KIEW (dpa) — Eigent­lich will sich der ukrai­ni­sche Präsi­dent Selen­skyj ganz auf die Vertei­di­gung gegen Russland konzen­trie­ren. Aber ein im Land verbrei­te­tes Problem macht ihm zu schaf­fen. Die News im Überblick.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj hat nach Korrup­ti­ons­skan­da­len in Kiew ein entschlos­se­ne­res Vorge­hen gegen Fehlver­hal­ten im Staats­ap­pa­rat angekün­digt. «Die Gesell­schaft wird alle Infor­ma­tio­nen bekom­men, und der Staat wird die notwen­di­gen mächti­gen Schrit­te ergrei­fen», sagte Selen­skyj in seiner in Kiew verbrei­te­ten allabend­li­chen Video­bot­schaft. Er infor­mier­te unter anderem darüber, dass der festge­nom­me­ne Vize-Minis­ter für die Entwick­lung von Gemein­den, Terri­to­ri­en und Infra­struk­tur, Wassyl Losyn­skyj, entlas­sen worden sei.

Medien zufol­ge soll Losyn­skyj 400.000 US-Dollar (rund 368.000 Euro) an Schmier­geld kassiert haben für die Anschaf­fung von Genera­to­ren zur Bewäl­ti­gung der Energie­kri­se im Land. Selen­skyj reagier­te mit seiner Video­bot­schaft auch auf Medien­be­rich­te über einen überteu­er­ten Ankauf von Lebens­mit­teln für Solda­ten. Es sollen Preise gezahlt worden sein, die das Dreifa­che über denen im Einzel­han­del liegen. Auch hier sollen sich Staats­die­ner berei­chert haben. Der ukrai­ni­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Olexij Resni­kow soll nach offizi­el­len Angaben vor dem Parla­ment in Kiew dazu angehört werden.

Korrup­ti­on ist in der Ukrai­ne wie in vielen Ländern der frühe­ren Sowjet­uni­on in verbrei­te­tes Problem, weshalb immer wieder befürch­tet wird, dass auch Hilfs­gel­der des Westens in undurch­sich­ti­gen Kanälen versi­ckern. Viele Bürger meinen, dass sich die Führung des Landes im Zuge der humani­tä­ren Unter­stüt­zung an Finanz­hil­fen bereichere.

Selen­skyj kündig­te für die kommen­de Woche Entschei­dun­gen an, die bereits getrof­fen, aber noch nicht veröf­fent­licht seien, um die Korrup­ti­on und Berei­che­rung im Amt weiter zu bekämp­fen. «Ich bin den Journa­lis­ten dankbar, die sich mit den Fakten beschäf­ti­gen und das ganze Bild erstel­len», sagte er zu den Enthüllungen.

Selen­skyj erklär­te, dass das Haupt­au­gen­merk zwar auf der Vertei­di­gung des Landes im Krieg gegen Russland liege. Trotz­dem sei ihm bewusst, dass in der Gesell­schaft auch über diese Fälle gespro­chen werde. Um der Gerech­tig­keit willen müsse gehan­delt werden.

Selen­skyj: Ukrai­ne nur durch einen Sieg zu erhalten

Bei einer Diskus­si­on mit Studen­ten, die er gemein­sam mit dem frühe­ren briti­schen Premier­mi­nis­ter Boris Johnson führte, sagte Selen­skyj, dass die Ukrai­ne nur im Fall eines Sieges gegen Russland als Staat erhal­ten bleiben könne. «Ohne Sieg werden wir keine starke Gesell­schaft haben», sagte er. Im Fall einer Nieder­la­ge werde wieder­um jeder Teil des Landes nach dem Schul­di­gen suchen.

«Und wenn du Schul­di­ge suchst, wirst du sie immer finden», sagte Selen­skyj. Der Präsi­dent warnte vor der Gefahr eines Zerfalls des Landes in kleine Staaten. Für Russland sei eine solche «Tragö­die» der Ukrai­ne, ein geschwäch­ter Nachbar, der auf nichts Einfluss habe, eine natio­na­le Idee. Es gebe keine andere Wahl, als den Krieg zu gewin­nen, beton­te Selen­skyj, der sich einmal mehr sieges­si­cher gab.

Ukrai­ne fordert weiter Kampf­pan­zer und Sicherheitsgarantien

Für einen Sieg gegen Russland sind aus Sicht der ukrai­ni­schen Führung dringend Hunder­te Kampf­pan­zer, aber auch Militär­flug­zeu­ge nötig. Polens Minis­ter­prä­si­dent Mateusz Morawi­ecki hat angekün­digt, notfalls auch ohne Zustim­mung Deutsch­lands Leopard-2-Panzer an die Ukrai­ne zu liefern. Der Nachrich­ten­agen­tur PAP sagte er: «Wir werden nicht taten­los zusehen, wie die Ukrai­ne ausblu­tet. Die Ukrai­ne und Europa werden diesen Krieg gewin­nen — mit oder ohne Deutschland.»

Wenn es mit Deutsch­land keine baldi­ge Einigung gebe, werde Polen mit anderen Ländern eine «kleine­re Koali­ti­on» bilden. Diese Länder würden dann ohne deutsche Zustim­mung begin­nen, einige ihrer Leopard-Panzer an die Ukrai­ne zu liefern. Eigent­lich ist dafür die Zustim­mung Deutsch­lands nötig. Auf Twitter veröf­fent­lich­te Morawi­ecki eine ähnli­che Stellung­nah­me auch auf Englisch.

Bei seinem Treffen mit Johnson in Kiew bekräf­tig­te Selen­skyj zudem Forde­run­gen nach einem Nato-Beitritt seines Landes zum Schutz vor Russlands Aggres­si­on. Ein Mitglied­schaft in der Allianz sei die «beste Sicher­heits­ga­ran­tie» für das Land, teilte der Chef des Präsi­den­ten­bü­ros, Andrij Jermak, mit. Es sei wichtig, das Ziel einer Nato-Mitglied­schaft aktiv voranzutreiben.

Der russi­sche Präsi­dent Wladi­mir Putin hatte das Streben der Ukrai­ne in die Nato als einen Grund für den Krieg genannt. Moskau hatte einen Verzicht Kiews auf eine Mitglied­schaft in dem Militär­bünd­nis stets auch als Bedin­gung genannt, um den Konflikt zu lösen. Die Atommacht Russland behaup­tet, sich durch eine mögli­che Nato-Präsenz in der Ukrai­ne in ihrer Sicher­heit bedroht zu sehen.

Was am Montag wichtig wird

Die Außen­mi­nis­ter der EU-Staaten wollen in Brüssel über die jüngs­ten Entwick­lun­gen im Krieg in der Ukrai­ne beraten. Die Minis­ter sollen zustim­men, dass weite­re 500 Millio­nen Euro für die Liefe­rung von Waffen und Ausrüs­tung an die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te zur Verfü­gung gestellt werden können. Damit würde die bislang bewil­lig­te Gesamt­sum­me der EU auf 3,5 Milli­ar­den Euro steigen.

Nach Angaben eines EU-Beamten geht es zudem um zusätz­li­che 45 Millio­nen Euro für die neue EU-Ausbil­dungs­mis­si­on für ukrai­ni­sche Streit­kräf­te. Sie soll die ukrai­ni­sche Solda­tin­nen und Solda­ten in die Lage verset­zen, sich noch besser gegen die Angrei­fer aus Russland zur Wehr zu setzen. Für Deutsch­land wird Bundes­au­ßen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock (Grüne) zu dem Treffen in Brüssel erwartet.

Darüber hinaus beginnt die Bundes­wehr mit der Verle­gung der ersten beiden der drei zugesag­ten Patri­ot- Flugab­wehr­ra­ke­ten­staf­feln von Deutsch­land nach Polen. Sie sollen zum Schutz des polni­schen Luftraums beitra­gen und die Nato-Ostflan­ke stärken. Die Verle­gung beginnt in Gnoien (Landkreis Rostock). Die Flugab­wehr­sys­te­me sollen Einsatz­stel­lun­gen im Umfeld der Stadt Zamość im Südos­ten Polens bezie­hen. Von dort sind es rund 60 Kilome­ter bis zu ukrai­ni­schen Grenze und 110 Kilome­ter bis zur ukrai­ni­schen Stadt Lwiw (Lemberg).