KIEW/BRÜSSEL (dpa) — Der Nachschub westli­cher Waffen für die Ukrai­ne läuft auch über die Eisen­bahn. Deshalb schießt Russland mit Raketen auf Bahnhö­fe und Gleis­an­la­gen. Die Entwick­lun­gen im Überblick.

Angesichts des Moskau­er Angriffs­krie­ges auf die Ukrai­ne strebt die Europäi­sche Union einen Import­stopp für russi­sches Öl an.

Das sieht der Vorschlag der EU-Kommis­si­on und des Europäi­schen Auswär­ti­gen Diens­tes für ein neues Paket mit Russland-Sanktio­nen vor, wie die Deutsche Presse-Agentur in Brüssel erfuhr. Um den Ländern Zeit für die Umstel­lung geben, soll es Übergangs­fris­ten geben. EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen will die Pläne heute in Straß­burg offizi­ell vorstellen.

Über der Ukrai­ne ging ein Hagel russi­scher Raketen und Marsch­flug­kör­per nieder. Ziel der Angrif­fe war nach Kiewer Angaben die ukrai­ni­sche Eisen­bahn und deren Strom­ver­sor­gung, um den Nachschub an Waffen für die Ukrai­ne zu unter­bre­chen. CDU-Partei­chef Fried­rich Merz wollte nach seinem Besuch in Kiew und einem Treffen mit Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj zurück nach Deutsch­land fahren.

Ölboy­kott mit Ausnahmen

Über das mittler­wei­le sechs­te Sankti­ons­pa­ket der EU soll ab Mittwoch in Brüssel beraten werden. Es könnte binnen weniger Tage beschlos­sen werden, wenn es aus den 27 Mitglieds­staa­ten keine großen Einwän­de gibt. Geplant ist, dass nach einer Auslauf­pha­se von sechs Monaten ein Einfuhr­ver­bot für russi­sches Rohöl gelten soll und nach einer Auslauf­pha­se von acht Monaten auch ein Einfuhr­ver­bot für Ölprodukte.

Weitrei­chen­de Ausnah­me­re­geln sind den Infor­ma­tio­nen zufol­ge nur für Ungarn und die Slowa­kei geplant. Sie bezie­hen derzeit noch einen Großteil ihres Ölbedarfs aus Russland und können nicht so schnell umsteu­ern. Deutsch­land sieht sich zu einem Umsteu­ern bereit, auch wenn Preis­stei­ge­run­gen abseh­bar sind. Neben dem Öl-Embar­go will die EU russi­sche Banken mit neuen Straf­maß­nah­men belegen, ebenso TV-Sender, die Falsch­in­for­ma­tio­nen zum Ukrai­ne-Krieg verbreiten.

Russi­sche Raketen gegen ukrai­ni­sche Eisenbahn

Mit massi­vem Raketen­be­schuss auf ukrai­ni­sche Eisen­bahn­an­la­gen versucht Russland den Nachschub an westli­chen Waffen zu stoppen. Sechs Bahnhö­fe im Westen und in der Mitte der Ukrai­ne seien am Diens­tag getrof­fen worden, teilte die staat­li­che Bahnge­sell­schaft mit.

Opfer unter den Angestell­ten und Passa­gie­ren habe es nicht gegeben. 14 Perso­nen­zü­ge seien zeitwei­se verspä­tet gewesen. Die Raketen trafen auch drei Umspann­wer­ke im westukrai­ni­schen Gebiet Lwiw und eins in den Trans­kar­pa­ten an der Grenze zu Ungarn. Auch dabei ging es angeb­lich darum, die Strom­ver­sor­gung der Bahn zu treffen.

Nach Angaben der ukrai­ni­schen Luftwaf­fe schoss Russland mehr als 20 Raketen und Marsch­flug­kör­per auf fast alle Teile der Ukrai­ne ab. Viele Raketen seien von Langstre­cken­bom­bern über dem Kaspi­schen Meer abgefeu­ert worden. Es war eine der schwers­ten Angriffs­wel­len seit dem russi­schen Überfall am 24. Febru­ar. Mittwoch ist der 70. Kriegstag.

Politisch deute­te Präsi­dent Selen­skyj die Angrif­fe trotz­dem als Zeichen einer Schwä­che Moskaus. «Offen­sicht­lich hat das russi­sche Militär heute äußerst nervös auf unsere Erfol­ge reagiert», sagte er in seiner abend­li­chen Video­bot­schaft. Ein klares militä­ri­sches Ziel der Attacken sei nicht zu erken­nen. Die Russen kaschier­ten nur ihre Ohnmacht, «weil die Ukrai­ne zu stark für sie ist», sagte Selenskyj.

Merz kehrt mit Ratschlä­gen aus Kiew heim

Nach seinem Besuch in Kiew empfahl CDU-Chef Fried­rich Merz Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD), ebenfalls persön­lich in die Ukrai­ne zu reisen. Er habe den Präsi­den­ten, den Minis­ter­prä­si­den­ten, den Parla­ments­prä­si­den­ten und Opposi­ti­ons­füh­rer sowie Kiews Bürger­meis­ter Vitali Klitsch­ko getrof­fen, sagte Merz im «heute-journal» des ZDF.

«Diese Gesprä­che können Sie nicht am Telefon machen. Die können Sie auch nicht mit Video­kon­fe­ren­zen machen. Sie müssen diese Gesprä­che persön­lich führen.» Scholz lehnt eine Reise nach Kiew derzeit ab, weil Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er im April kurzfris­tig ausge­la­den worden war.

Merz wollte noch nichts zu Details seiner Gesprä­che sagen. Er wolle zuerst dem Kanzler berich­ten. Jenseits von Waffen­lie­fe­run­gen sei es um den Wieder­auf­bau der Ukrai­ne, eine EU-Mitglied­schaft oder die Frage von Garan­tie­mäch­ten für das Land gegan­gen, sagte Merz aber.

Hoffnung auf weite­re Evaku­ie­run­gen aus Mariupol

Nach einer erfolg­rei­chen Rettungs­ak­ti­on für Zivilis­ten aus Mariu­pol setzt Präsi­dent Selen­skyj auf weite­re Evaku­ie­run­gen. Die Gruppe von 156 Frauen, Kindern und älteren Menschen war am Diens­tag in der Stadt Saporischschja einge­trof­fen. Viele von ihnen hatten sich in Mariu­pol im Stahl­werk Azovs­tal versteckt gehal­ten, dem letzten Vertei­di­gungs­pos­ten ukrai­ni­scher Solda­ten in der Hafenstadt.

«Wir tun bedin­gungs­los weiter alles, um alle unsere Leute aus Mariu­pol, aus Azovs­tal heraus­zu­ho­len», sagte Selen­skyj. «Wir brauchen sie alle» — die Zivil­per­so­nen wie die Solda­ten. Die ukrai­ni­sche Seite berei­te­te sich auf eine weite­re Rettungs­ak­ti­on schon am Mittwoch vor. Die Verein­ten Natio­nen und das Inter­na­tio­na­le Komitee vom Roten Kreuz sollten dabei helfen.

Das bringt der Tag

Das Europa­par­la­ment berät am Mittwoch in Straß­burg über die Lage im Ukrai­ne-Krieg. Dort will auch EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin von der Leyen das neue Sankti­ons­pa­ket vorstellen.

Das Bundes­ka­bi­nett hat auf Schloss Meseberg bei Berlin getagt und will Ergeb­nis­se seiner Klausur vorstel­len. Auch dabei wird es um die Ukrai­ne gehen. Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er besucht ein Nachbar­land der Ukrai­ne, das EU- und Nato-Mitglied Rumänien.