WASHINGTON/KIEW/MOSKAU (dpa) — Während Russlands Angrif­fe weiter­ge­hen, wollen die USA Botschaf­ter zurück in die Ukrai­ne schicken. Bundes­kanz­ler Scholz vertei­digt seine Zurück­hal­tung bei Waffen­lie­fe­run­gen. Die Entwick­lun­gen im Überblick.

US-Außen­mi­nis­ter Antony Blinken hat die weite­re «robus­te Unter­stüt­zung» Washing­tons für die Ukrai­ne angesichts der russi­schen Aggres­si­on bekräftigt.

In einem Gespräch mit seinem ukrai­ni­schen Kolle­gen Dmytro Kuleba infor­mier­te Blinken nach einer Mittei­lung des State Depart­ment über die bevor­ste­hen­de Rückkehr von US-Diplo­ma­ten zunächst nach Lwiw in der kommen­den Woche und baldmög­lichst auch nach Kiew.

Auch das ukrai­ni­sche und das US-Militär stimm­ten sich nach ukrai­ni­schen Angaben erneut ab. Ein Telefo­nat zwischen dem ukrai­ni­schen Oberbe­fehls­ha­ber Walerij Saluschnyj und US-General­stabs­chef Mark Milley drehte sich um die Liefe­rung von Waffen, Muniti­on und weite­rer Ausrüs­tung, wie es auf Saluschny­js Facebook­sei­te hieß.

Saluschnyj beton­te, dass die ukrai­ni­sche Armee von sowje­ti­scher Ausrüs­tung auf Nato-Model­le umstei­gen müsse. «Und je früher wir diesen Prozess begin­nen, desto eher werden wir ihn abschließen.»

US-Präsi­dent Joe Biden hatte am Donners­tag in Washing­ton angekün­digt, er wolle den Kongress um die Bewil­li­gung von weite­ren 33 Milli­ar­den US-Dollar (31,4 Milli­ar­den Euro) für die Ukrai­ne bitten. 20 Milli­ar­den davon sollen für Militär­hil­fe genutzt werden, etwa 8,5 Milli­ar­den für wirtschaft­li­che Hilfe.

Scholz vertei­digt Ukraine-Politik

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz vertei­digt derweil seine Ukrai­ne-Politik gegen Vorwür­fe, er agiere zu zöger­lich und ängst­lich angesichts der russi­schen Aggres­si­on. «Ich treffe meine Entschei­dun­gen schnell — und abgestimmt mit unseren Verbün­de­ten. Übereil­tes Agieren und deutsche Allein­gän­ge sind mir suspekt», sagte der SPD-Politi­ker der «Bild am Sonntag». An diesem Kurs wolle er festhalten.

Die Bundes­re­gie­rung hatte am Diens­tag die Liefe­rung von Gepard-Flugab­wehr­pan­zern der deutschen Rüstungs­in­dus­trie geneh­migt. Sie sind die ersten schwe­ren Waffen, die direkt aus Deutsch­land in die Ukrai­ne gelie­fert werden. Vor dem Ukrai­ne-Krieg galt der Grund­satz, keine Waffen in Krisen­ge­bie­te abzugeben.

Baerbock: Frieden nur nach Abzug aller russi­schen Soldaten

Bundes­au­ßen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock (Grüne) sagte der «Bild am Sonntag», Voraus­set­zung für einen dauer­haf­ten Frieden in Europa und ein Ende der Sanktio­nen gegen Russland sei der Abzug aller russi­schen Solda­ten aus der Ukrai­ne. «Ein Waffen­still­stand kann nur ein erster Schritt sein.» Man müsse helfen, dass die Ukrai­ne stark genug sei, um selbst zu entschei­den, so die Minis­te­rin. «Niemand hat das Recht, ihnen Vorschrif­ten zu machen.»

Bei einem Wahlkampf­auf­tritt in Ahrens­burg bei Hamburg vertei­dig­te Baerbock am Samstag erneut ihr Eintre­ten für eine Liefe­rung schwe­rer Waffen. «Wir wollen den Menschen in der Ukrai­ne helfen, damit sie sich gegen Putins völker­rechts­wid­ri­gen Angriffs­krieg wehren können», sagte sie. «Doch was würde es bedeu­ten, wenn wir nichts tun? Würde dann eine Bombe weniger fallen? Nein», sagte sie.

Melnyk: «Für Putin ist Deutsch­land längst Kriegspartei»

Der ukrai­ni­sche Botschaf­ter in Deutsch­land, Andrij Melnyk, fordert weiter moderns­te deutsche Waffen für den Abwehr­kampf der Ukrai­ne gegen die russi­sche Armee. Die zugesag­ten Gepard-Panzer seien schon 40 Jahre alt, sagte er der «Bild am Sonntag». Doch um Russland zu besie­gen, «brauchen wir moderns­te deutsche Waffen». Konkret nannte er die zügige Ausfuhr von 88 Leopard-Panzern, 100 Marder-Panzern, Panzer­hau­bit­zen «und vielem mehr».

Die Befürch­tung, durch Waffen­lie­fe­run­gen zur Kriegs­par­tei zu werden, bezeich­ne­te Melnyk als völli­gen Quatsch: «Für Putin ist Deutsch­land längst Kriegs­par­tei. Wer eine Auswei­tung seines Kriegs verhin­dern möchte, muss uns jetzt helfen, Putin in die Schran­ken zu weisen.»

Selen­skyj: 23.000 getöte­te russi­sche Soldaten

23.000 russi­sche Solda­ten sind nach ukrai­ni­schen Angaben seit Beginn des Kriegs in der Ukrai­ne gefal­len. Außer­dem seien bereits mehr als Tausend russi­sche Panzer sowie fast 2500 andere Militär­fahr­zeu­ge zerstört worden, sagte der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj in einer Anspra­che. Die tatsäch­li­chen militä­ri­schen Verlus­te sind schwer abzuschät­zen. Moskau gesteht bislang mehr als Tausend eigene Gefal­le­ne ein und bezif­fert seiner­seits die Zahl der gefal­le­nen ukrai­ni­schen Kämpfer auf mehr als 23.000.

Der ukrai­ni­sche Präsi­den­ten­be­ra­ter Olexij Aresto­wytsch gab am Samstag­abend nach Angaben der Agentur Unian an, dass seit bereits vier Tagen keine Truppen­be­we­gun­gen aus Russland in Richtung Ukrai­ne beobach­tet wurden. Nach Russland hinge­gen werde «eine große Anzahl kaput­ter Ausrüs­tung, Verwun­de­ter und Toter» zurückgebracht.

Ukrai­ne: Kampf­flug­zeu­ge und Drohnen abgeschossen

Ukrai­ni­sche Truppen haben nach eigenen Angaben zwei russi­sche Kampf­flug­zeu­ge und mehre­re Drohnen abgeschos­sen. Die Flugzeu­ge vom Typ Su-25 sowie vier der sieben abgeschos­se­nen Drohnen seien im Osten der Ukrai­ne getrof­fen worden, teilten die Luftwaf­fe und die Armee auf Facebook mit.

Weiter­hin seien auf der von Russland kontrol­lier­ten Schlan­gen­in­sel im Schwar­zen Meer drei Flugab­wehr­pan­zer, das Flugab­wehr­sys­tem Strela-10 sowie ein Funkwa­gen zerstört worden, teilte das Einsatz­kom­man­do «Süd» auf Facebook mit.

Zivilis­ten aus Mariu­po­ler Stahl­werk evakuiert

Aus dem belager­ten Stahl­werk Azovs­tal in Mariu­pol sind nach Angaben des Vizekom­man­deurs des ukrai­ni­schen Asow-Regiments 20 Frauen und Kinder evaku­iert worden. Russi­sche Nachrich­ten­agen­tu­ren hatten zuvor von 25 Zivilis­ten geschrie­ben, die das Werks­ge­län­de verlas­sen hätten.

Nach ukrai­ni­schen Angaben sollen in den Bunker­an­la­gen des Stahl­werks rund 1000 Zivilis­ten einge­schlos­sen sein. Russland wieder­um spricht von rund 2500 ukrai­ni­schen Kämpfern und auslän­di­schen Söldnern, die sich dort ebenfalls verschanzt haben sollen.

Merz will nach Kiew reisen

Der CDU-Vorsit­zen­de Fried­rich Merz will nach Kiew reisen. Die CDU verbrei­te­te auf Twitter eine Nachricht seines Stabs­chefs Jacob Schrot weiter, in der dieser ohne Nennung eines Datums schrieb: «In der Tat ist eine Reise von Fried­rich Merz in die Ukrai­ne geplant.» Medien­be­rich­ten zufol­ge soll die Reise bereits am Montag stattfinden.

Schrot schrieb weiter: «Deutsch­lands Unter­stüt­zung der Ukrai­ne ist keine Frage von Regie­rung versus Opposi­ti­on. Deshalb hat in dieser Woche die demokra­ti­sche Mitte des Deutschen Bundes­tags einen gemein­sa­men Antrag zur Unter­stüt­zung der Ukrai­ne verab­schie­det. Diese gemein­sa­me staats­po­li­ti­sche Verant­wor­tung von Opposi­ti­on und Regie­rung will Merz mit seinem Besuch zum Ausdruck bringen.»

Das wird heute wichtig

Der Tag der Arbeit am Sonntag steht auch im Zeichen des russi­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne und seiner Folgen für Deutsch­land. Der Vorsit­zen­de des Deutschen Gewerk­schafts­bunds (DGB), Reiner Hoffmann, hat vorab bereits eine stärke­re Betei­li­gung von Reichen bei der Bewäl­ti­gung der Lasten gefordert.

Verdi-Chef Frank Werne­ke warnte mit Blick auf das angekün­dig­te milli­ar­den­schwe­re Aufrüs­tungs­pro­gramm für Deutsch­land vor einem Rüstungs­wett­lauf. Deutsch­land müsse in der Lage sein, sich zu vertei­di­gen, einschließ­lich seiner Bündnis­ver­pflich­tun­gen, erklär­te Werne­ke im vorab veröf­fent­lich­ten Manuskript seiner Rede in Mainz. Ziel bleibe aber eine Welt mit weniger Waffen.