KIEW/MOSKAU (dpa) — Eigent­lich gehen russi­sche Generä­le nicht vor Fernseh­ka­me­ras. Der neue Komman­deur im Ukrai­ne-Krieg hat es doch gemacht. Für einen Front­ab­schnitt zeich­net er ein düste­res Bild. Die News im Überblick.

Die russi­sche Armee rechnet mit einem massi­ven ukrai­ni­schen Angriff zur Befrei­ung der besetz­ten Stadt Cherson. «An diesem Front­ab­schnitt ist die Lage schwie­rig», sagte der neue Oberbe­fehls­ha­ber der russi­schen Truppen in der Ukrai­ne, Sergej Surowi­kin, im Fernse­hen. Es war ein ungewöhn­li­cher Auftritt des Armee­ge­ne­rals, der sogar nahezu­le­gen schien, dass Russland einen Rückzug aus der Stadt erwägen könnte. Surowi­kin sagte, dass «schwie­ri­ge Entschei­dun­gen» notwen­dig sein könnten.

Weil die russi­sche Armee die Ukrai­ne auch gestern mit Drohnen irani­scher Bauart beschoss, griff der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj in seiner abend­li­chen Anspra­che Moskau an: Er nannte den Einsatz der Waffen aus Teheran eine Bankrott­erklä­rung des Kremls. Nato-General­se­kre­tär Jens Stolten­berg sagte in Berlin, mit Luftab­wehr­waf­fen aus dem Ausland werde die Ukrai­ne sich bald gegen die Drohnen­an­grif­fe wehren können. Für das überfal­le­ne Land ist heute der 238. Kriegs­tag seit dem russi­schen Überfall vom Februar.

Selen­skyj: Drohnen­an­grif­fe werden Moskau nichts nützen

«Der russi­sche Hilfe­ruf an den Iran ist die Anerken­nung des militä­ri­schen und politi­schen Bankrotts durch den Kreml», sagte Selen­skyj in Kiew. Russland habe jahrzehn­te­lang Milli­ar­den Dollar in seinen militä­risch-indus­tri­el­len Komplex gesteckt, doch nun müsse es auf «ziemlich einfa­che Drohnen und Raketen» aus Teheran setzen.

Der Beschuss der Ukrai­ne mit ganzen Schwär­men dieser Drohnen mache den Russen vielleicht taktisch Hoffnung. «Strate­gisch wird es ihnen ohnehin nicht helfen», sagte Selen­skyj. Der Präsi­dent dankte allen Angehö­ri­gen der Luftver­tei­di­gung, die Raketen und Drohnen abgeschos­sen hätten. Er lobte dabei auch das Luftab­wehr­sys­tem Iris‑T aus Deutsch­land: «Das ist wirklich ein sehr effek­ti­ves System.»

Die russi­sche Armee hat in den vergan­ge­nen Tagen verstärkt Drohnen irani­scher Bauart vom Typ Schahed-136 auf die Energie­ver­sor­gung der Ukrai­ne, aber auch auf Städte abgeschos­sen. Dabei bestrei­ten sowohl Moskau wie Teheran ein Rüstungs­ge­schäft mit den Drohnen.

Nato-General­se­kre­tär: Luftab­wehr für Ukrai­ne wirkt schon

Zur Abwehr der Drohnen sagte die Nato der Ukrai­ne Geräte zu, die deren Elektro­nik stören — sogenann­te Jammer. Nato-General­se­kre­tär erinner­te bei einer Sicher­heits­kon­fe­renz in Berlin auch an andere Luftab­wehr­waf­fen aus vielen Ländern für die Ukraine.

«Ich denke, dass die Syste­me, die wir liefern, einen großen Unter­schied machen», sagte er. «Die Ukrai­ner sind in der Lage, viele anflie­gen­de Raketen und Drohnen abzuschie­ßen.» Und die Ausrüs­tung der Ukrai­ne werde sich in Zukunft noch verbessern.

Russi­scher Komman­deur geht erstmals vor Fernsehkamera

Der Fernseh­auf­tritt Surowik­ins war der erste dieser Art in fast acht Monaten Krieg, und der General zeich­ne­te ein düste­res Bild der Lage in und um Cherson in der Südukrai­ne. Die Ukrai­ne beschie­ße Wohnhäu­ser und die Infra­struk­tur der Stadt. Durch Artil­le­rie­tref­fer habe die Ukrai­ne die Übergän­ge über den Fluss Dnipro unpas­sier­bar gemacht. Das erschwe­re die Versor­gung der Stadt.

«Wir werden bedacht und recht­zei­tig handeln und schlie­ßen auch schwie­ri­ge Entschei­dun­gen nicht aus», sagte Surowi­kin. Vor allem diese Passa­ge wurde als Hinweis auf einen mögli­chen Rückzug verstan­den. Der Chef der russi­schen Besat­zungs­ver­wal­tung von Cherson, Wladi­mir Saldo, sagte, die Zivil­be­völ­ke­rung einiger Regio­nen auf dem nördli­chen rechten Ufer des Dnipro solle evaku­iert werden.

Die Stadt Cherson fiel im März als einzi­ge ukrai­ni­sche Gebiets­haupt­stadt in russi­sche Hand. Präsi­dent Wladi­mir Putin verkün­de­te im Oktober den Anschluss des Gebie­tes an Russland. Seit einigen Wochen rückt die ukrai­ni­sche Armee wieder vor. Die russi­schen Solda­ten auf dem rechten Ufer sind weitge­hend abgeschnitten.

General zu Ukrai­nern: Wir sind doch ein Volk!

Nach mehre­ren Rückschlä­gen für die russi­sche Armee hatte Putin Anfang Oktober Surowi­kin zum Oberbe­fehls­ha­ber über alle Truppen in der Ukrai­ne ernannt. «Wir und die Ukrai­ner sind ein Volk, und wir wollen nur, dass die Ukrai­ne ein von der Nato und vom Westen unabhän­gi­ger, mit Russland befreun­de­ter Staat ist», sagte der russi­sche General im Fernsehen.

Als Gegner sehe er das «verbre­che­ri­sche Regime» in Kiew, das auf westli­ches Geheiß die Ukrai­ner in den Tod treibe. Sehr viele Ukrai­ner können sich nach monate­lan­gen russi­schen Angrif­fen keine Freund­schaft mit dem Nachbar­land mehr vorstel­len. Selen­skjy fordert Sicher­heits­ga­ran­tien für sein Land zum Schutz vor Russland.

Wieder Mitar­bei­ter des AKW Saporischschja festgenommen

Im russisch besetz­ten Atomkraft­werk Saporischschja in der Ukrai­ne wurden erneut Mitar­bei­ter verschleppt, wie die Inter­na­tio­na­le Atomener­gie­be­hör­de (IAEA) in Wien berich­te­te. Ein stell­ver­tre­ten­der Leiter des AKWs und zwei weite­re Mitar­bei­ter seien vor kurzem festge­nom­men worden. Während der Manager wieder freige­las­sen worden sei, seien die anderen noch nicht in Freiheit, hieß es.

Zuvor war der Chef der Anlage vorüber­ge­hend von russi­scher Seite festge­hal­ten worden. Er kam Anfang Oktober wieder frei. Mehre­re IAEA-Exper­ten beobach­ten ständig die Lage im größten europäi­schen Atomkraftwerk.

Penta­gon spricht über Lösung für Satel­li­ten-Inter­net in der Ukraine

Obwohl Tech-Milli­ar­där Elon Musk die weite­re Finan­zie­rung des Satel­li­ten-Inter­nets für die Ukrai­ne zugesagt hat, verhan­delt das US-Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um auch mit anderen Anbie­tern über eine dauer­haf­te Lösung. Bisher habe man Musks Raumfahrt-Firma SpaceX nichts für den Betrieb des Inter­net-Diens­tes Starlink in der Ukrai­ne bezahlt, sagte ein Penta­gon-Sprecher in Washington.

Das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um sei in Gesprä­chen mit SpaceX sowie anderen Unter­neh­men, um zu sehen, wie Satel­li­ten-Inter­net dort am besten bereit­ge­stellt werden könne. SpaceX hatte kurz nach dem russi­schen Angriff den Satel­li­ten-Inter­net­dienst Starlink in der Ukrai­ne aktiviert und die nötigen Empfangs­an­la­gen gelie­fert. Die Kommu­ni­ka­ti­on ist wichtig für Zivilis­ten und das ukrai­ni­sche Militär. Vergan­ge­ne Woche hatte Musk kurzzei­tig mit einem Ende der Finan­zie­rung von Starlink für die Ukrai­ne gedroht.

Das wird heute wichtig

Russlands Präsi­dent Putin berät mit seinem Sicher­heits­rat über die Siche­rung der Grenzen des Riesen­reichs und die Migrationspolitik.