DNIPRO/KIEW/MOSKAU (dpa) — In Dnipro wurde nach einem Raketen­ein­schlag die Suche nach Verschüt­te­ten einge­stellt. Zwar werden noch immer Bewoh­ner vermisst — doch sie dürften nicht mehr leben. Die aktuel­len Entwicklungen.

Nach dem verhee­ren­den Einschlag einer russi­schen Rakete in ein Hochhaus der ukrai­ni­schen Stadt Dnipro am vergan­ge­nen Wochen­en­de haben die Einsatz­kräf­te die Suche nach Verschüt­te­ten eingestellt.

Noch immer würden 20 Menschen vermisst, teilte der Zivil­schutz mit. «Die Chancen, jeman­den zu finden, tendie­ren leider gegen null», sagte Bürger­meis­ter Borys Filatow.

Mindes­tens 45 Menschen wurden in der Großstadt im zentralukrai­ni­schen Gebiet Dnipro­pe­trowsk getötet, darun­ter 6 Kinder. Etwa 80 Menschen wurden verletzt.

Auch mit Blick auf die Ereig­nis­se in Dnipro kündig­te der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj in seiner Video­an­spra­che in der Nacht zum Mittwoch an, bei seinem bevor­ste­hen­den Auftritt beim Weltwirt­schafts­fo­rum im schwei­ze­ri­schen Davos alles dafür zu tun, damit der inter­na­tio­na­le Druck auf Russland weiter erhöht wird.

Moskaus UN-Vertre­ter gibt Kiew Schuld für Raketeneinschlag

Russlands UN-Vertre­ter Wassi­li Neben­s­ja bestritt Moskaus Verant­wor­tung für den tödli­chen Raketen­ein­schlag in Dnipro erneut und schob die Schuld Kiew zu. «Kräfte der ukrai­ni­schen Flugab­wehr haben die russi­sche Rakete, die auf ein Objekt der Energie­infra­struk­tur zielte, abgeschos­sen», sagte Neben­s­ja auf der Sitzung des UN-Sicher­heits­rats am Diens­tag­abend in New York. Dabei habe die Flugab­wehr der Ukrai­ner in einem Wohnvier­tel gestan­den, was gegen inter­na­tio­na­le Normen versto­ße. Deshalb sei auch die Rakete auf ein Wohnhaus gestürzt, sagte der Top-Diplo­mat. Kiew bestrei­tet den Abschuss.

Kraft­werks­blö­cke durch russi­sche Raketen beschädigt

Auch in anderen Teilen der Ukrai­ne leiden die Menschen weiter unter den Folgen der folgen­reichs­ten russi­schen Angriffs­wel­le seit Jahres­be­ginn. Die russi­schen Raketen­at­ta­cken vom Samstag vergan­ge­ner Woche gehör­ten ukrai­ni­schen Angaben zufol­ge auch mit Blick auf die Energie­ver­sor­gung zu den verhee­rends­ten seit Kriegs­be­ginn. Durch den Angriff seien acht Blöcke von Wärme­kraft­wer­ken im Westen des Landes und einer im Osten beschä­digt worden, teilte Regie­rungs­chef Denys Schmyhal mit. Darüber hinaus seien drei Umspann­wer­ke und eine Hochspan­nungs­lei­tung getrof­fen worden. Die Folge seien Notab­schal­tun­gen aufgrund eines erhöh­ten Energiedefizits.

Betrof­fen von der bislang heftigs­ten Angriffs­wel­le in diesem Jahr waren am vergan­ge­nen Wochen­en­de unter anderem die Region um die Haupt­stadt Kiew sowie Charkiw im Osten. In der zentralukrai­ni­schen Stadt Dnipro starben zudem mindes­tens 45 Menschen durch einen russi­schen Raketen­ein­schlag in ein Wohnhaus.

Pisto­ri­us: Deutsch­land «indirekt» an Krieg beteiligt

Deutsch­land ist nach Worten des designier­ten Vertei­di­gungs­mi­nis­ters Boris Pisto­ri­us «indirekt» am Krieg in der Ukrai­ne betei­ligt. «Das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um ist schon in zivilen, in Friedens­zei­ten eine große Heraus­for­de­rung und in Zeiten, in denen man als Bundes­re­pu­blik Deutsch­land an einem Krieg betei­ligt ist, indirekt, noch einmal beson­ders», sagte der SPD-Politi­ker in Hanno­ver mit Blick auf seine künfti­ge Aufgabe.

Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er versprach der Ukrai­ne im Kampf gegen den russi­schen Aggres­sor weite­re Hilfe. «Wir unter­stüt­zen die Ukrai­ne politisch, humani­tär, finan­zi­ell, militä­risch — mit dem, was wir können, und dem, was notwen­dig ist, in Abstim­mung mit unseren Verbün­de­ten», sagte Stein­mei­er in einem Video-Telefo­nat zu Selenskyj.

Nieder­lan­de wollen Patri­ot-System in die Ukrai­ne schicken

Neben Deutsch­land und den USA wollen auch die Nieder­lan­de der Ukrai­ne das Luftab­wehr­sys­tem Patri­ot zur Verfü­gung stellen. Das sagte Minis­ter­prä­si­dent Mark Rutte während eines Besuchs bei US-Präsi­dent Biden in Washing­ton. Am 5. Januar hatte die Bundes­re­gie­rung bekannt­ge­ge­ben, dass sie der Ukrai­ne nach Abspra­chen mit der US-Regie­rung mehre­re Dutzend Schüt­zen­pan­zer vom Typ Marder sowie ein Patri­ot-Flugab­wehr­sys­tem zur Verfü­gung stellen werde.

Biden und Scholz telefo­nie­ren erneut wegen Ukraine-Kriegs

Biden telefo­nier­te zudem mit Bundes­kanz­ler Olaf Scholz und sprach mit ihm über weite­re Unter­stüt­zung für die Ukrai­ne. Am Freitag soll es bei einem Treffen auf dem US-Luftwaf­fen­stütz­punkt Ramstein in Rhein­land-Pfalz um zusätz­li­che Liefe­run­gen gehen, auch von Kampfpanzern.

Der ukrai­ni­sche Vizeau­ßen­mi­nis­ter Andrij Melnyk forder­te mit Blick auf das Treffen in Ramstein eine deutsche Liefe­rung von Leopard-Kampf­pan­zern. Angesichts des immer rücksichts­lo­se­ren russi­schen Vorge­hens gegen ukrai­ni­sche Zivilis­ten dürfe es für Deutsch­land «keine — selbst gezeich­ne­ten — roten Linien» mehr geben, sagte Melnyk, der zuvor Botschaf­ter in Berlin gewesen war, der Funke Mediengruppe.

Putin will Verträ­ge mit Europa­rat für beendet erklären

Nicht nur militä­risch, auch politisch steuert Russland weiter auf Konfron­ta­ti­ons­kurs. So will Präsi­dent Wladi­mir Putin die Kündi­gung von Verträ­gen mit dem Europa­rat gesetz­lich veran­kern lassen. Das betrifft etwa die Europäi­sche Menschen­rechts­kon­ven­ti­on, das Europäi­sche Überein­kom­men zur Bekämp­fung des Terro­ris­mus und die Europäi­sche Sozial­char­ta. Russland war schon vor Monaten wegen seines Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne aus dem Europa­rat ausge­schlos­sen worden. Dadurch ist das flächen­mä­ßig größte Land der Erde auch kein Mitglied der Europäi­schen Menschen­rechts­kon­ven­ti­on mehr.

Blumen für Dnipro: Festnah­men in Moskau

In Moskau sind Angaben von Bürger­recht­lern zufol­ge mehre­re Menschen beim Versuch festge­nom­men worden, Blumen in Geden­ken an die Todes­op­fer des Einschlags der russi­schen Rakete in Dnipro nieder­zu­le­gen. Insge­samt habe es im Zentrum der russi­schen Haupt­stadt am Abend vier Festnah­men gegeben, teilte die Bürger­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on OVD-Info mit.

Die kleine Gedenk­stel­le hatten Unbekann­te am Montag­abend am Fuß eines Denkmals für die ukrai­ni­sche Dichte­rin Lessja Ukrajin­ka in einer Parkan­la­ge errich­tet. In den darauf­fol­gen­den Stunden brach­ten immer mehr Menschen Blumen — teils in den blau-gelben Farben der ukrai­ni­schen Flagge. Öffent­li­che Anti-Kriegs-Aktio­nen sind in Russland angesichts massi­ver Repres­sio­nen der Staats­ge­walt sehr selten geworden.

Was am Mittwoch wichtig wird

Der Krieg dominiert am Mittwoch auch das Weltwirt­schafts­fo­rum im schwei­ze­ri­schen Davos. Am Nachmit­tag wollen sowohl Bundes­kanz­ler Scholz (15.45 Uhr) als auch der ukrai­ni­sche Präsi­dent Selen­skyj (17.00 Uhr) zu den Unter­neh­mern, Staats- und Regie­rungs­chefs sprechen.