KIEW/DNIPRO (dpa) — 40 Tote fordert der russi­sche Raketen­an­griff auf ein Wohnhaus in Dnipro — mindes­tens. Präsi­dent Selen­skyj will die Schul­di­gen bestra­fen und fordert mehr Waffen aus dem Westen. Die News im Überblick.

Nach dem verhee­ren­den Einschlag einer russi­schen Rakete in ein Wohnhaus in der Indus­trie­stadt Dnipro bleiben die vielen zivilen Opfer das beherr­schen­de Thema in der Ukrai­ne. Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj will die Schul­di­gen bestra­fen und forder­te mehr Waffen aus dem Westen, wobei er die Zusage briti­scher Panzer­lie­fe­run­gen als positi­ves Beispiel nannte. Die russi­sche Führung wies jede Schuld am Beschuss des Wohnhau­ses von sich.

Selen­skyj lobt briti­sche Panzerlieferungen

Selen­skyj verwies auf Großbri­tan­ni­ens Hilfs­zu­sa­ge an die Ukrai­ne, der andere Länder folgen sollten. «Ein neues Vertei­di­gungs­hil­fe­pa­ket wurde angekün­digt — genau das, was benötigt wird: Kampf­pan­zer, andere gepan­zer­te Fahrzeu­ge und Artil­le­rie», sagte der ukrai­ni­sche Präsi­dent gestern Abend in seiner tägli­chen Videoansprache.

Er erwar­te Entschei­dun­gen über weite­re Waffen­lie­fe­run­gen vom Weltwirt­schafts­fo­rum in Davos, das heute beginnt, und von der Konfe­renz der sogenann­ten Ukrai­ne-Kontakt­grup­pe aus westli­chen Verbün­de­ten des Landes, die am Freitag im rhein­land-pfälzi­schen Ramstein zusammentritt.

Selen­skyj zufol­ge starben am Wochen­en­de beim Einschlag einer russi­schen Rakete in das Wohnhaus in Dnipro etwa 40 Menschen. Immer noch gelten etwa zwei Dutzend als vermisst. Die Ukrai­ne werde alles daran setzen, die Schul­di­gen zu finden und vor Gericht zu stellen, sagte Selen­skyj. UN-General­se­kre­tär Antonio Guter­res verur­teil­te jegli­che Angrif­fe auf Zivilis­ten und zivile Infra­struk­tur in einer Stellung­nah­me als völkerrechtswidrig.

Der Kreml wies jegli­che Verant­wor­tung für den folgen­schwe­ren Raketen­tref­fer und die vielen Todes­op­fer von sich. «Russlands Streit­kräf­te greifen keine Wohnge­bäu­de oder Objek­te der sozia­len Infra­struk­tur an», sagte gestern Kreml­spre­cher Dmitri Peskow. Vertre­ter der ukrai­ni­schen Seite hätten selbst erklärt, dass die «Tragö­die» am Wochen­en­de durch die ukrai­ni­sche Luftab­wehr verur­sacht worden sei.

Peskow spiel­te dabei offen­sicht­lich auf Aussa­gen des Beraters im ukrai­ni­schen Präsi­den­ten­bü­ro, Olexij Aresto­wytsch, an. Dieser hatte den Abschuss einer russi­schen Rakete durch die Flugab­wehr als eine mögli­che Ursache für die Katastro­phe genannt.

Unbekann­te legen in Moskau Blumen für Opfer von Dnipro nieder

Unbekann­te legten in Moskau nach dem verhee­ren­den Raketen­ein­schlag Blumen an einem Denkmal nieder. «In Moskau haben Menschen Blumen und Spiel­zeu­ge im Andenken an die Toten von Dnipro gebracht», berich­te­te gestern das opposi­tio­nel­le Inter­net-Portal «Astra». Das Denkmal im Zentrum der russi­schen Haupt­stadt erinnert an die ukrai­ni­sche Dichte­rin Lessja Ukrajin­ka. Dort war auch ein gerahm­tes Foto des zerstör­ten Wohnhau­ses in Dnipro zu sehen.

Die heftigs­te russi­sche Angriffs­wel­le seit dem Jahres­wech­sel hatte sich am Wochen­en­de erneut vor allem gegen die ukrai­ni­sche Energie­infra­struk­tur gerich­tet. Präsi­dent Selen­skyj warf den Menschen in Russland darauf­hin «feiges Schwei­gen» zu den Angrif­fen vor.

Selen­skyj dringt auf schnel­le Waffenlieferungen

Den Westen mahnte er zu Eile bei der Liefe­rung der von Kiew gewünsch­ten Panzer. Russlands Attacke auf Dnipro und die neuen Versu­che der Angrei­fer, im Krieg die Initia­ti­ve zu ergrei­fen, erfor­der­ten «neue Lösun­gen» und schnel­le­re Entschei­dun­gen. Selen­skyj verwies auf starke russi­sche Truppen­kon­zen­tra­tio­nen im Donbass, spezi­ell um die Städte Bachmut und Soledar, aber auch im Süden der Ukrai­ne. «Wir werden sehen, was Russland hier vorbe­rei­tet», sagte er.

Telefo­nat mit Erdogan: Putin erhebt Vorwür­fe gegen Ukraine

Kreml­chef Wladi­mir Putin telefo­nier­te mit dem türki­schen Präsi­den­ten Recep Tayyip Erdogan und machte dabei die ukrai­ni­sche Seite für die jüngs­te Verschär­fung der Kämpfe verant­wort­lich. Sie setze «mithil­fe der westli­chen Sponso­ren» auf eine Inten­si­vie­rung der Kämpfe, teilte der Kreml gestern nach dem Telefo­nat mit. Kiew zeige fehlen­den Verhand­lungs­wil­len — etwa mit der Ableh­nung einer von Putin für den Zeitraum des ortho­do­xen Weihnachts­fests Anfang Januar angeord­ne­ten Waffenruhe.

Die Ukrai­ne hatte den Vorstoß aus Moskau als Heuche­lei abgelehnt, und auch viele inter­na­tio­na­le Beobach­ter sprachen von einer reinen Propa­gan­da-Geste Putins. Geschos­sen wurde in der Zeit weiter von beiden Seiten. Die Ukrai­ne hat immer wieder betont, verhand­lungs­be­reit zu sein — aller­dings nur, wenn russi­sche Solda­ten völker­rechts­wid­rig besetz­tes Gebiet zurückgeben.

In Putins Gespräch mit Erdogan sei es zudem auf Anregung der türki­schen Seite um weite­re Gefan­ge­nen­aus­tau­sche zwischen Russland und der Ukrai­ne gegan­gen, teilte der Kreml mit. Die Zeitung «Hürri­y­et» berich­te­te unter Berufung auf den türki­schen Ombuds­mann Seref Malkoc, es gehe bei dem Austausch um rund 800 Ukrai­ner und 200 Russen. Details dazu waren nicht bekannt.

Was heute wichtig wird

Präsi­dent Selen­skyj unter­hält sich heute Nachmit­tag (15.00 Uhr) mit Studie­ren­den der Europa­uni­ver­si­tät Viadri­na in Frank­furt (Oder) und der Humboldt Univer­si­tät in Berlin — per Internet-Schalte.

Polens Präsi­dent Andrzej Duda will beim Weltwirt­schafts­fo­rum in Davos die Liefe­rung von Leopard-Kampf­pan­zern an die Ukrai­ne zum Thema machen. Das verlau­te­te nach einem Bericht der polni­schen Nachrich­ten­agen­tur PAP gestern aus seinem Umfeld. Duda wolle bei dem Treffen in den Schwei­zer Alpen um Unter­stüt­zung für das Vorha­ben werben, Leopard-Panzer im europäi­schen Verbund zu liefern.