KIEW (dpa) — Nach dem Angriff auf einen ostukrai­ni­schen Bahnhof mit über 50 Toten fordert Selen­skyj entschie­de­ne Reaktio­nen. Er will ein vollstän­di­ges Embar­go auf russi­sches Öl und Gas. Die aktuel­len Entwicklungen.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj erwar­tet nach einem Angriff auf den Bahnhof in Krama­torsk mit mehr als 50 Toten eine entschie­de­ne Antwort der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft. Er forder­te ein vollstän­di­ges Embar­go auf russi­sches Öl und Erdgas.

Nach Ansicht des US-Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums versu­chen die russi­schen Streit­kräf­te ihre Einhei­ten nach Verlus­ten im Norden der Ukrai­ne wieder aufzu­bau­en. Zehntau­sen­de Reser­vis­ten könnten für den Einsatz im Osten des Landes mobili­siert werden.

Selen­skyj sagte in einer Video­bot­schaft am späten Freitag­abend, es seien die Energie­ex­por­te, die den Löwen­an­teil der Profi­te Russlands ausmach­ten. Sie ließen die russi­sche Führung glauben, dass die Welt die «Kriegs­ver­bre­chen» der russi­schen Armee ignorie­ren werde. Auch die russi­schen Banken müssten vollstän­dig vom globa­len Finanz­sys­tem abgekop­pelt werden.

Nach Ansicht des US-Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums sind die russi­schen Streit­kräf­te für den tödli­chen Raketen­an­griff auf den Bahnhof in Krama­torsk verant­wort­lich. Bei diesem kamen ukrai­ni­schen Angaben zufol­ge 52 Menschen ums Leben, 109 wurden verletzt. Russlands offizi­el­le Demen­tis in dieser Sache seien «nicht überzeu­gend», sagte der Sprecher des Penta­gons, John Kirby.

Washing­ton: Russi­sches Militär füllt geschwäch­te Einhei­ten wieder auf

Die russi­schen Streit­kräf­te bemühen sich nach Ansicht des US-Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums, ihre Einhei­ten nach Verlus­ten im Norden der Ukrai­ne mit neuem Materi­al und Solda­ten wieder aufzu­bau­en. Es gebe auch Berich­te, wonach die Einhei­ten, die nun im Osten der Ukrai­ne einge­setzt werden sollten, durch das Mobili­sie­ren «Zehntau­sen­der Reser­vis­ten» verstärkt werden sollten, sagte Penta­gon-Sprecher Kirby.

Er warnte, die Russen hätten trotz ihrer Verlus­te immer noch den Großteil ihrer in der Region gebün­del­ten Schlag­kraft für den Krieg zur Verfü­gung. Zudem werde sich das russi­sche Militär nun wohl auf den geogra­fisch deutlich kleine­ren Bereich des östli­chen Donbass konzentrieren.

Bünde­lung russi­scher Einhei­ten nahe Charkiw

Nach Angaben eines führen­den Vertre­ters des Penta­gon hat Russland bereits Tausen­de zusätz­li­che Solda­ten nahe der Grenze zur ukrai­ni­schen Stadt Charkiw zusam­men­ge­zo­gen. Die Zahl der takti­schen Batail­lo­ne in der Nähe der russi­schen Stadt Belgo­rod sei von 30 auf inzwi­schen 40 angestiegen.

Solche Batail­lo­ne bestehen typischer­wei­se aus etwa 600 bis 1000 Solda­ten. Der leiten­de Beamte des Minis­te­ri­ums sagte, es gebe Hinwei­se, dass die Russen hofften, «mehr als 60.000 Solda­ten» zu mobili­sie­ren. Im Donbass sei mit sehr inten­si­ven Kämpfen zu rechnen. «Das könnte sehr blutig und sehr hässlich werden», sagte er.

Ukrai­ni­sche Ombuds­frau berich­tet von Verge­wal­ti­gun­gen Minderjähriger

Die Menschen­rechts­be­auf­trag­te des ukrai­ni­schen Parla­ments, Ljudmy­la Denis­so­wa, hat russi­schen Solda­ten Verge­wal­ti­gun­gen Minder­jäh­ri­ger vorge­wor­fen. Ein 14 Jahre altes Mädchen aus dem Kiewer Vorort Butscha sei von fünf verschie­de­nen Männern missbraucht worden und jetzt schwan­ger, schrieb Denis­so­wa auf Facebook.

Auch ein ebenfalls aus Butscha stammen­der elfjäh­ri­ger Junge sei verge­wal­tigt worden. Die Angaben konnten zunächst nicht überprüft werden. Denis­so­wa appel­lier­te an die Verein­ten Natio­nen, diese und andere Kriegs­ver­bre­chen zu untersuchen.

Selen­skyj will rasch Frage­bo­gen zu EU-Beitritt beantworten

Die Ukrai­ne will binnen einer Woche einen Frage­bo­gen der Europäi­schen Union beant­wor­ten, der als Grund­la­ge für Beitritts­ge­sprä­che dient. Diesen hatte EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­ten Ursula von der Leyen am Freitag bei ihrem Besuch in Kiew Selen­skyj überreicht.

«Unsere Regie­rung wird die Antwor­ten quali­ta­tiv und sehr schnell vorbe­rei­ten. Ich denke, binnen einer Woche», sagte Selen­skyj in seiner tägli­chen Videoansprache.

USA machen Weg frei für höhere Zölle auf russi­sche Waren

Die US-Regie­rung kann künftig höhere Zölle auf impor­tier­te Waren aus Russland und Belarus erheben. US-Präsi­dent Joe Biden setzte mit seiner Unter­schrift ein vom Kongress beschlos­se­nes Gesetz in Kraft, mit dem die norma­len Handels­be­zie­hun­gen zu den beiden Ländern ausge­setzt werden. Zudem unter­zeich­ne­te Biden auch ein Gesetz, das den Import von russi­schem Öl verbietet.

Russland verbie­tet Arbeit partei­na­her deutscher Stiftungen

Russland hat die Arbeit mehre­rer partei­na­her deutscher Stiftun­gen und inter­na­tio­na­ler Menschen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen verbo­ten. Die Regis­trie­rung entzo­gen worden sei etwa der Heinrich-Böll-Stiftung, der Fried­rich-Ebert-Stiftung, der Konrad-Adenau­er-Stiftung und der Fried­rich-Naumann-Stiftung, teilte das Justiz­mi­nis­te­ri­um in Moskau mit.

Auch die Menschen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen Amnes­ty Inter­na­tio­nal und Human Rights Watch sowie neun weite­re Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen sind wegen angeb­li­cher «Verstö­ße gegen die gelten­de Gesetz­ge­bung der Russi­schen Födera­ti­on» betroffen.

UN-Organi­sa­tio­nen fordern Hilfe für in Ukrai­ne gestran­de­te Seeleute

Zwei Organi­sa­tio­nen der Verein­ten Natio­nen haben Hilfe für rund 1000 in ukrai­ni­schen Gewäs­sern auf Handels­schif­fen festsit­zen­de Seeleu­te gefor­dert. Die Weltschiff­fahrts­or­ga­ni­sa­ti­on IMO und die UN-Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on ILO baten das Inter­na­tio­na­le Komitee des Roten Kreuzes, Ärzte ohne Grenzen und das UN-Flücht­lings­hilfs­werk UNHCR, die 86 dort gemel­de­ten Schif­fe mit lebens­not­wen­di­gen Gütern für ihre Seeleu­te zu versor­gen, wie es in einer gemein­sa­men Mittei­lung hieß.

Das wird heute wichtig

In Polen findet eine inter­na­tio­na­le Geber­kon­fe­renz statt, um Geld für Flücht­lin­ge aus der Ukrai­ne und Vertrie­be­ne inner­halb des Landes zu sammeln. Die Gelder sollen unter anderem an Program­me der Verein­ten Natio­nen und örtli­che Hilfs­in­itia­ti­ven gehen.

Der öster­rei­chi­sche Bundes­kanz­ler Karl Neham­mer wird in Kiew zu einem Solida­ri­täts­be­such erwar­tet. Er soll Präsi­dent Selen­skyj, Premier­mi­nis­ter Denys Schmyhal und Bürger­meis­ter Vitali Klitsch­ko treffen.