KIEW (dpa) – Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Selen­skyj lobt den Wider­stand seiner Truppen im Kampf um die Stadt Bachmut. Zudem sieht er Erfol­ge im Kampf gegen russi­sche Agenten. Die Entwick­lun­gen im Überblick.

Trotz schwe­rer Angrif­fe von russi­schen Truppen halten die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te die seit Tagen umkämpf­te Stadt Bachmut im Gebiet Donezk nach eigenen Angaben weiter unter ihrer Kontrol­le. Der ukrai­ni­sche Oberbe­fehls­ha­ber Walerij Saluschnyj teilte mit, es würden Maßnah­men ergrif­fen, «um die Front­li­nie um diese Stadt herum zu stabi­li­sie­ren». Nach einem Telefo­nat mit US-General­stabs­chef Mark Milley bezeich­ne­te er die Lage im Gebiet Donezk als gespannt, weil Russland dort bis zu 50 Angrif­fe täglich ausfüh­re. Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj lobte den Wider­stand der Soldaten.

Im Gebiet Donezk würden Attacken des Feindes zurück­ge­schla­gen, sagte Selen­skyj in seiner abend­li­chen Video­bot­schaft. Zuvor hatte der Oberbe­fehls­ha­ber Saluschnyj gesagt: «In einigen Front­ab­schnit­ten haben wir es geschafft, zuvor verlo­re­ne Positio­nen wieder­zu­er­lan­gen und dort Fuß zu fassen.» Zugleich sprach er von schwe­ren Kämpfen um die Städte Wuhle­dar und Marjinka.

Notwen­dig sei für die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te aller­dings eine solide Feuer­kraft, für die es ausrei­chend Waffen und Muniti­on brauche, sagte Saluschnyj in dem Gespräch mit Milley der Mittei­lung nach. Besorgt zeigte er sich demnach über den Einsatz von russi­schen Marine-Drohnen. Diese seien eine Bedro­hung für die zivile Schiff­fahrt im Schwar­zen Meer.

Unabhän­gi­ge russi­sche Medien berich­te­ten, dass bisher nicht bekannt gewesen sei, dass Moskau über solche auf der Wasser­ober­flä­che einge­setz­ten Drohnen verfü­ge. In den sozia­len Netzwer­ken kursier­te auch ein nicht überprüf­ba­res Video, das eine Explo­si­on einer Brücke in Odessa zeigen soll. Dort ist auch eine mutmaß­li­che Drohne zu sehen, die auf die Brücke zurast und detoniert.

Die USA unter­stüt­zen die Ukrai­ne militä­risch in dem Krieg so stark wie kein anderes Land. Die ukrai­ni­sche Regie­rung hatte zuletzt neben Kampf­pan­zern vom Westen und einer moder­nen Flugab­wehr auch Kampf­jets gefor­dert. Saluschnyj dankte nach eigenen Angaben Milley für die Unter­stüt­zung und lobte, dass der US-General­stabs­chef Verständ­nis zeige für die ukrai­ni­schen Erfor­der­nis­se im Kampf gegen Russland und für einen Sieg.

Polen schließt Allein­gang bei Kampf­jet-Liefe­rung aus

Unter­des­sen schloss der polni­sche Präsi­dent Andrzej Duda aus, dass sein Land im Allein­gang Kampf­jets an die Ukrai­ne liefern würde. Eine solche Entschei­dung müsse von den Nato-Verbün­de­ten gemein­sam getrof­fen werden, sagte das Staats­ober­haupt wenige Tage vor einem geplan­ten London-Besuch dem briti­schen Sender BBC. Duda beton­te, dass eine Überlas­sung von F‑16-Kampf­jets von Polen an die Ukrai­ne eine «sehr ernste Entschei­dung» wäre, die nicht leicht zu treffen sei.

Die Luftstreit­kräf­te seines Landes verfüg­ten über weniger als 50 dieser Maschi­nen aus US-ameri­ka­ni­scher Produk­ti­on — diese seien schon für Polen nicht genug. Der natio­nal­kon­ser­va­ti­ve Politi­ker wies zudem auf die logis­ti­schen Heraus­for­de­run­gen einer mögli­chen Liefe­rung an die Ukrai­ne hin, die seit fast einem Jahr gegen den russi­schen Angriffs­krieg kämpft.

Unter anderem Polen hatte die Nato-Partner zuletzt dazu gedrängt, nach Kampf­pan­zern auch die Liefe­rung von Kampf­jets zu bewil­li­gen. Minis­ter­prä­si­dent Mateusz Morawi­ecki hatte kürzlich aber auch schon gesagt, nur für die Entsen­dung von Kampf­jets zu sein, wenn dies eine Entschei­dung der gesam­ten Nato wäre.

London: Russland wohl mit großen Verlusten

Russland verliert in der Ukrai­ne nach briti­schen Angaben so viele Solda­ten wie seit den Anfangs­ta­gen des Angriffs­kriegs nicht mehr. «In den vergan­ge­nen zwei Wochen hat Russland wahrschein­lich die höchs­te Verlust­ra­te seit der ersten Woche des Einmar­sches in die Ukrai­ne erlit­ten», erklär­te das briti­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um am Sonntag unter Berufung auf Statis­ti­ken des ukrai­ni­schen General­stabs. London könne die Metho­do­lo­gie bei der Erhebung der Zahlen nicht im Detail prüfen, gehe aber davon aus, dass der «von den Daten illus­trier­te Trend wohl zutref­fend ist».

Im Durch­schnitt der vergan­ge­nen sieben Tage habe es den Daten zufol­ge 824 russi­sche Tote oder Verletz­te täglich gegeben, was mehr als dem Vierfa­chen des Wertes der Monate Juni und Juli entspre­che. Diese Zunah­me hänge wahrschein­lich mit mehre­ren Fakto­ren zusam­men, darun­ter der Mangel an gut ausge­bil­de­tem Perso­nal, Koordi­na­ti­on und Ressour­cen an der Front, wie es sich zum Beispiel in Bachmut zeige. Aber auch die Ukrai­ne erlei­de weiter große Verlus­te, schrie­ben die Briten.

Selen­skyj will weiter gegen russi­sche Agenten vorgehen

Die Ukrai­ne kämpft nach Darstel­lung von Selen­skyj nicht nur auf dem Schlacht­feld gegen den russi­schen Feind, sondern auch gegen Agenten im Staats­dienst. In seiner Video­an­spra­che kündig­te er weite­re Schrit­te im Kampf gegen russi­sche Agenten an. Der Geheim­dienst, Ermitt­ler und Staats­an­walt­schaft könnten schon jetzt bedeu­ten­de Ergeb­nis­se vorwei­sen beim Schutz staat­li­cher Insti­tu­ti­on vor jenen, die für den Aggres­sor­staat Russland arbei­te­ten, sagte Selenskyj.

Der Natio­na­le Sicher­heits- und Vertei­di­gungs­rat der Ukrai­ne werde diese Arbeit fortset­zen, sagte Selen­skyj. Details nannte er nicht. Aller­dings kündig­te der Sekre­tär des natio­na­len Sicher­heits­ra­tes in der Ukrai­ne, Olexij Danilow, eine Sitzung für Montag zu den nächs­ten Schrit­ten an. Ziel ist es nach Angaben von Selen­skyj, die staat­li­chen Insti­tu­tio­nen zu stärken und vor Einfluss­nah­me von innen und von außen zu schützen.

Selen­skyj, der in den vergan­ge­nen Tagen mehre­re europäi­sche Staaten besucht hatte, will die Ukrai­ne möglichst schnell in die Europäi­sche Union führen. Die vielfach noch von Korrup­ti­on und Macht­miss­brauch gepräg­te Staats­ver­wal­tung hat noch einen langen Weg vor sich bis zur Aufnah­me von Verhand­lun­gen über eine EU-Mitglied­schaft. «Der Staat wird die Moder­ni­sie­rung der Insti­tu­tio­nen, ihrer Abläu­fe und Verfah­ren fortset­zen», kündig­te Selen­skyj in der Video­bot­schaft an.

Was am Sonntag wichtig wird

Im Gebiet Donezk kämpfen die ukrai­ni­schen und russi­schen Truppen weiter um die Stadt Bachmut, die für Moskau strate­gi­sche Bedeu­tung hat im Streben, die gesam­te Region zu beset­zen. Nach Angaben beider Seiten gibt es hohe Verlus­te bei den Gefech­ten. Die Schlacht um Bachmut ist die aktuell blutigs­te im Osten der Ukrai­ne. Noch immer sollen sich Hunder­te Zivilis­ten dort aufhalten.