KIEW/ASCHGABAT (dpa) — Der Druck auf Russland reicht nicht, sagt Wolodym­yr Selen­skyj. Unter­des­sen sieht Wladi­mir Putin seinen Krieg im Plan — doch Exper­ten vermu­ten hohe Verlus­te. Die Entwick­lun­gen im Überblick.

Trotz westli­cher Waffen­lie­fe­run­gen bleibt die Lage ukrai­ni­scher Truppen in den schwer umkämpf­ten Gebie­ten im Osten des Landes nach Worten von Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj extrem schwierig.

«Wir unter­neh­men alles, um unser Militär mit moder­nen Artil­le­rie­sys­te­men auszu­stat­ten und den Besat­zern angemes­sen zu antwor­ten», sagte Selen­skyj in der Nacht zum Donners­tag in seiner tägli­chen Video­an­spra­che. Kreml­chef Wladi­mir Putin drohte unter­des­sen mit Gegen­maß­nah­men nach einem Nato-Beitritt Finnlands und Schwe­dens — und behaup­te­te erneut, die russi­sche «Spezi­al­ope­ra­ti­on» in der Ukrai­ne laufe nach Plan.

Selen­skyj: Bishe­ri­ger Druck auf Russland reicht nicht aus

Das russi­sche Militär setzt im Indus­trie­ge­biet Donbass auf massi­ven Artil­le­rie­be­schuss, um ukrai­ni­sche Stellun­gen zu schwä­chen. Die ukrai­ni­sche Artil­le­rie ist trotz einiger eintref­fen­der moder­ner Geschüt­ze aus dem Westen unter­le­gen. Aktuell wird um die Stadt Lyssytschansk gekämpft, aus dem benach­bar­ten Sjewjer­odo­nezk zogen sich die ukrai­ni­schen Truppen zurück.

Der bishe­ri­ge Druck auf Russland reiche nicht aus, sagte Selen­skyj und verwies darauf, dass allein am Mittwoch zehn russi­sche Raketen auf die ukrai­ni­sche Stadt Mikola­jiw abgefeu­ert worden seien. «Und alle waren auf zivile Ziele gerich­tet», sagte er.

Ukrai­ner und Russen tauschen knapp 300 Gefan­ge­ne aus

Die ukrai­ni­sche Armee und die russi­sche Seite haben nach eigenen Angaben insge­samt knapp 300 Gefan­ge­ne ausge­tauscht. In die Ukrai­ne seien dabei 144 Menschen zurück­ge­kehrt, sagte Selen­skyj. Der ältes­te sei 65 Jahre alt und der jüngs­te 19. Unter den freige­las­se­nen ukrai­ni­schen Solda­ten seien auch 95 Kämpfer, die bis vor einigen Wochen das schwer umkämpf­te Stahl­werk Azovs­tal in der mittler­wei­le von den Russen erober­ten Hafen­stadt Mariu­pol verteidigten.

Nach ukrai­ni­schen Angaben war es der größte Gefan­ge­nen­aus­tausch seit Kriegs­be­ginn. Der Separa­tis­ten­füh­rer Denis Puschi­lin wieder­um sprach von ebenfalls 144 prorus­si­schen und russi­schen Kämpfern, die aus ukrai­ni­scher Gefan­gen­schaft entlas­sen worden seien.

Putin: «Spezi­al­ope­ra­ti­on» in der Ukrai­ne läuft nach Plan

Mehr als vier Monate nach Beginn des russi­schen Angriffs­krie­ges behaup­te­te Putin erneut, die Kampf­hand­lun­gen liefen planmä­ßig. «Die Arbeit läuft ruhig, rhyth­misch, die Truppen bewegen sich und errei­chen die Linien, die ihnen als Etappen­zie­le vorge­ge­ben wurden», sagte er vor Journa­lis­ten in der turkme­ni­schen Haupt­stadt Aschga­bat. «Alles läuft nach Plan.» Der Krieg wird von Russland offizi­ell als «Spezi­al­ope­ra­ti­on» bezeichnet.

Russi­sche Truppen waren am 24. Febru­ar aus mehre­ren Richtun­gen in die Ukrai­ne einge­drun­gen. Nachdem es ihnen nicht gelang, die Haupt­stadt Kiew zu errei­chen, konzen­trie­ren sie sich auf das Indus­trie­ge­biet Donbass in der Ostukrai­ne. Nach Einschät­zung westli­cher Exper­ten rückt das russi­sche Militär zwar vor, erlei­det dabei aber hohe Verlus­te und verbraucht in hohem Tempo seine Artillerie-Munition.

Amnes­ty: Angriff auf Theater war ein Kriegsverbrechen

Amnes­ty Inter­na­tio­nal stuft den Luftan­griff auf das Theater von Mariu­pol im März als Kriegs­ver­bre­chen der russi­schen Streit­kräf­te ein. Die Menschen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on sammel­te gut drei Monate lang Bewei­se und legte nun einen Bericht dazu vor.

«Bei dem Angriff auf das Theater in Mariu­pol handelt sich um ein Kriegs­ver­bre­chen seitens russi­scher Truppen», beton­te Julia Duchrow von Amnes­ty Inter­na­tio­nal Deutsch­land. Höchst­wahr­schein­lich seien zwei 500-Kilo-Bomben abgewor­fen worden. In dem Theater hatten Einwoh­ner der umkämpf­ten ukrai­ni­schen Hafen­stadt Schutz gesucht.

Putin: Russi­sche Solda­ten sind Helden

Kreml­chef Putin bezeich­ne­te russi­sche Solda­ten als «Helden». Über sie müssten Lieder und Gedich­te geschrie­ben werden und sie sollten Denkmä­ler bekom­men, sagte er. Ukrai­ni­sche und inter­na­tio­na­le Exper­ten haben zahlrei­che Fälle von Gewalt gegen Zivilis­ten durch russi­sche Solda­ten dokumen­tiert, wie etwa die Ermor­dung von Einwoh­nern im Kiewer Vorort Butscha. Moskau behaup­tet, die Gräuel­ta­ten seien Inszenierungen.

Putin wollte sich nicht dazu äußern, wie lange die Kampf­hand­lun­gen noch andau­ern könnten. «Es wäre falsch, irgend­wel­che Fristen zu setzen», sagte er. Inten­si­ve­re Kampf­hand­lun­gen würden höhere Verlus­te bedeu­ten und «wir müssen vor allem daran denken, wie wir das Leben unserer Jungs erhal­ten können».

Selen­skyj: Keine Bezie­hun­gen zu Syrien nach Separatisten-Anerkennung

Nachdem Russlands enger Verbün­de­ter Syrien die beiden ostukrai­ni­schen Separa­tis­ten­ge­bie­te Luhansk und Donezk als unabhän­gi­ge Staaten anerkann­te, will Selen­skyj alle Bezie­hun­gen zu dem Land kappen. Russland habe dies aus Syrien «heraus­ge­presst», sagte er.

Syrien war nach Russland das erste Land, das die Separa­tis­ten­ge­bie­te als Staaten anerkann­te. Moskau ist im syrischen Bürger­krieg neben dem Iran der engste Verbün­de­te der Führung in Damas­kus. Nicht zuletzt dank des russi­schen Militär­ein­sat­zes kontrol­lie­ren die Anhän­ger von Macht­ha­ber Baschar al-Assad wieder rund zwei Drittel des Landes.

Das wird am Donners­tag wichtig

Ein zentra­les Thema wird das Kriegs­ge­sche­hen in der Ostukrai­ne bleiben, wo weiter um die Stadt Lyssytschansk gekämpft wird.

Die Nato wird sich zum Abschluss ihres Gipfels in Madrid unter anderem mit der durch Russlands Krieg ausge­lös­ten Lebens­mit­tel­kri­se und dem Einfluss Russlands und Chinas auf Länder in Afrika befassen.

Das Ölkar­tell Opec+ trifft sich, um bei einer Online-Konfe­renz die Förder­stra­te­gie für August festzu­le­gen. Es wird erwar­tet, dass die mehr als 20 Staaten unter Führung von Saudi-Arabi­en und Russland den Ölhahn weiter aufdrehen.