KIEW (dpa) — Seit zwei Monaten läuft der Krieg in der Ukrai­ne. Erstmals könnten rangho­he Vertre­ter der US-Regie­rung Kiew besuchen. Die Hafen­stadt Odessa wurde mit Raketen angegrif­fen. Die aktuel­len Entwicklungen:

Nach Reisen zahlrei­cher europäi­scher Spitzen­po­li­ti­ker wird in Kiew am Sonntag rangho­her US-Besuch erwar­tet. «Ich denke nicht, dass es ein großes Geheim­nis ist.

Morgen werde ich ein Treffen mit dem US-Vertei­di­gungs­mi­nis­ter (Lloyd Austin) und mit Außen­mi­nis­ter (Antony) Blinken haben», sagte der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj am Samstag. Bei einem russi­schen Raketen­an­griff auf die Hafen­stadt Odessa starben unter­des­sen nach ukrai­ni­schen Angaben mindes­tens acht Menschen, darun­ter ein drei Monate altes Mädchen.

Mit Austin und Blinken werde er über die «Liste der notwen­di­gen Waffen und über die Geschwin­dig­keit ihrer Liefe­rung» reden, kündig­te Selen­skyj an. Die US-Minis­te­ri­en äußer­ten sich zunächst nicht zu den Reisen. In den vergan­ge­nen Wochen hatten diver­se europäi­sche Regie­rungs­chefs und auch EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen Kiew besucht.

Selen­skyj hofft auf US-Druck für Waffen­lie­fe­run­gen aus Berlin

Selen­skyj sagte, er erhof­fe sich von den USA auch Unter­stüt­zung für Waffen­lie­fe­run­gen aus Deutsch­land. «Damit sie (Deutsch­land) damit begin­nen, das zu liefern, was sie haben und das, was sie gerade nicht nutzen.» In der Ampel­ko­ali­ti­on gibt es Druck von Grünen und FDP auf SPD-Kanzler Olaf Scholz, die Waffen­lie­fe­run­gen auszu­bau­en. Die FDP forder­te am Samstag auch in einem Beschluss ihres Bundes­par­tei­ta­ges die Liefe­rung schwe­rer Waffen aus Deutsch­land an die Ukrai­ne. Das Land müsse bei der Abwehr des russi­schen Angriffs­krie­ges schnell und wirksam unter­stützt werden, hieß es darin.

Tote bei russi­schem Raketen­an­griff auf Odessa

Das russi­sche Militär griff am Samstag die ukrai­ni­sche Hafen­stadt Odessa an, die bisher weitge­hend von Attacken verschont geblie­ben war. Nach Angaben von Selen­skyj wurden zunächst sieben Raketen abgefeu­ert, von denen zwei abgefan­gen wurden. Unter anderem sei ein mehrstö­cki­ges Wohnhaus getrof­fen worden, neben acht Toten seien auch bis zu 20 Menschen verletzt worden. Das russi­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um teilte mit, es sei ein Logis­tik­ter­mi­nal auf einem Militär­flug­platz getrof­fen worden, in dem eine «große Liefe­rung» Waffen aus den USA und Europa gelagert habe. In der Nacht zum Sonntag fingen ukrai­ni­sche Truppen nach eigenen Angaben zwei weite­re Marsch­flug­kör­per ab.

Selen­skyj kriti­siert russi­sche Filtrationslager

Selen­skyj kriti­sier­te in seiner tägli­chen Video­an­spra­che scharf die vom russi­schen Militär in besetz­ten Gebie­ten einge­rich­te­ten Filtra­ti­ons­la­ger. In ihnen sollen nach offizi­el­ler Darstel­lung eventu­el­le Kämpfer von Zivilis­ten getrennt werden. «Der ehrli­che Name dafür ist ein anderer — das sind Konzen­tra­ti­ons­la­ger. So wie sie die Nazis seiner­zeit gebaut haben», sagte Selen­skyj. Er kriti­sier­te, dass Ukrai­ner aus diesen Lagern auch nach Russland gebracht würden. «Unter anderem depor­tie­ren sie Kinder — in der Hoffnung, dass sie verges­sen, wo sie herkom­men, wo ihr Zuhau­se ist.» Nach Angaben der ukrai­ni­schen Menschen­rechts­be­auf­trag­ten Ljudmy­la Deniso­wa wurden 308 Ukrai­ner aus dem schwer zerstör­ten Mariu­pol in eine 8000 Kilome­ter entfern­te Stadt im russi­schen Fernen Osten gebracht.

Ukrai­ne spricht von Zwangs­re­kru­tie­rung in besetz­ten Gebieten

Die Ukrai­ne wirft russi­schen Truppen auch eine Zwangs­re­kru­tie­rung von Einwoh­nern in besetz­ten Gebie­ten vor. Neben jungen Menschen seien davon in den Regio­nen Cherson, Saporisch­ja und Charkiw spezi­ell auch Medizi­ner betrof­fen, schrieb die ukrai­ni­sche Militär­auf­klä­rung bei Facebook. So sei medizi­ni­sches Perso­nal aus der Stadt Wowtschansk im Gebiet Charkiw unter Andro­hung von Hinrich­tun­gen gezwun­gen worden, russi­sche Solda­ten an der Front zu behan­deln. Im Gebiet Saporisch­ja suchten russi­sches Militär und Geheim­dienst­ler nach Perso­nen im Wehrpflich­ti­gen-Alter, schrieb die Militär­auf­klä­rung weiter. Es heiße, dass sie russi­sche Einhei­ten verstär­ken sollen. Die Angaben konnten nicht unabhän­gig überprüft werden.

OSZE sorgt sich um in Ostukrai­ne festge­hal­te­ne Mitarbeiter

Die Organi­sa­ti­on für Sicher­heit und Zusam­men­ar­beit in Europa (OSZE) sorgt sich um Mitar­bei­ter, die im Donbass in der Ostukrai­ne gefan­gen genom­men worden seien. Es handle sich um Ukrai­ner, die gemein­sam mit inter­na­tio­na­len Beobach­tern der OSZE in der Region tätig waren, gab die Organi­sa­ti­on bekannt. Die OSZE hatte Ende Febru­ar beschlos­sen, ihre Missi­on angesichts der russi­schen Invasi­on vorüber­ge­hend zu beenden und ihr unbewaff­ne­tes inter­na­tio­na­les Team außer Landes zu bringen. Die Beobach­ter hatten vor allem die Aufga­be, in der Ostukrai­ne die Waffen­still­stands­li­nie zwischen staat­li­chen Truppen und prorus­si­schen Separa­tis­ten zu überwachen.

Putin bei Oster-Gottes­dienst in Moskau

Russlands Präsi­dent Wladi­mir Putin hat in der Nacht zum Sonntag einen Oster-Gottes­dienst in Moskau besucht. Er habe dem russisch-ortho­do­xen Kirchen­ober­haupt Patri­arch Kirill gemäß Tradi­ti­on ein verzier­tes Oster­ei überreicht, berich­te­te die Nachrich­ten­agen­tur Tass. Kirill hat sich stets hinter Putins Politik gestellt. So hatte er dem Westen die Schuld am russi­schen Angriffs­krieg in der Ukrai­ne gegeben. In der Ukrai­ne gilt in der ortho­do­xen Oster­nacht eine Ausgangs­sper­re. Zum Fest machte Präsi­dent Selen­skyj seinen Lands­leu­ten Hoffnung auf einen Sieg. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis alle in der Ukrai­ne wieder sicher in Frieden leben würden, sagte er in einer Videoansprache.

Merz: Deutsche Außen- und Sicher­heits­po­li­tik vor Scherbenhaufen

Der CDU-Vorsit­zen­de Fried­rich Merz sieht mit Blick auf den Krieg in der Ukrai­ne jahre­lan­ge schwe­re Versäum­nis­se in der deutschen Politik. «Die gesam­te deutsche Außen- und Sicher­heits­po­li­tik der letzten 20 Jahre steht vor einem Scher­ben­hau­fen. Wenn dieser Krieg vorüber ist, müssen wir sorgfäl­tig analy­sie­ren, wie es dazu kommen konnte», sagte Merz der «Bild am Sonntag». Aus Sicht des CDU-Chefs hätte es spätes­tens 2014 nach der Beset­zung der Krim «eine massi­ve Sanktio­nie­rung und Isolie­rung Russlands gebraucht».

Das wird am Sonntag wichtig

Ein Höhepunkt des Tages dürfte der Besuch der beiden US-Minis­ter in Kiew werden, zu dem bisher keine Einzel­hei­ten bekannt wurden. In Deutsch­land kann man von einer Fortset­zung der Debat­te um deutsche Waffen­lie­fe­run­gen und den außen­po­li­ti­schen Kurs gegen­über Russland ausgehen.