MOSKAU/KIEW (dpa) — Moskau meldet Erobe­rung der strate­gisch wichti­gen Klein­stadt Lyman. Im Donbass stemmt sich das ukrai­ni­sche Militär gegen die russi­schen Truppen. Die aktuel­len Entwicklungen:

Das russi­sche Militär hat nach eigenen Angaben die vollstän­di­ge Kontrol­le über die strate­gisch wichti­ge Klein­stadt Lyman im ostukrai­ni­schen Donbass-Gebiet erlangt.

«Durch das gemein­sa­me Vorge­hen von Einhei­ten der Donez­ker Volks­re­pu­blik und der russi­schen Streit­kräf­te wurde die Stadt Krasny Liman vollstän­dig von ukrai­ni­schen Natio­na­lis­ten befreit», sagte der Sprecher des russi­schen Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums, Igor Konaschen­kow, am Samstag. Krasny Liman ist die noch aus sowje­ti­scher Zeit stammen­de Bezeich­nung für Lyman.

Die mit Moskau verbün­de­ten Separa­tis­ten hatten die Erobe­rung bereits gestern vermel­det. Heute hat auch der ukrai­ni­sche General­stab indirekt den Fall der Klein­stadt einge­stan­den. Lyman ist als Eisen­bahn­kno­ten und Straßen­ver­bin­dung zu den Ballungs­räu­men Sjewjer­odo­nezk — Lyssytschansk im Osten und Slowjansk — Krama­torsk im Südwes­ten strate­gisch wichtig.

Konaschen­kow berich­te­te zudem von schwe­ren Luft- und Raketen­an­grif­fen gegen die Städte Bachmut und Soledar im Gebiet Donezk. Getrof­fen worden seien unter anderem Gefechts­stän­de und Muniti­ons­de­pots. Die ukrai­ni­schen Verlus­te allein durch die Luftwaf­fe bezif­fer­te der russi­sche Armee­spre­cher auf 260 Soldaten.

Selen­skyj nennt Lage im Donbass sehr schwierig

Selen­skyj bezeich­ne­te die Lage im Donbass angesichts russi­scher Angrif­fe als sehr schwie­rig. Moskau setze dort ein Maximum an Artil­le­rie und Reser­ven ein, sagte Selen­skyj in einer Video­an­spra­che. Die ukrai­ni­sche Armee vertei­di­ge das Land mit allen derzeit verfüg­ba­ren Ressour­cen. «Wir tun alles, um die Armee zu stärken», versi­cher­te der Präsi­dent. Was die derzeit heftig umkämpf­ten Orte im Donbass angeht, zeigte sich Selen­skyj kämpfe­risch. «Wenn die Okkupan­ten denken, dass Lyman und Sjewjer­odo­nezk ihnen gehören werden, irren sie sich. Der Donbass wird ukrai­nisch sein.» Wenn Russland Zerstö­rung und Leid bringe, werde die Ukrai­ne jeden Ort wieder­her­stel­len. Dort werde nur die ukrai­ni­sche Fahne wehen — und keine andere, beton­te Selenskyj.

Ukrai­nisch-ortho­do­xe Kirche sagt sich von Moskau los

Wegen des russi­schen Angriffs­kriegs erklär­te die ukrai­nisch-ortho­do­xe Kirche des Moskau­er Patri­ar­chats ihre «völli­ge Selbst­stän­dig­keit und Unabhän­gig­keit» von Moskau. Man sei uneins mit der Positi­on des Moskau­er Patri­ar­chen Kirill, teilte die Kirche in Kiew mit. Man verur­tei­le den Krieg und appel­lie­re an die Ukrai­ne und Russland, den Verhand­lungs­pro­zess fortzusetzen.

Kirill, Oberhaupt der russisch-ortho­do­xen Kirche, steht fest hinter dem russi­schen Präsi­den­ten Wladi­mir Putin. Zuletzt war der inner­kirch­li­che Druck in der Ukrai­ne gestie­gen, sich von Moskau loszu­sa­gen. Pries­ter hatten gar ein Kirchen­tri­bu­nal gegen Kirill gefor­dert. Der Zahl der Gemein­den nach ist die ukrai­nisch-ortho­do­xe Kirche des Moskau­er Patri­ar­chats die größte der drei maßgeb­li­chen Kirchen in der Ukraine.

Berich­te über Tote und Verletz­te bei russi­schen Angriffen

Die Ukrai­ne machte Russland für den Tod von fünf Zivilis­ten in dem von Regie­rungs­trup­pen kontrol­lier­ten Teil der Region Donezk im Osten des Landes verant­wort­lich. «Heute haben Russen fünf Bürger des Donbass getötet und vier weite­re verwun­det», schrieb der Gouver­neur des Gebiets, Pawlo Kirilen­ko, im Nachrich­ten­ka­nal Telegram. Zudem berich­te­ten ukrai­ni­sche Medien von Angrif­fen im Raum Charkiw. Der Gouver­neur von Luhansk, Serhij Hajdaj, sprach von einer schwie­ri­gen Lage in der umkämpf­ten Stadt Sjewjer­odo­nezk. Zwar habe man genug Mittel, um die Vertei­di­gung zu halten. Es könne aber sein, dass sich das ukrai­ni­sche Militär aus takti­schen Gründen zurückziehe.

Ukrai­ne: Gaslie­fe­rung durch Nord Stream 1 stoppen

Der ukrai­ni­sche Staats­kon­zern Nafto­gaz und der staat­li­che Netzbe­trei­ber appel­lie­ren an Deutsch­land, russi­sche Gas-Liefe­run­gen durch die Pipeline Nord Stream 1 einzu­stel­len oder zumin­dest spürbar zu drosseln. Die Leitung durch die Ostsee sei unter anderem erlaubt worden, um die Gasver­sor­gung Europas zu sichern, sagte Konzern­chef Serhij Makohon im ukrai­ni­schen Fernse­hen. «Aber wir sehen, dass Russland diese Prinzi­pi­en völlig verletzt.» Er forde­re daher das Bundes­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um und die Bundes­netz­agen­tur auf, die Liefe­run­gen auszu­set­zen oder mindes­tens stark zu begrenzen.

Kreml­geg­ner Chodor­kow­ski drängt zu Liefe­rung schwe­rer Waffen

Der Kreml­geg­ner Michail Chodor­kow­ski drängt den Westen zur Liefe­rung schwe­rer Waffen an die Ukrai­ne. «Wenn den Ukrai­nern die Waffen, die sie anfor­dern, nicht gelie­fert werden, wird es bald wieder zu Kämpfen um Kiew kommen», sagte der 58-Jähri­ge der «Bild» (Samstag). Er denke, westli­che Politi­ker hätten vor allem Angst vor dem russi­schen Präsi­den­ten Wladi­mir Putin. «Sie glauben, sich nicht in einem Krieg zu befin­den. Deswe­gen glauben sie auch, dass die Liefe­rung bestimm­ter Waffen zu einer Eskala­ti­on führen oder sie zu einer Kriegs­par­tei machen könnte. Chodor­kow­ski bezeich­ne­te dies als «sehr dumme Haltung», da sich westli­che Politi­ker und Länder aus Putins Sicht bereits im Krieg mit Russland befänden.