KIEW (dpa) — Kiew weiter­hin bedroht +++ USA verle­gen mehr Kampf­flug­zeu­ge und Solda­ten nach Osteu­ro­pa +++ UN-Welternäh­rungs­pro­gramm besorgt über globa­le Lage +++ Ameri­ka­ner könnten in Russland festge­hal­ten werden +++

Die russi­sche Ankün­di­gung, die Kampf­hand­lun­gen bei Kiew zu drosseln, ist in der Ukrai­ne und im Westen mit Skepsis aufge­nom­men worden.

«Diese Signa­le übertö­nen nicht die Explo­sio­nen russi­scher Geschos­se», sagte der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj in der Nacht zum Mittwoch. Das US-Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um sieht die russi­sche Ankün­di­gung als takti­sches Manöver und warnt vor einer neuen Militär­of­fen­si­ve in anderen Landesteilen.

Penta­gon-Sprecher John Kirby sagte, es sei bislang nur zu beobach­ten, dass sich «eine sehr kleine Zahl» russi­scher Truppen nördlich von Kiew von der ukrai­ni­schen Haupt­stadt wegbe­we­ge. «Wir sind nicht bereit, die russi­sche Begrün­dung zu glauben, dass es ein Abzug ist.» Es sei möglich, dass die Solda­ten dort nur abgezo­gen würden, um in einem anderen Teil der Ukrai­ne, etwa der umkämpf­ten östli­chen Donbass-Region, einge­setzt zu werden. «Wir glauben, dass es sich um eine Reposi­tio­nie­rung handelt, nicht um einen Abzug, und dass wir alle vorbe­rei­tet sein sollten, eine größe­re Offen­si­ve gegen andere Teile der Ukrai­ne zu erwarten.»

Kiew: Russi­scher Truppen­ab­zug nur Umgruppierung

Die ukrai­ni­sche Militär­füh­rung betrach­tet den Abzug russi­scher Truppen aus den Fronten nördlich von Kiew nur als Umgrup­pie­rung. Der «sogenann­te Truppen­ab­zug» sei eher eine Rotati­on von Einhei­ten, mit der die ukrai­ni­sche Militär­füh­rung getäuscht werden solle, erklär­te der ukrai­ni­sche General­stab. Das russi­sche Militär habe einige Einhei­ten aus der Umgebung von Kiew und Tscher­ni­hiw abgezo­gen, hieß es in dem Lagebe­richt weiter.

US-Minis­te­ri­um: «Bedro­hung für Kiew ist nicht vorbei»

Russland könne Kiew weiter aus der Ferne mit Raketen beschie­ßen, warnte Kirby. «Die Bedro­hung für Kiew ist nicht vorbei», sagte Kirby. Nach neuen Friedens­ge­sprä­chen mit der Ukrai­ne hatte Russland am Diens­tag zugesagt, seine Kampf­hand­lun­gen bei Kiew und Tscher­ni­hiw deutlich zurück­zu­fah­ren. Vize-Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Alexan­der Fomin sagte nach einem Treffen in Istan­bul, seine Regie­rung wolle so Vertrau­en aufbau­en und weite­re Verhand­lun­gen ermöglichen.

London: Russi­sche Offen­si­ve bei Kiew gescheitert

Die briti­sche Militär­auf­klä­rung betrach­tet die russi­sche Offen­si­ve zur Einkes­se­lung der ukrai­ni­schen Haupt­stadt Kiew als geschei­tert, wie aus einem Update des Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums hervor­geht. Zudem lasse die russi­sche Ankün­di­gung, den militä­ri­schen Druck auf Kiew zu senken, darauf schlie­ßen, dass Russland seine Initia­ti­ve in der Region verlo­ren habe.

Briti­sche Militär­ex­per­ten hielten es nun für «höchst wahrschein­lich», dass Russland seine Kampf­kraft aus dem Norden der Ukrai­ne in den Südos­ten verle­ge. Dort solle jetzt die Offen­si­ve in der Region Luhansk und Donezk verstärkt werden.

Selen­skyj: Streit­kräf­te einzi­ge Garan­tie für Überleben

«Die Vertei­di­gung der Ukrai­ne ist unsere Aufga­be Nummer eins, alles andere wird davon abgelei­tet», beton­te Selen­skyj in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. Nur auf dieser Grund­la­ge könne mit Russland weiter verhan­delt werden.

«Der Feind befin­det sich weiter­hin auf unserem Gebiet.» Reali­tät sei, dass die ukrai­ni­schen Städte weiter belagert und beschos­sen würden. Daher seien die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te «die einzi­ge Garan­tie für unser Überle­ben», sagte Selen­skyj. «Ukrai­ner sind nicht naiv.»

USA verle­gen weite­re Kampf­flug­zeu­ge und Solda­ten nach Osteuropa

Die US-Streit­kräf­te verle­gen angesichts des russi­schen Angriffs­kriegs in der Ukrai­ne weite­re Kampf­flug­zeu­ge, Trans­port­ma­schi­nen und Solda­ten nach Osteu­ro­pa. Eine Einheit von rund 200 Marine­infan­te­ris­ten aus den USA sei nach einem Manöver in Norwe­gen nach Litau­en verlegt worden, sagte der Sprecher des Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums, John Kirby.

Zudem würden aus den USA zehn Kampf­flug­zeu­ge vom Typ «F/A‑18 Hornet» und «ein paar» Trans­port­ma­schi­nen vom Typ «C‑130 Hercu­les» mit rund 200 dazuge­hö­ri­gen Solda­ten nach Osteu­ro­pa gebracht.

UN: Humani­tä­re Krise in Ukrai­ne «Katastro­phe auf Katastrophe»

Die humani­tä­re Krise in der Ukrai­ne als Folge des russi­schen Angriffs­kriegs ist nach Ansicht des Chefs des UN-Welternäh­rungs­pro­gramms, David Beasley, «eine Katastro­phe auf einer Katastro­phe». Bereits vor dem Krieg habe es beispiels­wei­se im Jemen oder an einigen Orten Afrikas schlim­me Hunger-Krisen gegeben, wo man nur mit großen Mühen ausrei­chend helfen habe können, sagte Beasley am Diens­tag dem UN-Sicher­heits­rat in New York.

Nun sei die Krise in der Ukrai­ne noch dazuge­kom­men. Das Land sei inner­halb weniger Wochen «vom Brotkorb zu Brot-Schlan­gen» verän­dert worden.

US-Minis­te­ri­um: Ameri­ka­ner könnten in Russland festge­hal­ten werden

In einer ungewöhn­lich harten Reise­war­nung hat das US-Außen­mi­nis­te­ri­um alle Ameri­ka­ner darauf hinge­wie­sen, dass sie bei Reisen in Russland von den dorti­gen Sicher­heits­be­hör­den festge­setzt werden könnten.

Angesichts der russi­schen Invasi­on in die Ukrai­ne sei «das Poten­zi­al für Beläs­ti­gung von US-Bürgern» durch russi­sche Sicher­heits­diens­te gestie­gen, ebenso wie das geziel­te Heraus­son­dern und Festset­zen von US-Bürgern, teilte das Minis­te­ri­um in der Reise­war­nung mit. «Alle US-Bürger, die in Russland wohnen oder reisen, sollten das Land umgehend verlas­sen», hieß es.

Das wird am Mittwoch wichtig

Bundes­ar­beits­mi­nis­ter Huber­tus Heil will bei einem Spitzen­tref­fen mit Arbeit­ge­bern und Gewerk­schaf­ten an diesem Mittwoch vor allem prakti­sche Fragen der Arbeits­markt­in­te­gra­ti­on ukrai­ni­scher Flücht­lin­ge lösen. Die «Wirtschafts­wei­sen» dürften ihre Konjunk­tur­pro­gno­se für dieses Jahr angesichts der Folgen des Ukrai­ne-Kriegs deutlich senken. Der Minis­ter für Wirtschaft und Klima­schutz, Robert Habeck, will nach der russi­schen Drohung mit einem Gaslie­fer­stopp eine Stellung­nah­me zur Energie­si­cher­heit abgeben. Der russi­sche Außen­mi­nis­ter Sergej Lawrow traf in China zu Gesprä­chen unter anderem über den Krieg in der Ukrai­ne ein.