KIEW (dpa) — Die Ukrai­ne kämpft — gegen Russland und für einen schnel­len EU-Beitritt. US-Präsi­dent Biden setzt unter­des­sen eine Neuauf­la­ge des histo­ri­schen Lend-Lease-Vertrags in Gang. Die Entwick­lun­gen im Überblick.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj hofft, dass seinem Land schon im Juni der Status eines EU-Beitritts­kan­di­da­ten zuerkannt wird. Das sagte er in seiner tägli­chen Videoansprache.

Stunden zuvor waren rund 1000 Seiten Dokumen­te als Antwort auf den berühm­ten Frage­bo­gen zur EU-Mitglied­schaft an Brüssel überge­ben worden. In Washing­ton unter­zeich­ne­te US-Präsi­dent Joe Biden ein Gesetz, das die Liefe­rung von Rüstungs­gü­tern an die Ukrai­ne und andere osteu­ro­päi­sche Staaten erleich­tert. Gleich­zei­tig dräng­te er den Kongress, ein Milli­ar­den-Paket für Kiew bald zu bewil­li­gen. Von russi­scher Seite gab es mehre­re Raketen­an­grif­fe gegen die Hafen­stadt Odessa.

EU-Beitritts­kan­di­dat schon im Juni?

«Heute haben wir auf unserem Weg in die Europäi­sche Union einen weite­ren Schritt gemacht, einen wichti­gen und nicht nur forma­len», sagte Selen­skyj in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. Sein Land habe am Montag die zweite Hälfte der Antwor­ten auf den Frage­bo­gen überge­ben, den jeder Staat für den Mitglied­schafts­an­trag ausfül­len muss. «Das dauert üblicher­wei­se Monate, aber wir haben das inner­halb von Wochen erledigt.»

Er habe sowohl mit EU-Ratsprä­si­dent Charles Michel als auch mit Kommis­si­ons­che­fin Ursula von der Leyen über die europäi­sche Integra­ti­on der Ukrai­ne gespro­chen, sagte Selen­skyj. Beide seien beein­druckt gewesen von der schnel­len Beant­wor­tung des Frage­bo­gens. «Und es hat mich gefreut, von ihr (von der Leyen) zu hören, dass unsere Geschwin­dig­keit die EU-Kommis­si­on stimu­lie­ren wird, ebenso schnell zu handeln.» Er rechne mit einer positi­ven Antwort und dem Status des Beitritts­kan­di­da­ten für die Ukrai­ne im Juni.

Biden unter­zeich­net Gesetz für Rüstungslieferungen

US-Präsi­dent Biden unter­zeich­ne­te ein Gesetz, das — ähnlich wie das Lend-Lease-Gesetz aus den Zeiten des Zweiten Weltkriegs — die Liefe­rung von Rüstungs­gü­tern an die Ukrai­ne und andere osteu­ro­päi­sche Staaten erleich­tert. Biden sprach von einem «wichti­gen Instru­ment zur Unter­stüt­zung der ukrai­ni­schen Regie­rung und des ukrai­ni­schen Volkes in ihrem Kampf zur Vertei­di­gung ihres Landes und ihrer Demokra­tie» gegen den Krieg von Russlands Präsi­dent Wladi­mir Putin. «Die Kosten des Kampfes sind nicht gering. Aber ein Nachge­ben gegen­über der Aggres­si­on ist noch teurer.»

Selen­skyj sprach von einem «histo­ri­schen Schritt». Die Ukrai­ne sei dankbar, twitter­te er. «Ich bin sicher, dass wir wieder gemein­sam gewin­nen. Und wir werden die Demokra­tie in der Ukrai­ne vertei­di­gen. Und in Europa. Wie vor 77 Jahren.»

Der US-Präsi­dent wird somit bis 2023 ermäch­tigt, der Ukrai­ne und anderen Staaten in Osteu­ro­pa, die vom russi­schen Angriffs­krieg betrof­fen sind, militä­ri­sche Ausrüs­tung zu leihen oder zu verpach­ten. Ein ähnli­ches Leih- und Pacht­ge­setz hatte der US-Kongress 1941 verab­schie­det: Dies erlaub­te es den USA, Rüstungs­gü­ter an Alliier­te im Kampf gegen die Natio­nal­so­zia­lis­ten zu liefern.

Biden drängt Kongress bei Milli­ar­den-Paket für Ukraine

Biden hat den Kongress um eine schnel­le Bewil­li­gung des von ihm beantrag­ten Milli­ar­den-Pakets zur Unter­stüt­zung der Ukrai­ne gebeten. «Ich habe die Mittel, die mir von einer überpar­tei­li­chen Mehrheit im Kongress zur Unter­stüt­zung der ukrai­ni­schen Kämpfer zur Verfü­gung gestellt wurden, fast ausge­schöpft», teilte Biden mit. Dies könne bereits in rund zehn Tagen der Fall sein. «Wir können nicht zulas­sen, dass unsere Hilfs­lie­fe­run­gen einge­stellt werden, während wir auf weite­re Maßnah­men des Kongres­ses warten.»

Biden hat den Kongress um weite­re 33 Milli­ar­den US-Dollar (31,3 Milli­ar­den Euro) gebeten. Der Großteil dieser Summe — mehr als 20 Milli­ar­den Dollar — soll für Militär­hil­fe genutzt werden. Die US-Regie­rung hatte zuvor schon mehre­re große Pakete zur Unter­stüt­zung der Ukrai­ne auf den Weg gebracht. Seit Kriegs­be­ginn Ende Febru­ar sagten die USA der ehema­li­gen Sowjet­re­pu­blik allein Waffen und Muniti­on im Wert von mehr als 3,7 Milli­ar­den US-Dollar (rund 3,5 Milli­ar­den Euro) zu oder liefer­ten auch schon.

Tote und Verletz­te bei Raketen­an­grif­fen auf Odessa

Bei russi­schen Raketen­an­grif­fen auf die ukrai­ni­sche Hafen­stadt Odessa sind in der Nacht mindes­tens ein Mensch getötet und fünf weite­re verletzt worden. Das berich­te­te die Agentur Unian unter Berufung auf die örtli­che Militär­füh­rung. «Der Feind hält seinen psycho­lo­gi­schen Druck aufrecht und setzt seine hyste­ri­schen Attacken gegen fried­li­che Zivilis­ten und die zivile Infra­struk­tur fort», hieß es.

Die Stadt wurde am Abend von zahlrei­chen Explo­sio­nen erschüt­tert. Nach Medien­be­rich­ten wurden unter anderem ein Einkaufs­zen­trum und ein Waren­la­ger getrof­fen. Kurz zuvor hatte die russi­sche Luftwaf­fe nach Darstel­lung des ukrai­ni­schen Militärs mehre­re Hyper­schall­ra­ke­ten vom Typ Kinschal auf Odessa abgefeu­ert. Dabei seien «touris­ti­sche Objek­te» getrof­fen und mindes­tens fünf Gebäu­de zerstört worden, berich­te­te die «Ukrajins­ka Prawda».

Die Hafen­stadt im Süden der Ukrai­ne ist seit Sonntag­abend Ziel verstärk­ter russi­scher Raketen­an­grif­fe. Am Montag­nach­mit­tag schlu­gen während eines Besuchs von EU-Ratsprä­si­dent Charles Michel mehre­re Raketen in der Region ein. Michel und der ukrai­ni­sche Minis­ter­prä­si­dent Denys Schmyhal mussten deswe­gen Schutz suchen. Damit zeige Russland seine wahre Haltung gegen­über Europa, kommen­tier­te am Abend Präsi­dent Selenskyj.

Angeb­lich noch Zivilis­ten im Werk Azovstal

Entge­gen Berich­ten über die vollstän­di­ge Evaku­ie­rung aller Zivilis­ten aus dem von russi­schen Truppen belager­ten Werk Azovs­tal in der ukrai­ni­schen Hafen­stadt Mariu­pol sollen sich dort immer noch rund 100 Zivil­per­so­nen aufhal­ten. Zudem hielten sich immer noch rund 100.000 Menschen in der schwer zerstör­ten Stadt auf, sagte der regio­na­le Verwal­tungs­chef Pawlo Kyryl­en­ko. «Schwer zu sagen, wer von ihnen die Stadt verlas­sen will», wurde er von der «Ukrajins­ka Prawda» zitiert.

Ukrai­ni­sche Truppen haben sich im Stahl­werk verschanzt, der letzten Basti­on in Mariu­pol. In den vergan­ge­nen Tagen wurden von dort mit Hilfe der Verein­ten Natio­nen und des Roten Kreuzes mehre­re hundert Frauen, Kinder und ältere Menschen evaku­iert. Die Vertei­di­ger von Azovs­tal wollten aber nicht ausschlie­ßen, dass sich noch Zivilis­ten in einigen Kellern des weitläu­fi­gen Gelän­des aufhielten.

Das bringt der Tag

Selen­skyj will sich am Diens­tag in einer Video­bot­schaft an des Parla­ment der Slowa­kei wenden. Vor dem Hinter­grund des Ukrai­ne-Kriegs beraten die für Digita­li­sie­rung zustän­di­gen Minis­ter der G7-Staaten in Düssel­dorf darüber, wie sie bei der Cyber­si­cher­heit stärker an einem Strang ziehen können.