KIEW (dpa) — Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Selen­skyj appel­liert, den Druck auf Moskau zu erhöhen. Kiew rechnet nicht mit einem baldi­gen Treffen mit Putin zu Friedens­ver­hand­lun­gen. Verhand­lun­gen. Die Entwick­lun­gen im Überblick.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj hat seine Forde­rung nach einem Import­stopp von Öl aus Russland bekräftigt.

«Wenn die Tyran­nei eine Aggres­si­on gegen alles gestar­tet hat, worauf der Frieden in Europa ruht, müssen wir sofort handeln», sagte er in einer Video­bot­schaft. Ukrai­ni­schen Angaben zufol­ge kamen bei russi­schen Angrif­fen an mehre­ren Orten des Landes viele Zivilis­ten ums Leben, etliche wurden verletzt.

Die Ukrai­ne rechnet nicht mit einem baldi­gen Treffen von Selen­skyj mit seinem russi­schen Kolle­gen Wladi­mir Putin zu Verhand­lun­gen über ein Ende des Krieges. «Zu sagen, dass sie sich in einer Woche, in zwei Wochen treffen werden — nein, das wird so nicht passie­ren», sagte Präsi­den­ten­be­ra­ter Mycha­j­lo Podol­jak im ukrai­ni­schen Fernsehen.

Ukrai­ne spricht von Toten und Verletzten

Durch Beschuss in der Region Donezk ukrai­ni­schen Angaben zufol­ge mindes­tens fünf Zivilis­ten getötet und fünf weite­re verletzt. Die örtli­che Militär­ver­wal­tung machte Russland dafür verant­wort­lich. Auch im nordöst­li­chen Gebiet Charkiw habe die russi­sche Artil­le­rie am Samstag Siedlun­gen beschos­sen, teilten ukrai­ni­sche Behör­den mit. Dabei seien mindes­tens zwei Menschen getötet und ein Mensch verletzt worden. Ukrai­ni­sche Kräfte hätten bei Angrif­fen auf russi­sche Truppen am Samstag unter anderem 80 Solda­ten getötet sowie drei Panzer und je ein Flugzeug und einen Hubschrau­ber zerstört.

Luhansk-Gouver­neur: Russen-Angriff «eine Frage von Tagen»

Der Gouver­neur des Gebiets Luhansk geht von einer baldi­gen Offen­si­ve der Russen im Osten der Ukrai­ne aus. «Es ist eine Frage von Tagen», sagte Serhij Hajdaj der italie­ni­schen Zeitung «Corrie­re della Sera». «Sie stellen sich an der Grenze neu auf und bombar­die­ren uns weiter. Sie kennen keine Moral mehr: Sie machen Kranken­häu­ser, Schulen und Häuser dem Erdbo­den gleich.» Der russi­sche Präsi­dent Wladi­mir Putin hatte beide als unabhän­gi­ge Staaten anerkannt und danach einen Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne begonnen.

Auf die Frage, was nun bevor­ste­he, sagte Hajdaj: «Die Hölle.» Er erinner­te an Butscha oder Mariu­pol, wo seit Wochen schlim­me Angrif­fe und Kriegs­ver­bre­chen beobach­tet werden. «Bei uns wird es noch viel schlim­mer», sagte der Gouver­neur. Anders als in anderen Teilen des Landes gebe es in Luhansk für die Ukrai­ner kaum noch Bunker, in denen sie Schutz suchen können. «Wir verste­cken uns in den Kellern. Ich versu­che, alle meine Mitbür­ger zu überzeu­gen, von hier weg zu gehen.»

Zivilis­ten als Schutz­schil­de — Briten sehen Beweise

Nach Erkennt­nis­sen des briti­schen Geheim­diens­tes gibt es nach dem russi­schen Abzug aus dem Norden der Ukrai­ne Bewei­se, dass nicht am Kampf­ge­sche­hen betei­lig­te Menschen auf unver­hält­nis­mä­ßi­ge Weise zur Zielschei­be gewor­den sind. Es gebe Massen­grä­ber, Geiseln seien als mensch­li­che Schutz­schil­de gebraucht und zivile Infra­struk­tur vermint worden, teilte das briti­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um in der Nacht zum Sonntag bei Twitter mit.

Zudem versucht Moskau nach briti­schen Erkennt­nis­sen, seine zuneh­men­den Verlus­te an Solda­ten im Ukrai­ne-Krieg mit dem Einsatz frühe­rer Militär­be­diens­te­ter aufzu­fan­gen. Die russi­schen Streit­kräf­te bemüh­ten sich darum, ihre Truppen­stär­ke durch Perso­nal aufzu­sto­cken, das in den vergan­ge­nen zehn Jahren aus dem Militär­dienst ausge­schie­den ist, teilt das briti­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um auf Twitter mit. Zu den Bemühun­gen, mehr Kampf­kraft zu gewin­nen, gehöre auch der Versuch, Kräfte in der von russi­schen Separa­tis­ten kontrol­lier­ten Region Trans­nis­tri­en in der Republik Moldau zu rekrutieren.

Ukrai­ne stellt Handels­be­zie­hun­gen mit Russland ein

Wegen des Angriffs­kriegs verhäng­te die Ukrai­ne unter­des­sen ein Handels­em­bar­go gegen Russland. «Das ist die juris­ti­sche Veran­ke­rung der fakti­schen Einstel­lung der Handels­be­zie­hun­gen mit der Russi­schen Födera­ti­on vom 24. Febru­ar», sagte Wirtschafts­mi­nis­te­rin Julia Swyry­den­ko gemäß dem Öffent­lich-Recht­li­chen Rundfunk. Die Regie­rung schätzt die Verlus­te Moskaus aus dem Boykott auf umgerech­net rund 5,5 Milli­ar­den Euro. Ein Teilim­port­stopp für russi­sche Waren gilt bereits seit 2015. Kiew trans­por­tiert aber weiter täglich mehr als 100 Millio­nen Kubik­me­ter russi­schen Erdga­ses nach Westen.

Moskau: Hundert­tau­sen­de nach Russland geflüchtet

Nach Militär­an­ga­ben in Moskau sollen mehr als 700.000 Menschen aus den Separa­tis­ten­ge­bie­ten Donezk und Luhansk sowie anderen Teilen der Ukrai­ne seit dem 24. Febru­ar nach Russland evaku­iert worden sein. Allein am Samstag hätten knapp 27.000 Menschen die umkämpf­ten Regio­nen Richtung Russland verlas­sen, sagte General­oberst Michail Misin­zew vom russi­schen Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um. Aus der seit Anfang März umkämpf­ten südukrai­ni­schen Hafen­stadt Mariu­pol seien 134.000 Menschen geret­tet worden. Die Zahlen sind nicht unabhän­gig zu prüfen.

Vier Straf­an­zei­gen bei Autokor­so in Lübeck

Die Polizei in Lübeck stopp­te am Samstag einen Autokor­so, weil Teilneh­mer eine Billi­gung des russi­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne gezeigt hätten. Demnach seien auch Kennzei­chen verfas­sungs­wid­ri­ger Organi­sa­tio­nen verwen­det worden, teilte die Polizei in der Nacht mit. Eigent­lich hatte die Demons­tra­ti­on im Stadt­teil St. Lorenz mit Bezug auf den Krieg in der Ukrai­ne unter dem Motto «Gegen den Hass!», statt­ge­fun­den. Etwa 150 Menschen hatten sich dazu am Nachmit­tag versam­melt und nach einer Auftakt­kund­ge­bung den Korso aus 60 Fahrzeu­gen gestartet.

Der ukrai­ni­sche Botschaf­ter Andrij Melnyk fordert ein Verbot russi­scher Fahnen und anderer staat­li­cher Symbo­le bei pro-russi­schen Demons­tra­tio­nen in Deutsch­land. «Das Tragen aller offizi­el­len Symbo­le eines Aggres­sor-Staates — wie der russi­schen Fahne — müsste per Gesetz verbo­ten werden, solan­ge Russland diesen Vernich­tungs­krieg gegen die ukrai­ni­sche Nation führt», sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur. Das Zeigen der russi­schen Symbo­le habe nichts mit Meinungs­frei­heit zu tun, sondern mit «Verherr­li­chung einer barba­ri­schen Aggres­si­on» mitten in Europa. Er werde darüber «sehr konkre­te Gesprä­che» mit der Bundes­re­gie­rung führen, kündig­te Melnyk an.

In mehre­ren deutschen Städten sind prorus­si­sche Demons­tra­tio­nen und pro-ukrai­ni­sche Gegen­ver­an­stal­tun­gen geplant. So soll in Frank­furt eine Kundge­bung unter stren­gen Aufla­gen statt­fin­den — aber kein Autokor­so. Laut der Stadt werden bis zu 2000 Teilneh­mer erwar­tet. Die Polizei will die Demons­tra­ti­on «engma­schig beglei­ten» und Verstö­ße ahnden. Mehre­re Gruppie­run­gen rufen zu Gegen­de­mons­tra­tio­nen auf.