KIEW (dpa) — Russische Truppen haben mit der Offensive im Osten der Ukraine begonnen. Aus Mariupol wird der Beginn der Erstürmung des Stahlwerks Asovstals gemeldet — in dem Werk sollen unter anderem noch rund 1000 Zivilisten ausharren. Die aktuellen Entwicklungen im Überblick.
In der Ukraine hat die russische Armee nach Angaben aus Kiew den erwarteten Großangriff im Osten gestartet.
Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Abend in einer Videobotschaft: «Wir können jetzt feststellen, dass die russischen Truppen die Schlacht um den Donbass begonnen haben, auf die sie sich seit langem vorbereitet haben.» Der Leiter des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, teilte mit: «Donbass: Es hat die zweite Phase des Krieges begonnen, doch sage ich euch, glaubt an die Streitkräfte der Ukraine.» Auch der Generalstab in Kiew hatte von «Anzeichen» einer Offensive berichtet. Von russischer Seite gab es dafür zunächst keine Bestätigung.
Selenskyj kündigt russischen Soldaten harten Kampf an
Selenskyj zufolge ist «ein sehr großer Teil» der russischen Armee für die Offensive im Osten konzentriert. Die Ukraine werde sich dem entgegenstellen. «Ganz gleich, wie viele russische Truppen dorthin getrieben werden: Wir werden kämpfen», versicherte der Präsident. Man werde sich verteidigen und nichts aufgeben. Kein Raketenangriff habe die Situation für Russland grundlegend verbessert, meinte Selenskyj. «Und wenn wir sie alle zusammen bewerten, kommen wir zu dem Schluss, dass sie strategischer Unsinn sind.»
Erstürmung des Stahlwerks in Mariupol hat begonnen
In der umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol hat nach Angaben prorussischer Separatisten die Erstürmung des Stahlwerks Asovstal begonnen. In dem Stahlwerk sollen sich nach russischen Angaben rund 2500 Kämpfer verschanzt haben, darunter auch 400 ausländische Söldner. Ukrainischen Medien zufolge sollen in dem Werk noch rund 1000 Zivilisten ausharren, unter ihnen auch Frauen und Kinder.
Zum Sturm auf das Stahlwerk sagte der prorussische Separatistenvertreter Eduard Bassurin Staatsmedien in Moskau, es seien spezielle Truppen zusammengestellt worden, die mit ihrer Arbeit begonnen hätten. Russische Luftwaffe und Artillerie unterstützen sie. Alle Stadtteile in Mariupol seien bereits eingenommen.
Die Regierung in Kiew warf Moskau vor, trotz Bitten keinen humanitären Korridor eingerichtet zu haben, damit sich die Menschen in Sicherheit bringen können.
Dritter Tag in Folge keine Fluchtkorridore
Wegen der russischen Offensive im Osten der Ukraine sind nach Regierungsangaben aus Kiew den dritten Tag in Folge keine Fluchtkorridore für die umkämpften Orten eingerichtet worden. «Der intensive Beschuss im Donbass geht weiter», teilte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk mit. Sie warf Russland zudem vor, in der besonders umkämpften Hafenstadt Mariupol trotz Bitten keinen humanitären Korridor für Zivilisten in Richtung der Berdjansk bereitzustellen.
«Wir setzen die schwierigen Verhandlungen über die Öffnung der humanitären Korridore in den Gebieten Cherson und Charkiw fort», schrieb Wereschtschuk in ihrem Nachrichtenkanal in dem sozialen Netzwerk Telegram.
Ukraine: Tote und Verletzte in Charkiw
Beim Beschuss der ostukrainischen Großstadt Charkiw wurden ukrainischen Angaben zufolge 3 Menschen getötet und 15 verletzt. «Die Granaten fielen direkt vor Häuser, auf Kinderspielplätze und in die Nähe von humanitären Hilfsstellen», teilte Gouverneur Oleh Synjehubow mit. Er warf der russischen Armee einen Angriff auf Zivilisten vor. Von unabhängiger Seite ließen sich die Angaben zunächst nicht prüfen. Aus der südukrainischen Stadt Mykolajiw wurden am Abend mutmaßliche Raketeneinschläge gemeldet. «In Mykolajiw kam es zu mehreren Explosionen. Wir sind dabei, die Situation zu untersuchen», teilte Bürgermeister Olexander Senkewytsch mit.
Klitschko: Kiew «war und bleibt Ziel» der Angreifer
Auch die ukrainische Hauptstadt Kiew ist nach Einschätzung von Bürgermeister Vitali Klitschko weiterhin von russischen Angriffen bedroht. «Kiew war und bleibt ein Ziel des Aggressors», teilte Klitschko per Telegram mit. Er rate den geflohenen Einwohnern der Metropole dringend, lieber an einem sichereren Ort zu bleiben. «Aufgrund der militärischen Daten und der jüngsten Entwicklungen können wir nicht ausschließen, dass Kiew weiterhin von Raketenangriffen bedroht ist», meinte Klitschko. Auf einige Bezirke seien zuletzt Geschosse abgefeuert worden. «Daher können wir die Sicherheit in der Stadt nicht garantieren.» Es gebe weiterhin viele Kontrollpunkte in Kiew und auch eine nächtliche Ausgangssperre.