KIEW (dpa) – Die Ukrai­ne beklagt weiter russi­schen Kriegs­ter­ror durch Raketen und Drohnen. Präsi­dent Selen­skyj betont einen starken Wider­stand. Dagegen bietet Kreml­chef Putin wieder Verhand­lun­gen an. News kompakt.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj hat den Kampf seines Landes gegen den Aggres­sor Russland mit dem Wider­stand gegen die Nazis im Zweiten Weltkrieg vergli­chen. Russland verfol­ge wie einst der Nazis­mus diesel­ben Ziele, sagte Selen­skyj in einer in der Nacht zum Freitag in Kiew verbrei­te­ten Videobotschaft.

«Die Form des Bösen hat sich gewan­delt, aber das Wesen ist unver­än­dert», sagte Selen­skyj in einer in der Nacht zum Freitag in Kiew verbrei­te­ten Video­bot­schaft. Russland sei vom Nachbarn zum Aggres­sor und zum Terro­ris­ten gewor­den – und habe sich Kriegs­ver­bre­chen schul­dig gemacht.

Selen­skyj stand bei seinem Auftritt neben einer abgeschos­se­nen Kampf­droh­ne. Er sagte, immer wieder würden fried­li­che Städte mit Bomben und Raketen beschos­sen. Allein inner­halb der vergan­ge­nen zwei Tage habe es 30 russi­sche Angrif­fe mit irani­schen Drohnen gegeben. Davon seien 23 abgeschos­sen worden. Russland vermi­ne und beset­ze Kraft­wer­ke, stehle Getrei­de und verschlep­pe auch Kinder.

Mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg und den Kampf der Ukrai­ner gegen die Nazis damals sagte Selen­skyj, dass sich das «Böse nach 80 Jahren wieder aus der Asche» erhoben habe. Er beklag­te, dass der Aggres­sor Russland seit Beginn des Krieges 4500 Raketen auf die Ukrai­ne abgeschos­sen und insge­samt 8000 Luftan­grif­fe geflo­gen habe. Sein Land werde sich aber nicht brechen lassen. Der Staats­chef zeigte sich zuver­sicht­lich, dass der Eindring­ling kapitu­lie­ren und in die Flucht geschla­gen werde. Russland werde auch Repara­tio­nen zahlen; und die besetz­ten Gebie­te Cherson, Luhansk, Donezk und die Schwarz­meer-Halbin­sel Krim würden wieder frei sein.

«Russlands einzi­ge Taktik ist der Terror», sagte Selen­skyj. Das könne nur zu einer Nieder­la­ge führen. Angesichts der Strom­ab­schal­tun­gen im Zuge der zerstör­ten Energie­infra­struk­tur meinte er, dunkel sei nicht ein Leben ohne Licht, sondern ohne Freiheit. Auch den harten Winter würden die Ukrai­ner überste­hen. «Wir haben keine Angst vor der Dunkel­heit», sagte Selenskyj.

Putin bekräf­tigt Bereit­schaft zu Verhand­lun­gen mit Ukraine

Der russi­sche Präsi­dent Wladi­mir Putin bekräf­tig­te unter­des­sen nach mehr als acht Monaten Krieg gegen die Ukrai­ne seine Bereit­schaft zu Friedens­ver­hand­lun­gen. Aller­dings habe sich die Regie­rung in der Ukrai­ne unter dem Einfluss der USA gegen solche Gesprä­che entschie­den, sagte Putin am Donners­tag bei einem Moskau­er Diskus­si­ons­fo­rum mit inter­na­tio­na­len Exper­ten. Der Kreml­chef hatte Ende Septem­ber vier ukrai­ni­sche Regio­nen annek­tiert und bei einer Rede im Kreml auch Verhand­lun­gen angebo­ten. In Kiew lehnte Selen­skyj Gesprä­che mit Putin per Dekret ab.

Mit Blick auf den von ihm befoh­le­nen Überfall auf das Land sagte Putin, dass die Ukrai­ne ohne Rücksicht auf ihre Solda­ten kämpfe und deutlich höhere Verlus­te verzeich­ne als Russland. Zu den Gründen des Krieges sagte er einmal mehr, dass das Streben der Ukrai­ne in die Nato mit russi­schen Sicher­heits­in­ter­es­sen nicht verein­bar sei. Auch habe die Ukrai­ne damals einen mit Deutsch­land und Frank­reich verein­bar­ten Friedens­plan für den Donbass aufgekündigt.

Putin machte deutlich, dass er seinen Krieg in dem Nachbar­land auch als Kampf gegen einen «aggres­si­ven Westen» sehe, der versu­che, seine Regeln und libera­len Werte anderen aufzu­drü­cken. Die «tekto­ni­schen Verän­de­run­gen» in der Ukrai­ne zeigten, dass die von den USA angestreb­te Vormacht­stel­lung in einer monopola­ren Welt der Vergan­gen­heit angehöre.

Die «histo­ri­sche Periode» einer Dominanz des Westens neige sich dem Ende zu, meinte der 70-Jähri­ge. In der Diskus­si­on warf Putin den westli­chen Regie­run­gen auch «syste­ma­ti­sche Fehler» vor, die zu Energie- und wirtschaft­li­chen Krisen führten. Mit einem «Diktat» eines «neoko­lo­nia­len Westens» werde sich Russland nicht abfinden.

Es entstün­den etwa in Asien und Südame­ri­ka andere Macht­zen­tren und eine multi­po­la­re Welt, sagte Putin. «Der Westen ist nicht in der Lage, allein die Mensch­heit zu führen, so sehr er das verzwei­felt versucht.» Der Kreml­chef beton­te, dass Russland ein Inter­es­se an guten Bezie­hun­gen zu allen Ländern habe. «Russland ist kein Feind.»

US-Militär­stra­te­gie: Russland «akute» Bedrohung

Die US-Regie­rung sieht in ihrer neuen Militär­stra­te­gie Russland als «akute» Bedro­hung. Das Wort sei sorgfäl­tig gewählt worden, sagte Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Lloyd Austin bei der Vorstel­lung des Dokuments am Donners­tag. «Anders als China kann Russland die USA nicht auf lange Sicht syste­ma­tisch heraus­zu­for­dern», sagte Austin zur Begrün­dung. «Aber die russi­sche Aggres­si­on ist eine direk­te und schar­fe Bedro­hung unserer Inter­es­sen und Werte.»

China wurde als dauer­haft größte Bedro­hung einge­stuft. Es sei das einzi­ge Land, dass «sowohl die inter­na­tio­na­le Ordnung umbau­en will als auch zuneh­mend die Kraft dafür hat».

Zum Einsatz ameri­ka­ni­scher Atomwaf­fen heißt es, man werde dafür weiter­hin eine sehr hohe Schwel­le setzen. Die Strate­gie schreibt dabei aller­dings nicht fest, dass sie nur als Antwort auf einen nuklea­ren Angriff verwen­det werden sollen.

IAEA plant noch diese Woche Inspek­tio­nen in Ukraine

Die Inter­na­tio­na­le Atomener­gie­be­hör­de (IAEA) will nach den Vorwür­fen Russlands, Kiew plane im Krieg den Einsatz einer «schmut­zi­gen» Bombe, noch in dieser Woche einer Beobach­ter­mis­si­on in die Ukrai­ne entsen­den. Das sagte IAEA-Chef Rafael Grossi am Donners­tag laut einer Mittei­lung. Exper­ten der Organi­sa­ti­on würden in dieser Woche an zwei Stand­or­ten in der Ukrai­ne Nachprü­fun­gen durch­füh­ren, nachdem die ukrai­ni­sche Regie­rung schrift­lich um die Entsen­dung von Inspek­to­ren­teams gebeten habe. Putin hatte sich auch für die schnel­le Entsen­dung einer IAEA-Beobach­ter­mis­si­on in die Ukrai­ne ausgesprochen.

Was heute wichtig wird

Kreml­chef Putin leitet an diesem Freitag eine Sitzung des Rates der von Russland geführ­ten Militär­al­li­anz Organi­sa­ti­on des Vertrags über kollek­ti­ve Sicher­heit (OVKS). Dabei dürfte es einmal mehr auch um die Auswir­kun­gen des Krieges in der Ukrai­ne auf die Staaten der frühe­ren Sowjet­uni­on gehen.

Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er wird sich nach seiner Rückkehr aus Kiew zu den Heraus­for­de­run­gen im Zuge des russi­schen Kriegs gegen die Ukrai­ne äußern. Bei einer Veran­stal­tung mit der Deutschen Natio­nal­stif­tung in Berlin (11.00 Uhr) will er mit einer Rede den Zusam­men­halt der deutschen Gesell­schaft beschwören.