KIEW (dpa) — Russland verschleppt angeb­lich ukrai­ni­sche Kinder. Nach Kiewer Angaben geht es um Tausen­de Fälle. Auch beim G20-Gipfel auf Bali ist der russi­sche Angriffs­krieg Hauptthema.

Das ukrai­ni­sche Militär wird nach Worten seines Oberkom­man­die­ren­den Walerij Saluschnyj keine Kompro­mis­se bei der Befrei­ung des Landes von der russi­schen Besat­zung akzeptieren.

Das teilte Saluschnjy nach einem Telefo­nat mit US-General­stabs­chef Mark Milley mit. «Unser Ziel ist es, das gesam­te ukrai­ni­sche Land von der russi­schen Besat­zung zu befrei­en», schrieb Saluschnyj am Montag auf Telegram. Der sonst zurück­hal­ten­de General positio­nier­te sich damit gegen verein­zelt geäußer­te Ratschlä­ge westli­cher Unter­stüt­zer, die Ukrai­ne solle eine Verhand­lungs­lö­sung nicht ausschließen.

Zum Gipfel­tref­fen der Zwanzi­ger-Gruppe großer Indus­trie- und Schwel­len­län­der (G20) ab Diens­tag in Indone­si­en mobili­siert die Ukrai­ne inter­na­tio­na­le Hilfe in einer schwie­ri­gen humani­tä­ren Frage: Es geht um die völker­recht­lich verbo­te­ne Verschlep­pung ukrai­ni­scher Kinder nach Russland. Betrof­fen seien mindes­tens um 11.000 Kinder, deren Namen bekannt seien, sagte Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj in seiner abend­li­chen Video­an­spra­che. «Aber das sind nur die, von denen wir wissen. In Wahrheit sind mehr verschleppt worden.» Für die Ukrai­ne ist Diens­tag der 265. Tag im Abwehr­kampf gegen die russi­sche Invasion.

UN legen Grund­la­ge für russi­sche Reparationszahlungen

Die UN-Vollver­samm­lung verab­schie­de­te am Montag eine Resolu­ti­on, die eine Grund­la­ge für künfti­ge Repara­ti­ons­zah­lun­gen Russlands an die Ukrai­ne legen soll. 94 Länder stimm­ten in New York für die Resolu­ti­on, damit kam die notwen­di­ge Zweidrit­tel­mehr­heit zusam­men. 73 Länder enthiel­ten sich, 14 stimm­ten dagegen — neben Russland unter anderem auch China, der Iran und Kuba. In dem Text wird die Ukrai­ne aufge­for­dert, Infor­ma­tio­nen über Kriegs­schä­den in einer Art Regis­ter zu dokumen­tie­ren. «Die Repara­ti­ons­zah­lun­gen, die Russland für seine Taten leisten muss, sind nun Teil der inter­na­tio­na­len Rechts­wirk­lich­keit», sagte Selenskyj.

Klare politi­sche Ansage des ukrai­ni­schen Oberkommandierenden

«Das ukrai­ni­sche Militär wird keine Verhand­lun­gen, Verein­ba­run­gen oder Kompro­miss­ent­schei­dun­gen akzep­tie­ren», schrieb der Oberkom­man­die­ren­de Saluschnyj. Er gilt als der Mann, der den erfolg­rei­chen Wider­stand der ukrai­ni­schen Armee gegen die russi­sche Invasi­on organi­siert hat. Seine Äußerun­gen zielten auf eine Diskus­si­on, die in den USA, aber auch in anderen Ländern geführt wird. Die Regie­rung von Präsi­dent Joe Biden hat klarge­stellt, sie werde die Ukrai­ne so lange und so stark wie notwen­dig unter­stüt­zen. Andere Stimmen raten dazu, Verhand­lun­gen nicht auszuschließen.

Saluschnjys Gesprächs­part­ner Milley hatte vergan­ge­ne Woche gesagt, sollten sich die Front­li­ni­en im Winter stabi­li­sie­ren, könnte es eine Chance geben, ein Ende des Konflikts auszu­han­deln. Auch Russland betont angesichts militä­ri­scher Nieder­la­gen wieder stärker seinen vorgeb­li­chen Willen zu Verhand­lun­gen. Aller­dings halten russi­sche Truppen trotz Gebiets­ver­lus­ten immer noch knapp ein Fünftel des Nachbar­lan­des besetzt. «Es gibt nur eine Bedin­gung für Verhand­lun­gen: Russland muss alle besetz­ten Gebie­te verlas­sen», schrieb Saluschnyj.

Ukrai­ne sucht nach verschlepp­ten Kindern

Über die nach Russland verschlepp­ten Kinder beriet der Leiter des Präsi­di­al­am­tes in Kiew, Andrij Jermak, in einer Online-Konfe­renz mit UN-General­se­kre­tär Antonio Guter­res und den Botschaf­tern der G20. «Unser Ziel ist, die gewalt­sa­me Verschlep­pung oder Depor­ta­ti­on von Kindern aus der Ukrai­ne in die Russi­sche Födera­ti­on zu stoppen», sagte Jermak. Es müsse alles getan werden, um diese Kinder zurück­zu­ho­len und sie mit ihren Famili­en zu verei­nen. Das russi­sche Militär und russi­sche Behör­den bestä­ti­gen durch­aus, dass Kinder aus der Ukrai­ne nach Russland geholt werden. Sie würden aus den Kampf­zo­nen in Sicher­heit gebracht oder kämen zur Behand­lung oder Erholung nach Russland.

Penta­gon: Russi­sche Truppen verschan­zen sich auf Dnipro-Ufer

Das US-Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um rechnet nach der Rückerobe­rung der Stadt Cherson durch die Ukrai­ne damit, dass sich russi­sche Truppen am gegen­über­lie­gen­den Ost-Ufer des Flusses Dnipro verschan­zen werden. Auf der östli­chen Fluss-Seite seien zehntau­sen­de russi­sche Solda­ten, beton­te ein rangho­her Penta­gon-Vertre­ter am Montag. «Unsere aktuel­le Einschät­zung ist, dass sie die Absicht haben, dieses Terri­to­ri­um unter ihrer Kontrol­le zu behal­ten.» Man habe derzeit keine Hinwei­se darauf, dass ukrai­ni­sche Einhei­ten den Fluss überquert hätten. Auf dem Ost-Ufer halten die Russen den Großteil des Gebiets Cherson.

Kiewer Verdienst­or­den für deutsche Journalisten

Die Ukrai­ne ehrt politi­sche und publi­zis­ti­sche Unter­stüt­zer aus dem Ausland mit Verdienst­or­den, darun­ter auch drei Journa­lis­ten des Sprin­ger-Verlags. Ausge­zeich­net werden «Welt»-Chefredakteur Ulf Posch­ardt, der stell­ver­tre­ten­de «Bild»-Chefredakteur Paul Ronzhei­mer und der verant­wort­li­che Redak­teur im «Bild»-Ressort Politik, Julian Röpcke. Das geht aus einem Erlass von Präsi­dent Selen­skyj hervor. Auch Journa­lis­ten aus Polen, Lettland, Itali­en und den USA wurden ausgezeichnet.

Das wird am Diens­tag wichtig

Russlands Krieg gegen die Ukrai­ne ist wichti­ges Thema auch beim G20-Gipfel auf der indone­si­schen Insel Bali. Dabei könnte es nach Angaben eines westli­chen Diplo­ma­ten so weit kommen, dass Moskau in der Abschluss­erklä­rung eine Passa­ge zur Verur­tei­lung des Krieges akzep­tiert. Der russi­sche Präsi­dent Wladi­mir Putin lässt sich auf Bali von Außen­mi­nis­ter Sergej Lawrow vertreten.