KIEW (dpa) — Nach der Evaku­ie­rung von rund 100 Zivilis­ten aus dem umkämpf­ten Stahl­werk in Mariu­pol hoffen die verblie­be­nen Menschen auf eine Fortset­zung der Aktion. Die Entwick­lun­gen im Überblick.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj hat sich erfreut über die erfolg­rei­che Evaku­ie­rung von Zivilis­ten aus dem schwer umkämpf­ten Werk Azovs­tal in der Hafen­stadt Mariu­pol geäußert und hofft auf eine Fortset­zung der Rettungsaktion.

Während Selen­skyj die Kriegs­stra­te­gie Russlands als sinnlos bezeich­ne­te, machte Russlands Außen­mi­nis­ter Sergej Lawrow abermals die USA als Ursache allen Übels aus. Bundes­kanz­ler Olaf Scholz will sich am Montag­abend im ZDF zum russi­schen Angriff auf die Ukrai­ne äußern.

Selen­skyj hofft auf Fortset­zung der Evaku­ie­rung aus Mariupol

«Ich hoffe, dass morgen (heute) alle notwen­di­gen Bedin­gun­gen erfüllt sind, um weiter­hin Menschen aus Mariu­pol zu evaku­ie­ren», sagte Selen­skyj gestern Abend in seiner tägli­chen Video­bot­schaft. «Wir werden weiter­hin alles tun, um unsere Leute aus Azovs­tal und aus Mariu­pol insge­samt zu evaku­ie­ren», sagte er.

Ein Bus-Konvoi hatte am Wochen­en­de rund 100 Zivilis­ten aus dem von russi­schen Solda­ten belager­ten Stahl­werk Azovs­tal gebracht. Betei­ligt waren auch die Verein­ten Natio­nen und das Inter­na­tio­na­le Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Nach ukrai­ni­schen Angaben sollen allein in den Bunker­an­la­gen des Stahl­werks noch etwa 1000 Zivilis­ten einge­schlos­sen sein. Russland spricht von etwa 2500 Menschen, darun­ter Militärs und auslän­di­sche Söldner.

Selen­skyj: Russlands Kriegs­stra­te­gie gibt Rätsel auf

Selen­skyj sieht infol­ge der seit zwei Monaten laufen­den Invasi­on der russi­schen Armee in seinem Land auf beiden Seiten nur Verlie­rer. «Wie sie ihre Ziele auswäh­len, beweist einmal mehr, dass der Krieg gegen die Ukrai­ne ein Vernich­tungs­krieg für die russi­sche Armee ist», sagte Selen­skyj am Sonntag­abend in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. Neben den Angrif­fen auf zivile Objek­te und Wohnge­bie­te würden inzwi­schen Getrei­de­la­ger und landwirt­schaft­li­che Betrie­be vernichtet.

«Was könnte Russlands strate­gi­scher Erfolg in diesem Krieg sein? Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht», sagte Selen­skyj. Das zerstör­te Leben der Menschen und verbrann­tes oder gestoh­le­nes Eigen­tum bräch­ten Russland nichts. «Es wird nur die Toxizi­tät des russi­schen Staates und die Zahl derer in der Welt erhöhen, die daran arbei­ten, Russland zu isolieren.»

Berich­te: Russi­sche Angrif­fe Richtung Saporischschja abgewehrt

Ukrai­ni­sche Streit­kräf­te haben nach eigener Darstel­lung eine Reihe russi­scher Angrif­fe in Richtung der Großstadt Saporischschja im Süden des Landes abgewehrt und die Fronten südöst­lich der Stadt stabi­li­siert. Die inzwi­schen einge­tre­te­ne Kampf­pau­se werde genutzt, um die Abwehr­stel­lun­gen zu festi­gen, berich­te­te die Agentur Unian am Sonntag­abend unter Berufung auf die regio­na­le Zivil- und Militär­ver­wal­tung. Russi­sche Einhei­ten hätten östlich von Saporischschja mehrfach erfolg­los versucht, ukrai­ni­sche Truppen einzukesseln.

Kiew: Russi­scher Spion in ukrai­ni­schem General­stab entlarvt

Die ukrai­ni­schen Sicher­heits­be­hör­den hoben zudem nach eigener Darstel­lung einen Ring russi­scher Agenten aus. Einer der Spione habe sogar im ukrai­ni­schen General­stab gearbei­tet, sagte Selen­sky­js Berater Olexij Aresto­wytsch in der Nacht zum Montag nach Angaben der Agentur Ukrin­form. Über die genaue Zahl der Mitglie­der des Spiona­ge-Rings machte er keine Angaben.

Aresto­wytsch nannte jedoch eines ihrer angeb­li­chen Ziele. «Diese Genos­sen sollten ein Passa­gier­flug­zeug über Russland oder Belarus abschie­ßen und anschlie­ßend die Ukrai­ne dafür verant­wort­lich machen», sagte er. Für diese Aktion sollten demnach Flugab­wehr­ra­ke­ten aus ukrai­ni­schen Bestän­den einge­setzt werden.

Explo­sio­nen erschüt­tern russi­sche Stadt Belgorod

Die südrus­si­sche Stadt Belgo­rod unweit der Grenze zur Ukrai­ne wurde in der Nacht zum Montag von zwei schwe­ren Explo­sio­nen erschüt­tert. Bislang gebe es keine Berich­te über Schäden oder Opfer, sagte Gouver­neur Wjatsches­law Gladkow laut der russi­schen Staats­agen­tur Tass. Aller­dings gebe es Berich­te in sozia­len Medien über Blitze am Himmel. Auf Twitter wurden Video­auf­nah­men und Berich­te über angeb­li­che ukrai­ni­sche Drohnen über Belgo­rod und den Einsatz der regio­na­len Flugab­wehr verbrei­tet, deren Echtheit zunächst nicht unabhän­gig bestä­tigt werden konnte. Seit Tagen häufen sich Berich­te über angeb­li­che Angrif­fe des ukrai­ni­schen Militärs auf Ziele in Russland.

Lawrow: Nato und EU haben Vorherr­schaft Washing­tons akzeptiert

Die Nato und die EU haben sich nach Worten des russi­schen Außen­mi­nis­ters Sergej Lawrow offen­bar damit abgefun­den, dass die USA das Sagen auf inter­na­tio­na­ler Bühne haben. Das sagte Lawrow am Sonntag­abend in einem Inter­view der italie­ni­schen TV-Gesell­schaft Media­set, das auch von Tass verbrei­tet wurde. Er sei überzeugt, dass alle Länder der Meinung seien, dass man ausschließ­lich auf die USA hören solle. «Und sowohl die Nato als auch die Europäi­sche Union haben sich damit abgefun­den, dass ihr “Hausherr” in Washing­ton sitzt», sagte Lawrow weiter. «Und in Washing­ton haben sie beschlos­sen, dass die Welt nun monopolar sein muss, davon reden sie ständig.»

In dem Inter­view unter­stell­te Lawrow sowohl den USA als auch Kanada, für die Ausbil­dung «neona­zis­ti­scher Unter­ab­tei­lun­gen» verant­wort­lich zu sein, die ihren Weg in die Reihen der ukrai­ni­schen Armee gefun­den hätten. Damit meinte Lawrow in erster Linie das Regiment «Asow», dessen verblie­be­ne Kämpfer sich in dem Werk Azovs­tal in der Hafen­stadt Mariu­pol verschanzt haben.