständ­lich», sagte Schäub­le dem Sender Bild-TV. Auch sollte man ein paar Kerzen, Streich­höl­zer und eine Taschen­lam­pe zu Hause haben — für den Fall eines Strom­aus­falls, riet der CDU-Politiker.

Das wird heute wichtig

Bei der G7-Video­kon­fe­renz nach den jüngs­ten russi­schen Angrif­fen wird auch Selen­skyj sprechen. In New York läuft die Dring­lich­keits­sit­zung der UN-Vollver­samm­lung zur illega­len Einver­lei­bung ukrai­ni­scher Gebie­te durch Russland weiter. In Brüssel infor­miert Nato-General­se­kre­tär Jens Stolten­berg über ein für Mittwoch und Donners­tag geplan­tes Treffen der Verteidigungsminister.

In St. Peters­burg trifft Russlands Präsi­dent Putin laut Kreml den Chef der Inter­na­tio­na­len Atomener­gie­be­hör­de (IAEA). Rafael Grossi verhan­delt nach eigenen Angaben mit Kiew und Moskau über eine Schutz­zo­ne um das von Russland einge­nom­me­ne ukrai­ni­sche Atomkraft­werk Saporischschja, um die Gefahr eines Unfalls zu bannen.