KIEW (dpa) — Die Freude der Ukrai­ne über eine EU-Perspek­ti­ve wird getrübt von weite­ren russi­schen Vorstö­ßen bei Kämpfen im Osten des Landes. Die Ereig­nis­se im Überblick.

Die Ukrai­ne kann sich als frisch­ge­ba­cke­ner EU-Beitritts­kan­di­dat Hoffnun­gen auf eine Zukunft im gemein­sa­men Europa machen. Zugleich aber wird die militä­ri­sche Lage im östli­chen Gebiet Luhansk für die ukrai­ni­sche Armee immer brenzliger.

Russi­sche Truppen kämpfen sich vor und versu­chen, die strate­gisch wichti­ge Stadt Lyssytschansk einzu­kes­seln. Aus den USA kommen zusätz­li­che wichti­ge Waffen wie Mehrfach­ra­ke­ten­wer­fer-Artil­le­rie­sys­te­me und Patrouillenboote.

Selen­skyj: EU-Kandi­da­ten­sta­tus für Ukrai­ne historisch

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj würdig­te den EU-Kandi­da­ten­sta­tus für sein Land als einen histo­ri­schen Moment. «Die Zukunft der Ukrai­ne liegt in der EU», beton­te er nach der Entschei­dung der Staats- und Regie­rungs­chefs der EU beim Gipfel in Brüssel. Zugleich sei dies aktuell der größte mögli­che Schritt zur Stärkung Europas, «während der russi­sche Krieg unsere Fähig­keit auf die Probe stellt, Freiheit und Einheit zu wahren.

Selen­skyj hatte sich in den vergan­ge­nen Monaten massiv für eine Beitritts­per­spek­ti­ve stark­ge­macht. Er bekräf­tig­te nun in seiner tägli­chen Video­an­spra­che, dass die Ukrai­ne in der Lage sei, ein vollwer­ti­ges EU-Mitglied zu werden.

Russi­sche Truppen stoßen bis an Stadt­rand von Lyssytschansk vor

Im Osten der Ukrai­ne drangen russi­sche Truppen nach ukrai­ni­schen Angaben bis an den Stadt­rand der Großstadt Lyssytschansk vor. «Unsere Kämpfer haben den Vorstoß in Richtung der südli­chen Ränder von Lyssytschansk aufge­hal­ten, dem Feind Verlus­te zugefügt und ihn zum Rückzug gezwun­gen», hieß es am Donners­tag­abend im Lagebe­richt des General­stabs in Kiew. Die russi­sche Armee ziehe nun Reser­ven heran.

Lyssytschansk ist die letzte größe­re Stadt im Gebiet Luhansk, die völlig unter ukrai­ni­scher Kontrol­le steht. Die Zwillings­stadt Sjewjer­odo­nezk auf der anderen Seite des Flusses Siwers­kyj Donez ist größten­teils von russi­schen Truppen erobert.

Am Donners­tag­mor­gen wurde bekannt, dass südlich von Lyssytschansk eine ukrai­ni­sche Gruppie­rung in den Ortschaf­ten Solote und Hirske einge­kes­selt ist. Am Abend teilte das ukrai­ni­sche Militär mit, dass die russi­schen Truppen Hirske inzwi­schen teilwei­se erobert hätten. Dem Bericht zufol­ge konnten sie den Kessel komplett schließen.

USA sagen Ukrai­ne weite­re Waffen für 450 Millio­nen Dollar zu

Die USA kündig­ten weite­re Waffen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne im Umfang von 450 Millio­nen Dollar (etwa 428 Millio­nen Euro) an. Dazu gehör­ten auch Mehrfach­ra­ke­ten­wer­fer-Artil­le­rie­sys­te­me und Patrouil­len­boo­te, sagte ein hochran­gi­ger Vertre­ter des Weißen Hauses, John Kirby.

Die USA haben dem von Russland angegrif­fe­nen Land in den bishe­ri­gen vier Kriegs­mo­na­ten nach eigenen Angaben Waffen und Ausrüs­tung im Wert von rund 6,1 Milli­ar­den Dollar zugesagt oder bereits gelie­fert. Die Regie­rung in Kiew bittet um mehr moder­ne Waffen, um die militä­ri­sche Überle­gen­heit russi­scher Truppen einzudämmen.

Weißes Haus: G7-Gipfel soll Russland weiter isolieren

US-Präsi­dent Joe Biden reist an diesem Samstag zum G7-Gipfel, der von Sonntag bis Diens­tag im Schloss Elmau in Bayern statt­fin­det. Kirby nannte als Ziele des Gipfels, «Russland weiter von der Weltwirt­schaft zu isolie­ren, die russi­sche Rüstungs­lie­fer­ket­te ins Visier zu nehmen und weiter gegen die Umgehung dieser beispiel­lo­sen Sanktio­nen vorzugehen».

Nach dem G7-Treffen reist Biden zu einem Nato-Gipfel nach Madrid. Auch dort wird der Ukrai­ne-Krieg im Mittel­punkt stehen.

Nike kündigt Rückzug aus Russland an

Der weltgröß­te Sport­ar­ti­kel­kon­zern Nike will sich angesichts des andau­ern­den Krieges gegen die Ukrai­ne komplett aus Russland zurück­zie­hen. «Nike hat die Entschei­dung getrof­fen, den russi­schen Markt zu verlas­sen», teilte das US-Unter­neh­men mit.

Priori­tät habe nun, die Beschäf­tig­ten vor Ort zu unter­stüt­zen, während der Betrieb in den kommen­den Monaten herun­ter­ge­fah­ren werde. Der Adidas-Konkur­rent hatte seine Geschäf­te in Russland — wie viele andere westli­che Unter­neh­men — bereits nach dem Einmarsch in die Ukrai­ne deutlich einge­schränkt. Inzwi­schen wollen immer mehr Firmen Russland ganz den Rücken kehren.

Das wird heute wichtig

Beim EU-Gipfel werden die hohe Infla­ti­on und steigen­de Energie­prei­se zum Thema, die zu den Folgen des russi­schen Angriffs­krie­ges in der Ukrai­ne gehören.

Die militä­ri­sche Lage rund um Lyssytschansk wird weiter im Mittel­punkt stehen, weil Russland dort den Weg zur Kontrol­le über das gesam­te Gebiet Luhansk freima­chen könnte.

Kurz vor dem G7-Gipfel rückt die Bundes­re­gie­rung bei einer Konfe­renz in Berlin die weltwei­te Ernäh­rungs­la­ge und die Suche nach Lösun­gen für blockier­te Getrei­de­aus­fuh­ren aus der Ukrai­ne in den Blick.