KIEW/ISTANBUL (dpa) — Russland stoppt die Verein­ba­rung für ukrai­ni­sche Getrei­de­ex­por­te — die drei anderen Partner UN, Türkei und Ukrai­ne machen einfach ohne Russen weiter. Wie wird Moskau reagie­ren? Die News im Überblick.

Die Getrei­de­ex­por­te aus der Ukrai­ne über das Schwar­ze Meer sollen weiter­lau­fen, obwohl Russland das siche­re Geleit für die Frach­ter aufge­kün­digt hat. Darauf haben sich die Delega­tio­nen der Verein­ten Natio­nen, der Türkei und der Ukrai­ne geeinigt, wie das Koordi­nie­rungs­zen­trum in Istan­bul mitteil­te. Die russi­sche Delega­ti­on in dem Zentrum sei von dem Ergeb­nis infor­miert worden.

Am Montag sollen demnach zwölf Schif­fe durch den festge­leg­ten Seekor­ri­dor aus der Ukrai­ne in Richtung Istan­bul fahren, vier Schif­fe fahren in Gegen­rich­tung. Unklar ist, wie Russland auf diesen fortge­setz­ten Schiffs­ver­kehr reagie­ren wird.

Auch die bisher von allen vier Partei­en gemein­sam in Istan­bul durch­ge­führ­ten Kontrol­len der Frach­ter sollen weiter­ge­hen. Für Montag sollen die UN und die Türkei zehn Teams stellen, um 40 warten­de Schif­fe abzufer­ti­gen. Die Ukrai­ner seien einver­stan­den, die Russen seien in Kennt­nis gesetzt worden, hieß es von den Verein­ten Nationen.

«Die Ukrai­ne wird von ihrer Seite alles tun, damit die Initia­ti­ve zum Getrei­de­ex­port weiter funktio­niert», sagte der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj in seiner Video­an­spra­che am Sonntag.

Russland sprach am Sonntag von angeb­li­chen Bewei­sen, dass die Ukrai­ne den humani­tä­ren Seekor­ri­dor für den Drohnen­an­griff auf die Schwarz­meer­flot­te in Sewas­to­pol am Vortag missbraucht habe. Über eine Rückkehr in die Getrei­de­ver­ein­ba­rung sei nicht zu reden, solan­ge dies nicht vollstän­dig aufge­klärt sei, sagte Vizeau­ßen­mi­nis­ter Andrej Ruden­ko. Moskau will diesen Angriff am Montag, dem 250. Kriegs­tag, auch vor den UN-Sicher­heits­rat in New York bringen.

Russlands Mitar­beit im Kontroll­zen­trum ruht — aber nicht ganz

Bei der Sitzung der vier Delega­tio­nen im Koordi­na­ti­ons­zen­trum habe die russi­sche Seite mitge­teilt, die Mitar­beit auf unbestimm­te Zeit auszu­set­zen, hieß es in der UN-Mittei­lung. Sie wolle aber den Dialog mit den UN und der Türkei über «drängen­de Fragen» fortset­zen. Die russi­schen Vertre­ter wollten sich am Rande auch betei­li­gen, wenn die Getrei­de­initia­ti­ve insge­samt rasche Entschei­dun­gen treffen müsse.

Die Initia­ti­ve war im Juli unter Vermitt­lung der Türkei und der UN verein­bart worden und hatte die monate­lan­ge Blocka­de der ukrai­ni­schen Getrei­de­aus­fuh­ren infol­ge des russi­schen Angriffs­kriegs beendet. Nach türki­schen Angaben sind seither 9,3 Millio­nen Tonnen Getrei­de verschifft worden. Verein­bart ist, dass die Schif­fe und ihre Fracht jeweils bei der Durch­fahrt durch die türki­sche Meerenge Bospo­rus kontrol­liert werden.

Ursprüng­lich galt das Abkom­men bis 19. Novem­ber. Es wäre aber, wenn keine Seite wider­spro­chen hätte, automa­tisch verlän­gert worden. Moskau hatte das Abkom­men zuletzt immer wieder kriti­siert, weil es sich infol­ge der Sanktio­nen des Westens bei den eigenen Getrei­de- und Dünge­mit­tel­ex­por­ten ausge­bremst sieht.

Angriff auf Sewas­to­pol trifft Russland

Der Heimat­ha­fen der russi­schen Schwarz­meer­flot­te in Sewas­to­pol auf der annek­tier­ten Halbin­sel Krim wurde am Samstag von Flug- und Schwimm­droh­nen angegrif­fen. Moskau spricht von einem Terror­akt und behaup­tet, dass die fernge­steu­er­ten Kampf­boo­te sich im Schutz des Seekor­ri­dors für die Getrei­de­ex­por­te bewegt hätten. Mindes­tens eine Drohne sei auf See von einem Getrei­de­schiff aus gestar­tet worden. Bewei­se wurden in einer Mittei­lung des russi­schen Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums vom Sonntag aber nicht angeführt.

So etwas könnten nur kranke Menschen behaup­ten, entgeg­ne­te der ukrai­ni­sche Staats­chef Selen­skyj in seiner Video­an­spra­che. «Aber diese kranken Menschen bringen die Welt erneut an den Rand einer schwe­ren Nahrungs­mit­tel­kri­se.» Für Russlands Kriegs­füh­rung gegen die Ukrai­ne bedeu­tet die Attacke, dass die Schwarz­meer­flot­te als Herzstück der Militär­macht auf der Krim nicht sicher ist.

Ukrai­ni­scher Präsi­dent berät mit seinen Militärs

Selen­skyj beriet am Sonntag erneut mit den Spitzen der Streit­kräf­te und der anderen Sicher­heits­or­ga­ne über den Fortgang des Abwehr­kamp­fes gegen Russland. Dabei sei es auch um die mögli­chen Pläne des Feindes für die kommen­de Zeit gegan­gen, sagte er, ohne Einzel­hei­ten zu nennen. Aller­dings sind auf solche Sitzun­gen des Oberkom­man­dos schon mehrfach Offen­si­ven der ukrai­ni­schen Streit­kräf­te gefolgt. «Wir arbei­ten täglich, um die Wieder­her­stel­lung der terri­to­ria­len Unver­sehrt­heit unseres Staates zu beschleu­ni­gen», sagte er.

Das wird am Montag wichtig

Der seit mehr als acht Monaten dauern­de russi­sche Angriffs­krieg auf die Ukrai­ne prägt auch den Besuch von Bundes­au­ßen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock in den zentral­asia­ti­schen Staaten Kasach­stan und Usbeki­stan. Die Grünen-Politi­ke­rin führt am Montag zunächst Gesprä­che in der kasachi­schen Haupt­stadt Astana. Kasach­stan ist ein großer Energie- und Rohstofflieferant.

Russlands Krieg stelle alle Nachfol­ge­staa­ten der Sowjet­uni­on vor die Frage, ob auch ihre Staat­lich­keit zur Dispo­si­ti­on gestellt werden könnte, sagte Baerbock. Um die Chancen zur Zusam­men­ar­beit zu nutzen, «müssen wir endlich damit voran­kom­men, Zentral­asi­en besser mit Europa zu vernetzen».