KIEW (dpa) — Präsi­dent Selen­skyj bezeich­net die Schlacht um Sjewjer­odo­nezk als richtungs­wei­send für den Kampf im Osten der Ukrai­ne. Nun gerät dort die Chemie­fa­brik Azot unter Beschuss. Aktuel­le Entwicklungen.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj nennt den erbit­ter­ten Kampf um Sjewjer­odo­nezk eine der vielleicht schwers­ten Schlach­ten des Krieges mit Russland.

Nach den mehr als dreimo­na­ti­gen Gefech­ten könnte die Einnah­me der strate­gisch wichti­gen Stadt eine Vorent­schei­dung bringen im Ringen um die Donbass-Region. Russland hatte das Nachbar­land am 24. Febru­ar angegrif­fen. Der Donners­tag ist für die Ukrai­ne der 106. Tag des Krieges.

Russen beschie­ßen Chemie­fa­brik in Sjewjerodonezk

Im Osten der Ukrai­ne setzen russi­sche Truppen nach ukrai­ni­schen Angaben ihre Angrif­fe auf Wohn- und Indus­trie­ge­bie­te in der schwer umkämpf­ten Stadt Sjewjer­odo­nezk fort. Durch den Beschuss der Chemie­fa­brik Azot seien vier Menschen getötet worden, schrieb der Gouver­neur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, am Donners­tag im sozia­len Netzwerk Telegram. Die Anlage wird nach ukrai­ni­schen Angaben von Hunder­ten Zivilis­ten als Luftschutz­bun­ker genutzt. Eine vergleich­ba­re Einkes­se­lung durch russi­sche Truppen wie bis vor kurzem in der Hafen­stadt Mariu­pol drohe derzeit jedoch nicht.

Von russi­scher und prorus­si­scher Seite wird immer wieder der Vorwurf geäußert, die Ukrai­ner hätten die Zivilis­ten in die Azot-Keller gelockt und das Gelän­de dann vermint. Belege dafür gibt es nicht. Mehr als 90 Prozent des Luhans­ker Gebiets, in dem Sjewjer­odo­nezk liegt, ist von Russland bereits besetzt. Die Angaben der Kriegs­par­tei­en können oft nicht von unabhän­gi­ger Seite überprüft werden.

Selen­skyj: Sjewjer­odo­nezk entschei­det über den Donbass

Präsi­dent Selen­skyj bezeich­ne­te die Schlacht um Sjewjer­odo­nezk als richtungs­wei­send für den Kampf im Osten des Landes. «Sjewjer­odo­nezk bleibt das Epizen­trum der Ausein­an­der­set­zun­gen im Donbass», sagte er am Mittwoch in einer Video­bot­schaft. Das ukrai­ni­sche Militär füge dem Gegner dort spürba­re Verlus­te zu. «Das ist eine sehr bruta­le und schwe­re Schlacht. Vielleicht eine der schwers­ten dieses Krieges (…) In vielem entschei­det sich dort das Schick­sal unseres Donbass.»

Gouver­neur: Russland kontrol­liert Großteil der Stadt

Nach schwe­ren Kämpfen kontrol­liert die russi­sche Armee den größten Teil von Sjewjer­odo­nezk. Das teilte der Gouver­neur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, am Mittwoch in seinem Telegram­ka­nal mit. «Was das Indus­trie­ge­biet (von Sjewjer­odo­nezk) anbelangt: Dort halten sich unsere Vertei­di­ger. Aber die Kämpfe gehen nicht nur in der Indus­trie­zo­ne weiter — die Kämpfe finden eben in der Stadt statt.» Die Lage im Indus­trie­ge­biet sei jedoch nicht wie in der Stadt Mariu­pol, wo die Kämpfe direkt im Azovs­tal-Werk statt­ge­fun­den hatten. «Stand heute besteht keine Gefahr der Einkes­se­lung», meinte Hajdaj. Über 90 Prozent des Luhans­ker Gebiets sei von Russland besetzt.

London: Russi­sche Truppen nehmen Isjum ins Visier

Nach Einschät­zung briti­scher Geheim­diens­te rücken russi­sche Truppen in den vergan­ge­nen Tagen in Richtung der ostukrai­ni­schen Stadt Isjum vor. Die Truppen hätten ihre Anstren­gun­gen dort wahrschein­lich verstärkt, hieß es am Donners­tag in einer Mittei­lung des Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums in London. Isjum liegt im Gebiet Charkiw, das an die mittler­wei­le fast vollstän­dig von den Russen einge­nom­me­ne Region Luhansk grenzt.

Duda kriti­siert Scholz und Macron für Gesprä­che mit Putin

Der polni­sche Präsi­dent Duda kriti­sier­te, dass Kanzler Scholz und Frank­reichs Präsi­dent Macron weiter mit Putin Gesprä­che führen. «Diese Gesprä­che bringen gar nichts», kriti­sier­te Duda in einem «Bild»-Interview, das am Mittwoch bei Youtube veröf­fent­licht wurde. Die Situa­ti­on sei ähnlich wie mit Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg. «Und hat jemand während des Zweiten Weltkrie­ges auf diese Weise mit Adolf Hitler gespro­chen?», fragte Duda. «Sagte jemand, dass er sein Gesicht bewah­ren muss? Dass man es so machen müsse, dass es nicht ernied­ri­gend ist für Adolf Hitler?» Solche Stimmen kenne er nicht.

Ukrai­ne und Russland tauschen weite­re Leichen aus

Die Ukrai­ne und Russland überga­ben nach Behör­den­an­ga­ben aus Kiew der jeweils anderen Seite die Leichen von 50 Solda­ten. Unter den getöte­ten Ukrai­nern seien 37 «Helden», die sich an der Vertei­di­gung des Azovs­tal-Werks betei­ligt hätten, teilte das ukrai­ni­sche Minis­te­ri­um für die Wieder­ein­glie­de­rung der vorüber­ge­hend besetz­ten Gebie­te in Kiew mit. Die Kämpfer hatten im Stahl­werk Azovs­tal in Mariu­pol die Stellung gehal­ten, bis Kiew die Stadt im Mai aufgab. Der Austausch fand nach ukrai­ni­schen Angaben entlang der Front­li­nie im Gebiet Saporischschja im Süden des Landes statt.