KIEW (dpa) — Im Fall der Explo­sio­nen an den Nord-Stream-Pipelines führen Berich­ten zufol­ge Spuren in Richtung Ukrai­ne. Selen­skyj erinnert an einen gefal­le­nen Solda­ten mit dem Kampf­na­men «Da Vinci». News im Überblick

Inmit­ten der verlust­rei­chen Kämpfe um Bachmut hat der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj allen Vertei­di­gern der Stadt im Osten seines Landes gedankt. In seiner abend­li­chen Video­an­spra­che würdig­te er stell­ver­tre­tend einen gefal­le­nen Solda­ten, der vielen Ukrai­nern als Vorbild im Kampf gegen den russi­schen Aggres­sor gilt.

Zugleich einig­ten sich beide Kriegs­par­tei­en auf einen weite­ren Gefan­gen­aus­tausch: Mehr als 200 Russen und Ukrai­ner kamen frei. Die EU-Vertei­di­gungs­mi­nis­ter wollen über weite­re Hilfen für die angegrif­fe­ne Ukrai­ne beraten.

Selen­skyj gedenkt gefal­le­nem Kommandeur

Selen­skyj erinner­te in seiner Anspra­che auch an den unter seinem Kampf­na­men «Da Vinci» in der Ukrai­ne bekannt gewor­de­nen Komman­deur Dmytro Kozju­ba­j­lo, der in Bachmut getötet worden sei. Der 27-Jähri­ge sei «einer der jüngs­ten Helden der Ukrai­ne», sagte Selen­skyj. «Einer derje­ni­gen, dessen persön­li­che Geschich­te, Charak­ter und Mut für immer zur Geschich­te, zum Charak­ter und zum Mut der Ukrai­ne wurden.»

Um Bachmut, das vor dem Krieg gut 70.000 Einwoh­ner hatte, wird seit Monaten erbit­tert gekämpft. Inzwi­schen ist die im Gebiet Donezk gelege­ne Stadt weitge­hend zerstört und verlassen.

Insbe­son­de­re der dort agieren­den russi­schen Privat­ar­mee Wagner wird rücksichts­lo­ses Vorge­hen vorge­wor­fen, auch hohe Verlus­te in den eigenen Reihen würden billi­gend in Kauf genom­men. Ungeach­tet dessen hat das russi­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um kürzlich mitge­teilt, den Kampf mit unver­min­der­ter Härte weiter­füh­ren zu wollen.

Kiew und Moskau tauschen Gefan­ge­ne aus

Infol­ge eines erneu­ten Austauschs sind derweil Dutzen­de Kriegs­ge­fan­ge­ne beider Seiten freige­las­sen worden. Das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um in Moskau infor­mier­te über 90 russi­sche Solda­ten, die demnach aus der Ukrai­ne zur medizi­ni­schen Behand­lung in die Heimat geflo­gen werden sollen.

In Kiew berich­te­te der Chef des ukrai­ni­schen Präsi­den­ten­bü­ros, Andrij Jermak, von 130 zurück­ge­kehr­ten Lands­leu­ten. Darun­ter seien 87 Vertei­di­ger der seit knapp zehn Monaten von Russland besetz­ten Hafen­stadt Mariu­pol. Weite­re 35 Kämpfer seien in der Ostukrai­ne bei Bachmut und Soledar in Gefan­gen­schaft geraten.

Scholz: Krieg könnte noch länger dauern

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz stellt sich darauf ein, dass der russi­sche Angriffs­krieg noch lange dauern könnte. «Wir müssen befürch­ten, dass das noch länger zugeht, obwohl wir uns natür­lich jeden Tag wünschen, das ist anders», sagte der SPD-Politi­ker bei einer Frage­run­de mit Bürgern im branden­bur­gi­schen Cottbus.

Der Krieg sei «mit unglaub­li­chen Verlus­ten» auf beiden Seiten verbun­den. Allei­ne Russland habe zwischen 30.000 bis 40.000 und 100.000 Solda­ten verlo­ren. «Beides wären unvor­stell­ba­re Mengen», sagte Scholz.

Neue Speku­la­tio­nen über Nord-Stream-Explosion

Im Fall der Explo­sio­nen an den Gaspipe­lines Nord Stream 1 und 2 vor einem halben Jahr gibt es neue Speku­la­tio­nen über die Täter. Laut Recher­chen von ARD, SWR und der «Zeit» führen die Spuren offen­bar in Richtung Ukrai­ne. Unter Berufung auf geheim­dienst­li­che Hinwei­se hieß es, eine proukrai­ni­sche Gruppe könnte verant­wort­lich für die Explo­sio­nen Ende Septem­ber 2022 sein. An den Ermitt­lun­gen seien Behör­den in Deutsch­land, Schwe­den, Dänemark, den Nieder­lan­den und USA betei­ligt gewesen, berich­te­te die «Zeit».

Von deutscher Seite äußer­ten sich weder die Bundes­re­gie­rung noch der zustän­di­ge General­bun­des­an­walt auf Anfra­ge konkret zu den Berichten.

«Der General­bun­des­an­walt (GBA) ermit­telt seit Anfang Oktober 2022 in der Sache», sagte Regie­rungs­spre­cher Steffen Hebestreit. «Zuletzt vor wenigen Tagen haben Schwe­den, Dänemark und Deutsch­land den Sicher­heits­rat der Verein­ten Natio­nen darüber infor­miert, dass die Unter­su­chun­gen laufen und es noch kein Ergeb­nis gebe», erklär­te er. Der GBA wollte sich gestern Abend laut einer Spreche­rin nicht äußern.

Mycha­j­lo Podol­jak, Berater im ukrai­ni­schen Präsi­den­ten­bü­ro, stritt eine Betei­li­gung der Ukrai­ne entschie­den ab.

Was heute wichtig wird

Die Vertei­di­gungs­mi­nis­ter der 27 EU-Staaten wollen bei einem Treffen in Schwe­den über weite­re Muniti­ons­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne beraten. Hinter­grund sind insbe­son­de­re Befürch­tun­gen, dass dem von Russland angegrif­fe­nen Land künftig nicht mehr ausrei­chend Artil­le­rie­gra­na­ten zur Verfü­gung stehen könnten. Nato-General­se­kre­tär Jens Stolten­berg beton­te vor dem Treffen die Erfor­der­nis zusätz­li­cher Militärhilfen.