KIEW (dpa) — Mit dem Angriff auf Cherson hat Russland laut Selen­skyj erneut sein Gesicht als «Terror-Staat» gezeigt. In Moskau wirbt ein hoher Vertre­ter Pekings für einen Friedens­plan. Die News im Überblick.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj hat den tödli­chen russi­schen Artil­le­rie­über­fall auf die Stadt Cherson im Süden des Landes verur­teilt. Während an den Fronten weiter hefti­ge Kämpfe toben, lotet Chinas höchs­ter Außen­po­li­ti­ker an diesem Mittwoch in Moskau die Chancen eines Friedens­plans seines Staats- und Partei­chefs aus.

«Dieser russi­sche Angriff hatte keinen militä­ri­schen Zweck», sagte Selen­skyj am Diens­tag in seiner allabend­li­chen Video­an­spra­che. «Genau wie Tausen­de ähnli­cher russi­scher Angrif­fe, die eine echte Botschaft Russlands an die Welt sind.» Bei dem Artil­le­rie­über­fall auf ein Wohnvier­tel und eine Bushal­te­stel­le in Cherson waren mindes­tens sechs Menschen getötet und zwölf verletzt worden.

Selen­skyj: Verant­wort­li­che werden gefunden

«Der terro­ris­ti­sche Staat versucht, der Welt durch den Beschuss von Straßen, Wohnhäu­sern, Schulen, Apothe­ken und Kranken­häu­sern, Kirchen, Bushal­te­stel­len, Märkten und Kraft­wer­ken mit Raketen zu zeigen, dass mit Terror zu rechnen ist», sagte Selen­skyj. Er sei jedoch zuver­sicht­lich, dass der Angrei­fer in seine Schran­ken verwie­sen werde. Und zwar «von allen zusam­men — Ukrai­nern und der Welt».

Am Ende würden der ukrai­ni­sche Geheim­dienst und die Armee die Verant­wort­li­chen für die Angrif­fe auf Cherson und andere Städte finden. «Und darüber hinaus werden wir bewei­sen, dass nur die Mensch­lich­keit, nur die UN-Charta und nur das Recht eines jeden Volkes auf ein freies und siche­res Leben vor Terror und wahnsin­ni­gen Aggres­sio­nen wie denen Russlands eine Überle­gung wert sind.»

Kurz zuvor hatte der ukrai­ni­sche General­stab von einer relativ stabi­len Lage an den verschie­de­nen Front­ab­schnit­ten des Landes berich­tet. Einmal mehr waren die Regio­nen Donezk und Luhansk im Osten des Landes schwer umkämpft. «Wir tun alles, um feind­li­che Angrif­fe dort abzuweh­ren — ständi­ge inten­si­ve Angrif­fe, die Russland nicht einstellt, obwohl es dort große Verlus­te erlei­det», sagte Selenskyj.

Treffen zwischen Sergej Lawrow und Wang Yi

Kurz vor dem Jahres­tag der russi­schen Invasi­on in die benach­bar­te Ukrai­ne trifft der leiten­de chine­si­sche Außen­po­li­ti­ker Wang Yi am Mittwoch in Moskau mit Russlands Außen­mi­nis­ter Sergej Lawrow zusam­men. Neben den Bezie­hun­gen der beiden Länder steht sicher­lich auch der Konflikt in der Ukrai­ne auf der Tages­ord­nung. Wang will in Moskau unter anderem die Positio­nen Russlands zur Friedens­in­itia­ti­ve seines Staats­chefs Xi Jinping zu Beendi­gung des Ukrai­ne-Kriegs auslo­ten. Der chine­si­sche Außen­po­li­ti­ker hatte sich am Diens­tag in Moskau bereits mit dem Leiter des Natio­na­len Sicher­heits­rats, Nikolaj Patru­schew, ausgetauscht.

Xi will zum Jahres­tag am Freitag (24. Febru­ar) das Positi­ons­pa­pier vorstel­len, das bisher nur in Grund­zü­gen bekannt ist. Darin geht es unter anderem um «den Respekt der Souve­rä­ni­tät und terri­to­ria­len Integri­tät», wie aus dem Außen­amt in Peking verlau­te­te. Die Ukrai­ne fordert als Grund­vor­aus­set­zung zu Gesprä­chen mit Moskau den vollstän­di­gen Abzug russi­scher Truppen von ihrem Staats­ge­biet, inklu­si­ve der Krim.

Selen­skyj setzt «diplo­ma­ti­schen Marathon» fort

Am Tag nach dem Überra­schungs­be­such von US-Präsi­dent Joe Biden in Kiew setzte Selen­skyj seinen nun schon fast ein Jahr andau­ern­den «diplo­ma­ti­schen Marathon» fort. Er traf sich am Diens­tag mit der italie­ni­schen Minis­ter­prä­si­den­tin Giorgia Meloni, die der Ukrai­ne weite­re militä­ri­sche, finan­zi­el­le und zivile Unter­stüt­zung ihres Landes zusag­te. Unter anderem soll Kiew weite­re Flugab­wehr­sys­te­me erhalten.

Daneben empfing Selen­skyj auch eine Delega­ti­on des US-Kongres­ses, wie er am Abend mitteil­te. «Dies ist ein sehr wichti­ges Signal für unser Land, die gesam­te Region und die Welt», sagte er. «Gestern war Präsi­dent Biden in Kiew, heute sind es Vertre­ter des Kongres­ses, nament­lich Mitglie­der der Republi­ka­ni­schen Partei.»

Was heute wichtig wird

Knapp ein Jahr nach dem russi­schen Überfall auf die Ukrai­ne trifft sich die UN-Vollver­samm­lung am Mittwoch zu einer Debat­te, die bis Donners­tag dauern könnte. Am Ende soll eine Resolu­ti­on beschlos­sen werden, die Russland unter anderem zum Rückzug auffor­dert und die terri­to­ria­le Integri­tät der Ukrai­ne betont.

Vor dem Hinter­grund des Jahres­tags der russi­schen Invasi­on in die Ukrai­ne trifft US-Präsi­dent Biden am zweiten Tag seines Polen-Besuches Vertre­ter mehre­rer osteu­ro­päi­scher Nato-Staaten in Warschau. Zu der Gruppe im sogenann­ten «Bukarest 9»-Format gehören Polen, Rumäni­en, Bulga­ri­en, Ungarn, Tsche­chi­en, die Slowa­kei sowie die drei balti­schen Staaten Estland, Lettland und Litau­en — also die Staaten entlang der Nato-Ostflanke.