KIEW/MOSKAU (dpa) — Die Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew laufen weiter schleppend — Selenskyj droht mit einem Abbruch der Gespräche. Russlands Außenminister macht die Nato dafür verantwortlich. Die Entwicklungen:
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat die Nato wegen des Kriegs in der Ukraine mit weiteren Vorwürfen überzogen.
Lawrow warf dem westlichen Militärbündnis in einem Interview der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua vor, das Ende der «Spezialoperation» — wie Moskau den seit mehr als zwei Monate dauernden russischen Angriffskrieg nennt — durch Waffenlieferungen und politische Vereinbarungen zu verhindern.
In einem Interview mit dem arabischsprachigen Sender Al-Arabija sagte Lawrow außerdem, dass Russland die Routen kenne, über die der Westen Waffen an die Ukraine liefern wolle. Die gelieferten Waffen sollten nun zum Ziel der von offizieller russischer Seite so bezeichneten «Spezialoperation» werden, «sobald sie das Territorium der Ukraine erreichen».
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sorgte derweil mit Angaben zu einem Massengrab für Irritationen. Die IAEA meldete die Wiederaufnahme der Kommunikation zu Tschernobyl. In Berlin dankte der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk deutschen Medien für ihre Kriegsberichterstattung.
Verhandlungen laufen schleppend
Die Verhandlungen mit Kiew über den Entwurf eines möglichen Abkommens zur Beendigung des Kriegs laufen nach Lawrows Darstellung nicht gut: Sie würden auch durch die «militante Rhetorik und hetzerische Aktionen der westlichen Unterstützer von Kiew» behindert. Die russische Seite befürworte jedoch eine Fortsetzung des Verhandlungsprozesses.
Selenskyj hatte nach Angaben der «Ukrajinska Prawda» gesagt, es bestehe ein hohes Risiko, dass Kiew die Verhandlungen mit Moskau abbreche. Er forderte erneut direkte Verhandlungen mit Kremlchef Wladimir Putin. Die ersten Verhandlungen für ein Ende der Kriegshandlungen hatten bereits vier Tage nach der russischen Invasion am 24. Februar begonnen.
Lawrow: Sind nicht im Krieg mit der Nato
Russland sieht sich nicht im Krieg mit der Nato. Vielmehr glaube die Nato, mit Russland im Krieg zu sein, sagte Lawrow nach Angaben russischer Agenturen. Weiterhin drohe Russland nicht mit Atomwaffen, westliche Medien übertrieben bei diesem Thema. «Wir «spielen» nicht mit einem Atomkrieg», sagte Lawrow demnach. Russland hatte Ende Februar Abschreckungswaffen in Alarmbereitschaft versetzen lassen, was weltweit als Drohung mit dem atomaren Arsenal verstanden worden war.
Lawrow behauptete weiterhin, das russische Militär tue «alles in seiner Macht Stehende, um zivile Opfer zu vermeiden». Die Ukraine hingegen meldet täglich zivile Opfer. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte gab die Zahl getöteter Zivilisten zuletzt mit 2899 an, die tatsächlichen Zahlen sollen allerdings erheblich höher sein.
Irritationen um Selenskyjs Angaben zu Massengrab
Selenskyj hat in einem Interview von einem neuen Massengrab mit 900 Toten im Kiewer Gebiet gesprochen. Sein Sprecher und die Polizei dementierten. «Zum Stand 29. April sind insgesamt 1187 Leichen von Opfern der russischen Armee im Gebiet Kiew entdeckt worden, wahrscheinlich meinte der Präsident diese Gesamtziffer, als er von über 900 sprach», hieß es in einem Kommentar der Polizei des Gebiets Kiew. Auch Präsidentensprecher Serhij Nykyforow betonte in der Onlinezeitung «Ukrajinska Prawda», dass der Präsident die Gesamtzahl gemeint habe.
Nach dem Abzug russischer Truppen vor knapp einem Monat hatten Funde von teils gefesselten erschossenen Zivilis