KIEW (dpa) — «Schmut­zi­ge Bombe»? Die Atomener­gie­be­hör­de beginnt nach russi­schen Vorwür­fen mit Unter­su­chun­gen in der Ukrai­ne. Selen­skyj verweist auf die jüngs­ten Erfol­ge der Flugab­wehr. News im Überblick.

Der Streit um die ukrai­ni­schen Getrei­de­ex­por­te über das Schwar­ze Meer dauert an. Russland hat seinen Ausstieg aus dem Getrei­de­ab­kom­men erklärt und will nicht hinneh­men, dass die anderen Betei­lig­ten — Verein­te Natio­nen, Türkei und Ukrai­ne — einfach weiter­ma­chen. Das russi­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um verlang­te von der Ukrai­ne zusätz­li­che Zusagen, den Seekor­ri­dor nicht militä­risch zu nutzen.

Die Ukrai­ne wieder­um hatte bis in die Nacht zum Diens­tag mit der Besei­ti­gung von Schäden zu tun, die russi­sche Raketen­an­grif­fe am Montag­mor­gen angerich­tet hatten. Erstmals seit zwei Wochen wurde auch wieder ein Ziel in der Haupt­stadt Kiew getrof­fen, wo große Teile der Wasser­ver­sor­gung ausfie­len. Laut Bürger­meis­ter Vitali Klitsch­ko sei sie aber inzwi­schen wieder hergestellt.

Nach russi­schen Vorwür­fen, Kiew wolle eine «schmut­zi­ge Bombe» einset­zen, began­nen Inspek­teu­re der Inter­na­tio­na­len Atomener­gie­be­hör­de (IAEA) unter­des­sen mit ihren geplan­ten Kontrol­len in der Ukrai­ne. Der Diens­tag ist für die Ukrai­ne der 251. Tag ihres Abwehr­kamp­fes gegen die russi­sche Invasion.

Moskau will Allein­gän­ge bei Getrei­de­ex­por­ten nicht dulden

Am Montag war ein Konvoi von mehr als einem Dutzend Getrei­de­frach­tern aus ukrai­ni­schen Häfen auf dem Schwar­zen Meer unter­wegs Richtung Bospo­rus — ohne Zustim­mung Russlands. Aber russi­sche Kräfte behin­der­ten den Konvoi auch nicht. Die Verein­ba­rung darüber war zwischen UN, Türkei und Ukrai­ne am Sonntag im Koordi­na­ti­ons­zen­trum der Getrei­de­ex­por­te in Istan­bul getrof­fen worden.

Moskau versuch­te, dieses Vorge­hen auf verschie­de­nen diplo­ma­ti­schen Ebenen zu verhin­dern. Die Verein­ba­rung könne «nicht ohne uns umgesetzt werden», sagte der russi­sche UN-Botschaf­ter Wassi­li Neben­s­ja bei einer Sitzung des UN-Sicher­heits­ra­tes in New York. Auch die Passa­ge der Getrei­de­schif­fe durch den Bospo­rus sei ohne russi­sche Betei­li­gung an den Kontrol­len nicht möglich. Aller­dings machen auch bei den Überprü­fun­gen der Schif­fe auf dem Weg in die Ukrai­ne und zurück die drei anderen Partner nun ohne Moskau weiter.

Zwischen den Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­en und den Außen­mi­nis­te­ri­en Russlands und der Türkei wurde am Montag telefo­niert. Das russi­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um warf der Ukrai­ne erneut vor, den geschütz­ten Seekor­ri­dor bei einem nächt­li­chen Drohnen­an­griff auf die Schwarz­meer­flot­te missbraucht zu haben.

UN-Nothil­fe­ko­or­di­na­tor: Nachts ist das Schwar­ze Meer frei

Dieser Auffas­sung trat in New York der UN-Nothil­fe­ko­or­di­na­tor Martin Griffiths entge­gen. «Wenn sich Schif­fe der Initia­ti­ve nicht in dem Gebiet befin­den, hat der Korri­dor keinen beson­de­ren Status», sagte er im Sicher­heits­rat. In der Nacht des angeb­li­chen Angriffs am Samstag seien auch keine Fracht­schif­fe in dem Seege­biet gewesen. «Der geschütz­te Schiffs­kor­ri­dor ist morgens um vier nicht offen.» Deshalb habe es keine Verlet­zung der Verein­ba­run­gen gegeben.

Klitsch­ko: Wasser­ver­sor­gung in Kiew läuft wieder

Nach dem russi­schen Raketen­be­schuss auf die Ukrai­ne ist die Wasser­ver­sor­gung in der Haupt­stadt Kiew nach Angaben von Bürger­meis­ter Vitali Klitsch­ko wieder herge­stellt. Exper­ten der kommu­na­len Dienst­leis­ter hätten auch die Strom­ver­sor­gung wieder instand­ge­setzt, teilte Klitsch­ko mit. Trotz­dem komme es zu Ausfäl­len, weil das Defizit im Energie­sys­tem nach den «barba­ri­schen Angrif­fen des Aggres­sors» vom Montag bedeu­tend sei.

Am Montag­abend hatte der Bürger­meis­ter mitge­teilt, dass es an 40 Prozent der Verbrauchs­stel­len noch kein Wasser gegeben habe und rund 250.000 Wohnun­gen ohne Strom seien. Er hatte da bereits eine Besse­rung der Lage in Aussicht gestellt, kündig­te aber auch Strom­spar­maß­nah­men an. Russland hatte die Ukrai­ne am Montag massiv mit Raketen beschos­sen und dabei beson­ders Energie­an­la­gen als Ziel im Visier.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj unter­strich nach dem Tag mit schwe­ren russi­schen Raketen­an­grif­fen die Erfol­ge der Flugab­wehr. Von etwa 50 russi­schen Marsch­flug­kör­pern und Raketen seien 45 abgeschos­sen worden, sagte er in seiner Video­bot­schaft. Sein Land brauche weite­re Waffen zur Abwehr der Angrif­fe aus der Luft, forder­te er. Schon jetzt müsse Russland für einen Treffer mehr Raketen einset­zen als früher.

Die russi­sche Armee verfolgt mit den Raketen­an­grif­fen seit Oktober eine neue Taktik und beschießt vor allem Anlagen der Energie­ver­sor­gung. Deshalb sagten viele Staaten Hilfe zur Verstär­kung der Flugab­wehr zu. Aus Deutsch­land traf das erste von vier Syste­men vom Typ Iris‑T ein, das die Ukrai­ner als sehr treff­si­cher loben.

Scholz und Selen­skyj telefonieren

Das Lob für die Iris‑T brach­te Selen­skyj auch in einem Telefo­nat mit Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) am Montag an. Es sei über weite­re Möglich­kei­ten gespro­chen worden, wie Deutsch­land die Ukrai­ne unter­stüt­zen könne, so Selen­skyj. Vor allem gehe es um die Erneue­rung der ukrai­ni­schen Infra­struk­tur nach den russi­schen Luftangriffen.

Scholz sagte nach Regie­rungs­an­ga­ben, Deutsch­land werde die Ukrai­ne politisch, finan­zi­ell und humani­tär bei der Vertei­di­gung ihrer Souve­rä­ni­tät unter­stüt­zen, «einschließ­lich bei Waffen­lie­fe­run­gen». Der Bundes­kanz­ler habe den «anhal­ten­den geziel­ten Beschuss» ziviler Infra­struk­tur durch die russi­schen Streit­kräf­te verur­teilt, sagte ein Sprecher. Scholz und Selen­skyj hätten dazu aufge­ru­fen, das Getrei­de­ab­kom­men unter Ägide der UN nicht zu gefähr­den, um die globa­le Ernäh­rungs­si­tua­ti­on nicht weiter zu belasten.

Bomben-Vorwurf: IAEA beginnt Inspek­tio­nen in der Ukraine

Die IAEA hat nach russi­schen Vorwür­fen, Kiew wolle eine «schmut­zi­ge Bombe» einset­zen, mit ihren geplan­ten Inspek­tio­nen in der Ukrai­ne begon­nen, wie Behör­den­chef Rafael Grossi mitteil­te. Überprüft werden demnach zwei Stand­or­te, um mögli­che nicht dekla­rier­te nuklea­re Aktivi­tä­ten und Materia­li­en aufzuspüren.

Der russi­sche Präsi­dent Wladi­mir Putin hatte der Ukrai­ne vorge­wor­fen, an einer atomar verseuch­ten Bombe zu arbei­ten. Kiew hatte die Vorwür­fe entschie­den demen­tiert und um eine IAEA-Missi­on gebeten. Grossi will noch in dieser Woche über die Ergeb­nis­se der Kontrol­len berichten.

Das wird am Diens­tag wichtig

Bundes­kanz­ler Scholz besucht ein Werk des Chemie­kon­zerns BASF in Schwarz­hei­de in der Lausitz. Dabei geht es auch um die wirtschaft­li­chen Folgen des russi­schen Angriffs­krie­ges gegen die Ukrai­ne. Die Chemie­bran­che ist einer der größten Verbrau­cher des knapp und teuer gewor­de­nen Erdgases.