KIEW (dpa) — Die ukrai­ni­sche Regie­rung will die im Asow-Stahl­werk verblie­be­nen Solda­ten in Mariu­pol retten. Die USA richten eine Beobach­tungs­stel­le für den Ukrai­ne-Krieg ein. Die Entwick­lun­gen im Überblick.

Nach der Evaku­ie­rung von gut 260 ukrai­ni­schen Solda­ten aus dem Asow-Stahl­werk in Mariu­pol bleibt die Lage der verblie­be­nen Vertei­di­ger der Stadt in der riesi­gen Indus­trie­an­la­ge unklar.

Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj sagte, in die Anstren­gun­gen zu ihrer Rettung seien einfluss­rei­che inter­na­tio­na­le Vermitt­ler einge­schal­tet. Im Osten der Ukrai­ne gehen die Kämpfe weiter, in anderen Regio­nen gibt es russi­sche Luftangriffe.

Die gut 260 Solda­ten, die das Azovs­tal-Werk in der Nacht zum Diens­tag verlie­ßen, begaben sich dabei in russi­sche Gefan­gen­schaft. Kiew hofft auf einen späte­ren Austausch gegen russi­sche Kriegs­ge­fan­ge­ne, Russlands Militär ließ einen solchen Schritt zunächst offen. Moskau veröf­fent­lich­te ein Video, das die Gefan­gen­nah­me der Ukrai­ner, medizi­ni­sche Behand­lung sowie den Abtrans­port von Verletz­ten zeigen soll. Gut 50 der Solda­ten sollen schwer verwun­det sein.

Russi­scher Vize-Regie­rungs­chef im besetz­ten Cherson

Russland zeigt sich entschlos­sen, das besetz­te Gebiet Cherson in der Südukrai­ne an sich zu binden. Die Region um die Hafen­stadt werde einen «würdi­gen Platz in unserer russi­schen Familie» einneh­men, sagte Russlands Vize-Regie­rungs­chef Marat Chusnul­lin bei einem Besuch in Cherson am Diens­tag. Man werde künftig zusam­men­le­ben und ‑arbei­ten, zitier­te ihn die russi­sche Staats­agen­tur Ria Nowosti.

Russland führte in der Region zum 1. Mai bereits den russi­schen Rubel als offizi­el­les Zahlungs­mit­tel ein. Der Vizechef der prorus­si­schen Verwal­tung von Cherson, Kirill Stremoussow, brach­te vor einigen Tagen ein formel­les Beitritts­ge­such an Kreml­chef Wladi­mir Putin ins Gespräch. Den Verzicht auf ein zuvor erwoge­nes Referen­dum begrün­de­te er damit, dass ein solcher Volks­ent­scheid auf der von Russland 2014 annek­tier­ten Halbin­sel Krim inter­na­tio­nal nicht anerkannt wurde. Die ukrai­ni­sche Regie­rung zeigt sich dagegen überzeugt, dass eine Russi­fi­zie­rung des Gebiets Cherson schei­tern werde.

In dem zwischen russi­schen und ukrai­ni­schen Truppen umkämpf­ten Gebiet Donezk sind am Diens­tag nach Behör­den­an­ga­ben sieben Zivilis­ten getötet worden. Sechs weite­re seien verletzt worden, teilte der ukrai­ni­sche Militär­gou­ver­neur Pawlo Kyryl­en­ko beim Nachrich­ten­dienst Telegram mit. Er warf russi­schen Truppen vor, die Menschen getötet zu haben. Selen­skyj zählte Raketen­an­grif­fe und Bombar­de­ments in den Gebie­ten Lwiw, Sumy, Cherni­hiv und Luhansk auf. Das russi­sche Militär wolle damit die Misserfol­ge im Osten und Süden kompensieren.

Bürger­meis­ter: Lwiw unter häufi­gem russi­schem Raketenbeschuss

Auch der Bürger­meis­ter von Lwiw (Lemberg), Andrij Sadowyj, beklag­te einen ständi­gen Beschuss mit russi­schen Raketen in der Westukrai­ne an der Grenze zu Polen. In der Stadt gebe es sehr viele inter­na­tio­na­le Organi­sa­tio­nen, die dadurch verun­si­chert werden sollten, sagte Sadowyj im ukrai­ni­schen Fernse­hen, wie die Agentur Unian am Mittwoch melde­te. Russland habe es nicht nur auf die militä­ri­sche Infra­struk­tur abgese­hen, sondern wolle durch den Beschuss perma­nen­te Anspan­nung auslö­sen. «Aber wenn man recht­zei­tig auf den Luftalarm reagiert und in den Schutz­bun­ker geht, dann ist es ungefähr­lich», sagte er. Die Altstadt von Lwiw gehört zum Welterbe der Unesco.

Die Menschen hätten am Stadt­rand die Raketen sehen und sehr laute Explo­sio­nen hören können, sagte Andrij Sadowyj. Schäden in Lwiw selbst habe es aber nicht gegeben. Die Menschen hätten aber praktisch die ganze Nacht in Luftschutz­bun­kern verbrin­gen müssen.

Werk von deutschem Gips-Herstel­ler bombardiert

In der Ostukrai­ne wurde nach ukrai­ni­schen Angaben eine still­ge­leg­te Gipsfa­brik des deutschen Unter­neh­mens Knauf von der russi­schen Luftwaf­fe bombar­diert. «Durch die Luftschlä­ge wurden Geschäfts­räu­me beschä­digt, und es brach Feuer aus», schrieb der Militär­gou­ver­neur des Gebiets Donezk, Pawlo Kyryl­en­ko, im Nachrich­ten­dienst Telegram. Es sei niemand verletzt worden.

Knauf hatte das Werk kurz nach der russi­schen Invasi­on still­ge­legt. Das Unter­neh­men bestä­tig­te am Diens­tag­abend, das Werk in Soledor im Donbass sei von einer Rakete getrof­fen und in Brand gesetzt worden.

USA richten Beobach­tungs­stel­le ein

Angesichts des russi­schen Angriffs­kriegs in der Ukrai­ne haben die USA eine Konflikt­be­ob­ach­tungs­stel­le gestar­tet. Das neue Conflict Obser­va­to­ry soll sicher­stel­len, «dass von Russlands Truppen began­ge­ne Verbre­chen dokumen­tiert und die Täter zur Verant­wor­tung gezogen werden», sagte ein Sprecher des Außen­mi­nis­te­ri­ums in Washington.

Das Programm werde unter anderem Infor­ma­tio­nen und Bewei­se für «Gräuel­ta­ten, Menschen­rechts­ver­let­zun­gen und die Beschä­di­gung der zivilen Infra­struk­tur» erfas­sen, analy­sie­ren und veröf­fent­li­chen. Berich­te würden künftig auf der Websei­te ConflictObservatory.org gepostet.

Das wird am Mittwoch wichtig

Schwe­den und Finnland reichen ihre Nato-Mitglieds­an­trä­ge gemein­sam in Brüssel ein. Die nordi­schen Länder geben damit ihre lange Tradi­ti­on der militä­ri­schen Bündnis­frei­heit auf.

Die EU-Kommis­si­on legt ihre Strate­gie vor, wie die Europäi­sche Union unabhän­gig von fossi­len Brenn­stof­fen aus Russland werden kann. Dafür will die Behör­de ehrgei­zi­ge­re Ziele für den Ausbau erneu­er­ba­rer Energien sowie beim Energie­spa­ren setzen.

In der Ukrai­ne soll der erste Prozess gegen einen russi­schen Solda­ten wegen des Vorwurfs von Kriegs­ver­bre­chen beginnen.